Doch bleibt er optimistisch: „Die Situation ist nicht ausweglos. Die kurzfristige Lösung ist einfach: Die Zinssätze aggressiv erhöhen und die Kreditvergabe einschränken, um die Wirtschaft abzukühlen und die Inflation in Schach zu halten. Es muss eine klare Botschaft an die Investoren gesendet werden, dass das Problem verstanden und entschieden angegangen wird.“
„Türkei hat viel Potenzial“
Der größte Teil des wirtschaftlichen Schmerzes, den die Türkei erleidet, sei selbstverschuldet. Die Türkei habe immer wieder bewiesen, dass sie ohne weitere Verschuldung kein hohes Wachstum aufrechterhalten kann – und das alles bei geringen inländischen Ersparnisse und einer Verschuldung in US-Dollar, die mit einem inhärenten Währungsrisiko behaftet ist.
„Die Behörden werden früher oder später die Zinsen erhöhen müssen – sie haben keine andere Wahl. Aber die Situation ist derart außer Kontrolle geraten, dass sie viel weiter gehen müssen als noch vor drei Wochen“, so Szabo.
Doch die Türkei habe viel Potenzial: „Die Wirtschaft in ihrer Gesamtheit ist angemessen diversifiziert und verfügt über eine solide Exportbasis. Aber jetzt geht es um Glaubwürdigkeit.“
„Geprägt von Trotz und Nationalismus“
Auch Aneeka Gupta, Associate Director – Equity & Commodities Strategist bei WisdomTree sieht die Lage pessimistisch: „Die lang erwartete Rede von Präsident Erdogan über das neue Wirtschaftsmodell für die Türkei hat auf den Finanzmärkten mehr Schaden angerichtet.“
„Präsident Erdogans Rede enthielt keinerlei Kompromiss mit den internationalen Märkten und war geprägt von Trotz und Nationalismus, da er entschlossen ist, den Zinslobbys nicht zum Opfer zu fallen. Er meinte, die Krise könne durch lokale Maßnahmen bewältigt werden und hat die Bürger zum Tausch ihrer Gold- und Devisenbestände gegen die türkische Lira aufgefordert. Es wurden keine neuen politischen Initiativen angekündigt“, so Gupta.
„Die Märkte erwarteten eine Zinserhöhung von mindestens 300 Basispunkten, doch Finanzministers Berat Albayrak erfüllte die Erwartungen nicht.“ Die Krise wirke sich auch auf Europa aus: „Aufgrund des hohen relativen Engagements von BBVA, Uni Credit und BNP Paribas bei türkischen Banken ist die heutige Kursentwicklung um drei bis vier Prozent gesunken.“
Höhere Zölle eher symbolisch
Zudem würden die Märkte befürchten, dass es in Europa noch einige ausstehende Kredite an türkische Unternehmen gebe, die nun in Zahlungsschwierigkeiten sind. Wisdomtree halte die Sorgen um das Tail-Risk-Szenario jedoch für übertrieben.
Auch Gupta sieht wie McNamara die höheren Zöller symbolisch: „Die Verdoppelung der Zölle auf Stahl und Aluminium durch US-Präsident Trump hat den Rückgang der Lira auf minus 12,40 Prozent weiter verschärft. Während die Türkei kein großer Exporteur von Stahl und Aluminium ist, unterstreicht die Ankündigung von Zöllen durch die USA, dass die gestrigen Gespräche zwischen den beiden Nato-Verbündeten der USA erfolglos geblieben sind.“ (kl)
Foto: Murat Kaynak / Anadolu Agency