Krypto-Welt als Chance für Finanzdienstleister

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Dagmar Schoppe

Die Bedeutung von Kryptowährungen wächst, die EZB beabsichtigt, den „digitalen Euro“ auf den Weg zu bringen. Für Banken und Finanzdienstleister birgt diese Entwicklung die Möglichkeit, mit neuen Dienstleistungen ihr Portfolio zu erweitern. Gastbeitrag von Dagmar Schoppe, SRC GmbH

Im Januar dieses Jahres endete die öffentliche Befragung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum „digitalen Euro“, im Sommer 2021 wird mit einer grundsätzlichen Weichenstellung gerechnet. Der Zahlungsdienstleister Visa will noch in diesem Jahr eine Schnittstelle in Betrieb nehmen, über die Finanzdienstleister Krypto-Angebote in ihr Portfolio integrieren können. Die Entwicklung ist eindeutig: Kryptowährungen werden wichtiger. Sie basieren auf kryptografischen Methoden, wie beispielsweise der asymmetrischen Verschlüsselung, und werden in einem Blockchain-Netzwerk über Peer-to-Peer-Verbindungen gehandelt (P2P).

Für den Zugang zu seinem Geld benötigt der Endnutzer eine Wallet, das Pendant zur klassischen Geldbörse mit Münzen und Scheinen, mit asymmetrischen Schlüsselpaaren: Die öffentlichen Schlüssel werden indirekt als Empfänger- bzw. Rechnungsadressen genutzt, die privaten Schlüssel dienen dazu, die Transaktionen zu signieren und damit ihre Echtheit zu bestätigen. Im P2P-Netzwerk werden die Informationen verteilt und es wird geprüft, ob die Signaturen korrekt sind, ob Adresse und Geld vorhanden sind, und schließlich wird der Transaktionsbetrag übertragen.

Die Krypto-Welt kennt dabei drei Arten von Werten: Payment Token, die als Zahlungsmittel dienen, Security Token, das Äquivalent zu Aktien und digitalen Wertpapieren – schon heute gibt es Fintechs, die ihre Börsengänge (ICOs) virtuell realisieren. Der dritte Wert sind Utility Token, die das Äquivalent zu Zugangsberechtigungen bzw. Stimmrechten darstellen.

Der Vorteil von Kryptowährungen gegenüber klassischen Geldsystemen ist die niedrige Zugangsvoraussetzungen. Prinzipiell kann jeder Teil des Blockchain-Netzwerks werden, niemand ist ausgeschlossen. Man benötigt lediglich einen Computer oder Smartphone und eine frei erhältliche App und ist unabhängig von den internationalen Zahlungssystemen. Kunden können zwischen den Währungen nach Belieben wechseln – Kryptowährungen wie Bitcoin sind beliebte Spekulationsobjekte, die „Facebook-Währung“ Diem (vormals Libra) lockt beim Einsatz wahrscheinlich mit Vergünstigungen und großer Bequemlichkeit.

Der zentrale Unterschied zwischen Kryptowährungen und dem klassischen Giral- und Fiat-Geld liegt in der Geldschöpfung. Zugang, Sendung und Empfangen sowie die Menge des in Umlauf befindlichen Gelds müssen geregelt sein, damit ein Geldsystem stimmig ist und das Vertrauen der Nutzer bestehen bleibt. Im klassischen zweistufigen System wird die Geldmarktpolitik von den Zentralbanken gesteuert. Die Geschäftsbanken gewähren Kredite und erhöhen damit die Menge des Buch- bzw. Giralgelds.

Keine zentralen Instanzen

Kryptowährungen werden dagegen dezentral als verteiltes Kassenbuch über die Distributed Ledger-Technology, zum Beispiel Blockchains, in Peer-to-Peer-Netzwerken abgebildet. Alle Transaktionen liegen darin offen. Hier gibt es keine zentralen Instanzen, Vertrauen und Manipulationssicherheit entstehen über Transparenz und kryptographische Verfahren, die die Integrität der Transaktionen sicherstellen.

Neben der fortschreitenden Globalisierung und Digitalisierung treiben Konzerne, Regierungen und Kreditinstitute die Entwicklung von Kryptowährungen voran – wobei die EU noch hinter China und den USA herhinkt. In Europa ist die Entwicklung noch überwiegend durch Unternehmen gesteuert, während in China die Regierung der Treiber ist. Sie hat den digitalen Yuan, das erste digitale Zentralbankgeld, ausgegeben. In Schweden ist geplant, den E-Krona zeitnah einzusetzen.

In den nächsten zwei bis drei Jahren werden Kryptowährungen weiter an Bedeutung gewinnen. Das Interesse wächst auch angesichts dauerhafter Niedrigzinsen, die eine größere Risikobereitschaft in andere Anlageformen fördern. Wichtig ist dabei eine Regulierung: Richtlinien schaffen Rechtssicherheit für Unternehmen, geben Vertrauen und sorgen dadurch für Investments. Dabei müssen Regulierung und Marktaktivität sich angleichen und befruchten statt sich zu hemmen. Der MiCA (Proposal for a regulation on Markets in Crypto-assets) ist zum Beispiel der Versuch, EU-weit einheitliche Regelungen für das Geschäftsfeld Kryptoverwahrgeschäft zu schaffen.

