Steigende Jahresentgeltgrenze, Wiedereinführung der Beitragsparität und Hamburger Modell: Die politisch gesteckten Rahmenbedingungen für das Neugeschäft der privaten Krankenvollversicherung waren auch 2018 alles andere als rosig. Doch trotz dieses schwierigen Marktumfelds konnte die Branche im vergangenen Jahr ihr Bruttowachstum in der Vollversicherung erstmals seit 2011 um 4.100 Personen auf 284.600 erhöhen.
Das positive Resultat wird jedoch durch den Bestandsabrieb von 17.100 Personen beziehungsweise 0,2 % geschmälert. Positiv ist zudem, dass die Beitragsanpassungen zu Jahresbeginn 2019 relativ moderat ausfielen.
Im Marktausblick zur Versicherungswirtschaft 2019/2020 zeichnet die ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur ein aktuelles Bild über die Situation und Stimmung in der privaten Krankenversicherung, der Lebensversicherung sowie der Schaden-/Unfallversicherung. Interessenten können den 75-seitigen Bericht auf der Internetseite www.assekurata.de gegen eine Schutzgebühr von 1.050 €zzgl. MwSt. erstehen.
Beiträge in der Pflege(zusatz)versicherung dürften erneut steigen
Im Vergleich zum Vorjahr fiel die Beitragsanpassung im Bestand der Beihilfe- und Nicht-Beihilfetarife nochmals geringer aus. Im Durchschnitt der von Assekurata gerateten Krankenversicherer erhöhten sich die Beiträge im Beihilfesegment um 1,6 % und im Nicht-Beihilfebereich um 2,6 %.
Allerdings muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass die Nicht-Beihilfeberechtigten bei ihrer Pflegepflichtversicherung (PPV) wie schon 2017 deutliche Beitragssteigerungen im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen mussten.
„Ein Grund hierfür war die Absenkung des Rechnungszinses von 3,30 % auf 2,50 %, die sich in der zinssensitiven Pflegeversicherung besonders bemerkbar macht. Und für das kommende Jahr deutet sich erneut eine Beitragserhöhung an“, prophezeit Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata und Autor der Untersuchung.
„Diese dürfte insbesondere die Beihilfeempfänger treffen, da der Rechnungszins in deren PPV immer noch bei 3,30 % liegt.“
Immer mehr „Vollkaskotarife“ in Zahn und Pflege
Die Kölner Analysten rechnen aber auch in der Pflegeergänzungsversicherung mit Beitragssteigerungen, was das Neugeschäft noch weiter erschweren dürfte. Denn nach dem Wachstumseinbruch 2017 von -40 % sind 2018 mit 93.100 Policen abermals weniger Verträge als im Vorjahr hinzugekommen.
Unter anderem dank der zunehmenden Wachstumsdynamik in der betrieblichen Krankenversicherung (+12,6 %) kann die Branche diesen Rückgang kompensieren, so dass das Ergänzungsversichertengeschäft mit einem Plus von 2,0 % insgesamt weiter anzieht. Auf die sinkende Nachfrage im Pflegesegment antworten die Krankenversicherer mit neuen, flexiblen Produkten.
So führt fast die Hälfte der Marktteilnehmer inzwischen Policen im Sortiment, bei denen zumindest ab Pflegegrad 2 sowohl bei ambulanter als auch bei stationärer Pflege 100 % des vereinbarten Tagessatzes gezahlt werden und die Leistungshöhe in den einzelnen Pflegegraden individuell vereinbart werden kann.
„Damit sind Zusatzversicherte theoretisch besser abgesichert als Vollversicherte“
Auch im Bereich der Zahnzusatzversicherung geht der Trend hin zur „Vollkaskoabsicherung“. Während dies in der Vollkostenversicherung die absolute Ausnahme im Markt darstellt (ein Anbieter), nimmt die Zahl der Unternehmen mit Zahntarifen für gesetzlich Krankenversicherte ohne Eigenbeteiligung bei Zahnersatz, also einer 100-%-Absicherung, kontinuierlich zu. Im Juni 2019 waren dies neun Anbieter – Tendenz steigend.
„Damit sind die Zusatzversicherten theoretisch besser abgesichert als die Vollversicherten“, konstatiert Reichl. „Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung jedoch weniger einer tatsächlich steigenden Nachfrage auf Kundenseite geschuldet, sondern rührt vielmehr aus der Motivation der Anbieter, mit Hilfe dieser Produkte bei entsprechenden Produkt- und Vergleichstests weit vorne zu stehen.“
So sind die 100-%-Tarife im Schnitt fast 50 % teurer als die Varianten mit Erstattungssätzen von 85 % beziehungsweise 90 %. „Es bleibt abzuwarten, ob Kunden tatsächlich in großer Zahl bereit sein werden, den entsprechenden Mehrbeitrag zu investieren“, so Reichl.
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