In der aktuellen Anlegerstudie der Gothaer Asset Management ergibt sich in allen Altersbereichen nach wie vor ein erschreckender Zuspruch für das Sparbuch. Haben die Deutschen nach mehr als zehn Jahren Niedrigzins immer noch nichts gelernt?
Epple: Die Deutschen sind bei der Geldanlage sehr auf Sicherheit bedacht. Seit Jahren liegt dieser Aspekt weit vorn, wenn man die Menschen danach fragt, was ihnen bei der Geldanlage am wichtigsten ist. An zweiter Stelle steht die Flexibilität, Rendite ist aktuell nur für neun Prozent der Anleger ausschlaggebend. Vor diesem Hintergrund verwundert es dann nicht, dass das Sparbuch trotz niedrigster Zinsen auf Platz eins der Beliebtheitsskala liegt. Aber auch Immobilien und Lebensversicherungen werden weiter stark nachgefragt und kommen diesem Sicherheitsbedürfnis entgegen.
Allerdings sehen wir auch, dass der Wunsch nach möglichst großer Sicherheit kontinuierlich nachlässt. 2016 war das noch für 54 Prozent der Anleger das wichtigste Kriterium, heute sind es nur noch 46 Prozent.
Seit exakt dieser Zeit spreche ich mit vielen Branchenteilnehmern darüber, dass wir endlich weg vom Sparen und hin zum Investieren kommen müssen. Welche Möglichkeiten gibt es noch als permanent darauf hinzuweisen, dass nur die Beteiligung am Produktivkapital die Chance birgt, eine adäquate Altersvorsorge auf die Beine zu stellen?
Epple: Ich denke, dass da vor allem unsere Kompetenz in der Beratung gefragt ist, um den Menschen dieses Thema nahezubringen. Gleichzeitig ist es aber wichtig, die passenden Lösungen zu bieten, die einerseits das Sicherheitsbedürfnis befriedigen, andererseits aber mehr Rendite bieten. Fondsbasierte Altersvorsorgeprodukte mit viel Flexibilität und wählbarem Garantieniveau sind da ein Weg. Oder vermögensverwaltende Fonds, die professionell gemanagt werden und schnell auf Marktentwicklungen reagieren können.
Das Thema Nachhaltigkeit erfährt in diesem Jahr europaweit eine Zäsur. Auch wenn der Fahrplan für die Taxonomie-VO bereits wieder hinterherhinkt, wie bewerten Sie den Vorstoß, den Nachhaltigkeitsgedanken sowohl im Asset Management als auch in der Finanzberatung zu verankern?
Epple: Das ist aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Als Versicherer haben wir zwei große Hebel, um einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele und zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten: Über unsere Kapitalanlage und über die Entscheidung, welche Risiken wir versichern. Die Gothaer ist bei beiden Aspekten einer der Vorreiter. Auf der einen Seite waren wir mit die Ersten, die Mitte der Neunziger Jahre begonnen haben, Windkraftanlagen zu versichern. Dadurch, dass wir diese Risiken übernommen haben, haben wir einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung dieser Technologie und zur Energiewende geleistet. Auf der anderen Seite investieren wir schon seit Jahren intensiv in Erneuerbare Energien, mittlerweile haben wir dort ein Volumen von einer Milliarde erreicht. Seit 2018 sind wir zudem dabei, unsere Kapitalanlage komplett auf ESG Kriterien auszurichten.
Laut Anlegerstudie hat sich der Zuspruch zu nachhaltig anlegenden Fonds nahezu verdreifacht. Wie erklären Sie sich diesen enormen Zuwachs – auch vor dem Hintergrund, dass es nach wie vor keinen ESG-Standard gibt?
Epple: Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Öffentlichkeit seit einigen Jahren immer stärker an Bedeutung. Fridays for Future haben dazu einen erheblichen Beitrag geleistet. Da ist es nur logisch, dass die Menschen auch bei der Geldanlage stärker auf nachhaltige Produkte setzen. Da wäre es in der Tat wichtig, wenn es klare und gut nachvollziehbare Kriterien gäbe, anhand derer die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten beurteilt werden könnte.
Umwelt- und Klimaschutz ist erwartungsgemäß der populärste Faktor von ESG. Wie lässt sich die ebenso große Wichtigkeit von „S“ und „G“ stärker in den Köpfen verankern?
Epple: Das ist richtig, die meisten Menschen denken beim Thema Nachhaltigkeit erst einmal an den Umwelt- und Klimaschutz. Laut unserer Studie sind das aktuell 46 Prozent. An zweiter Stelle folgt aber mit 32 Prozent – also knapp einem Drittel der Befragten – die soziale Gerechtigkeit. Dieses Thema ist in der öffentlichen Debatte auch recht präsent, zum Beispiel mit Aspekten wie dem Gender Pay Gap oder Kinderarbeit in der Produktion von Billigwaren im Ausland. Der dritte Aspekt, die Governance – also die verantwortungsvolle Unternehmensführung – findet hingegen noch weniger Beachtung. Wir gehen in unserer Nachhaltigkeitsberichterstattung ausführlich auf alle Aspekte ein und legen auch alle drei Kriterien als Maßstab für unsere Kapitalanlagen an.
Stichwort Nachhaltigkeit schlägt Rendite. Das Gros der Befragten würde auf Rendite zugunsten Nachhaltigkeit verzichten. Inwieweit ist das für Sie glaubhaft bzw. hält eine solche Aussage der Realität tatsächlich stand – offensichtlich sind Frauen dazu weniger bereit als Männer?
Epple: Wir sehen ja, dass nachhaltige Investments stärker nachgefragt werden. Es gibt also eine steigende Zahl von Menschen für die diese Aussage kein Lippenbekenntnis mehr ist. Zudem zeigen viele Studien, dass Nachhaltigkeit keineswegs zu Lasten der Rendite geht. Beispielsweise hat unser vermögensverwaltende Fonds Gothaer Multi Select im letzten Jahr eine Wertsteigerung von 17,5 Prozent erzielt. Dieser Fonds war 2020 als einer der fünf besten nachhaltigen Fonds ausgezeichnet worden.
Welche Schlüsse zieht Gothaer Asset Management aus den Ergebnissen der Studie für etwaige Strategien oder Produktgestaltungen?
Epple: Die Studie hat uns noch einmal bestätigt, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile für die Menschen hat und dass sich das über alle Lebensbereich erstreckt. In unserer neuen Strategie Ambition25 ist das Bekenntnis zu einer glaubhaften Nachhaltigkeit fest verankert. Jede neue Investition, aber auch jede neue Produktidee wird daran entlanggeführt. Wo immer möglich, bilden wir nachhaltige Aspekte ab. Das ist natürlich im Bereich Vermögensanlage und Altersvorsorge über entsprechende Fondslösungen einfacher abzubilden als in anderen Sparten. Da sind Kreativität und Innovation gefragt. Aber auch da gibt es bereits erste Ansätze, zum Beispiel über vergünstigte KFZ-Tarife für Elektroautos oder die Möglichkeit, den CO2 Ausstoß des Fahrzeugs über Zertifikate zu kompensieren.