Für die Deutschen Kreditwirtschaft (DK) sind Rechtssicherheit, einheitliche Vorgaben für ein tokenbasiertes Giralgeld und ein angemessener Regulierungsstandard Voraussetzungen für die Akzeptanz des „digitalen Euro“. Dieser kann dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Mit einer Einführung ist allerdings nicht vor 2023 zu rechnen. Das etablierte, zweistufige Banksystem soll dabei nach den bisherigen Überlegungen beibehalten werden – als Vertrauensanker in der Geldmarktpolitik. Dieses ist essenziell für die Geldmarktstabilität, die Versorgung der Unternehmen und Privatpersonen mit Krediten sowie die Akzeptanz der herausgegebenen Zahlungsmittel. Allerdings werden auch alternative direkte Distributionswege diskutiert. Unklar ist allerdings, welche Technologie bei der Umsetzung des Digitalen Euros zum Einsatz kommen soll. Vorstellbar ist neben einer DLT (zum Beispiel Blockchain) auch die Nutzung von TIPS, dem neuen Target Instant Payment Settlement Verfahren der EZB.

Viele offene Fragen

Insbesondere in Märkten oder Regionen mit nur sehr eingeschränktem Zugang zu Bankkonten, stellen Kryptowährungen, deren Wallet über Smartphone oder Internet verwaltet werden kann, eine neue Möglichkeit des Zugangs zu Geldmitteln dar. Kunden können die Währung aussuchen, mit der sie bezahlen wollen, und sind nicht mehr auf die Geldmarktpolitik ihres Landes angewiesen.

Noch sind Kryptowährungen mit vielen offenen Fragen behaftet – interessierte Anleger finden nicht ohne Weiteres Zugang zu Anbietern von Börsen auf denen sie klassische Devisen in Kryptogeld tauschen können. Zusätzliche sind die technischen Voraussetzungen für eine sichere Wallet zu schaffen. Insbesondere muss dem Verlust der privaten Schlüssel vorgebeugt werden, da damit der Totalverlust des mit der Wallet verbundenen Kryptogeldes verbunden ist. Hier ist die Vorbeugung von Cyberangriffen ein zentraler Aspekt.

Banken können an dieser Stelle Sicherheit geben. Sie sollten sich im eigenen Interesse mit Kryptowährungen beschäftigen, sonst werden ihnen Fintechs, die bereits in den Startlöchern stehen, Marktanteile wegnehmen. Die etablierten Institute haben hier den großen Vorteil, da sie mit den Regulierungsanforderungen wie CRR (Capital Requirements Regulation), PSD2 (Payment Service Directive) oder AML5 (Geldwäscherichtlinie) und der Bürokratie der BaFin bestens vertraut sind, was wiederum für Fintech-Unternehmen eine hohe Hürde darstellt.

Mit digitalen Währungen ergeben sich neue Geschäftsfelder: Banken können neue Services in ihr Portfolio für Endverbraucher und Händler aufnehmen, etwa das Verwahrgeschäft. Es beinhaltet die Verwahrung, Verwaltung und Sicherung von Krypto-Werten, die als Zahlungsmittel dienen. Banken verwalten dann für ihre Kunden Wallets und Transaktionen, generieren und speichern die asymmetrischen Schlüsselpaare, bieten eine Anbindung an Kryptotauschbörsen an oder verwalten eigene, private Kryptowährungen.

Auf Regulierungen einwirken

Zu Bargeldgeschäften mit Gut- und Lastschriften, bargeldlosem Zahlen mit elektronischem Zahlungsverkehr kommen dann Krypto-Services. Schon heute gibt es Kreditkarten für Kryptowährungen, Krypto-Geldautomaten können ein weiterer Schritt sein.

Die Blockchain-Technologie kann aber nicht nur für Kryptowährungen eingesetzt werden, sondern auch für Smart Contracts, die Abwicklung von Verträgen durch Algorithmen ohne zentrale Verwaltungsinstanz. In solchen smarten Verträgen können zum Beispiel die Auslösung von Zahlungen geregelt werden, falls bestimmter Bedingungen eingetreten sind. Institute könnten auf diese Weise ihren Firmenkunden Dienstleistungen anbieten, die die Digitalisierung der Geschäftsprozesse der Kunden unterstützen.

Banken sollten ihre Potenziale ausloten, Lobbyarbeit betreiben, auf Regulierungen einwirken und sich auch an privatwirtschaftlichen Aktivitäten beteiligen. Denn es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Kryptowährungen die bestehenden Systeme von Endkunden, Händlern, Industrie aber auch der Banken selbst erweitern werden.

Fazit: Die Bedeutung von Kryptowährungen nimmt immer schneller zu. Banken können ihre Expertise bei der Umsetzung von Regulierungsfragen nutzen, um sich eine gute Ausgangsposition auf dem Markt der Dienstleistungen für Kryptowährungen wie beispielsweise Schlüsselverwahrung zu verschaffen. Durch ihre bereits bestehenden Kompetenzen mit kryptographischen Verfahren, zum Beispiel in der Autorisierung, im Online-Banking oder bei der PIN-Absicherung, bringen Banken schon einen Großteil der technischen Voraussetzungen für den Einstieg in dieses Geschäftsfeld mit.

Autorin Dagmar Schoppe ist Bereichsleiterin Banken Compliance bei der SRC GmbH.

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