Künstliche Intelligenz: Deutsche Versicherer haben Aufholbedarf

Foto: Simon-Kucher
Dr. Dirk Schmidt-Gallas

Machine Learning und Artificial Intelligence in der Versicherungsbranche für neues organisches Wachstum sorgen. Europäische Versicherer haben bei der Einführung jedoch noch Aufholbedarf.

In Südost- und Zentralasien nutzen Versicherer die Wachstumschancen durch Machine Learning und Artificial Intelligence (AI) auf der Umsatzseite bereits seit langem. Sie digitalisieren alle Touchpoints mit ihren Kunden, um wertvolle Datenpunkte systematisch zu sammeln, zu aggregieren, anzureichern und anschließend in gezielten Anwendungen intelligent zu verwenden.

Jeder einzelne Kontakt, jeder Klick und jede Suche werden genutzt, um dem Kunden ein für ihn passendes Produkt zu bieten. Das ist in Europa noch ganz anders, zeigt eine aktuelle Markteinschätzung der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. „Hierzulande stehen die Versicherer bei Machine Learning und AI oft noch am Anfang“, sagt Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher.

Versicherer ließen viel Wachstumspotential ungenutzt, indem sie Machine Learning und AI nur als Werkzeug zur Kosteneinsparung einsetzen, beispielsweise bei Routine-Back-Office-Tätigkeiten wie dem Servicing, so Schmidt-Gallas. „Sie vergessen dabei das Potential auf der Umsatzseite: Machine Learning lässt sich gewinnbringend etwa bei der Optimierung von Produktempfehlungen oder im Customer Lifecycle Management einsetzen“, sagt Experte Schmidt-Gallas.

Mit AI zum zugeschnittenen Kundenservice

Denn Versicherer können mit Hilfe von AI ihre gesammelten Daten zielgerichtet analysieren und daraus viel lernen: „Mit den Mitteln der AI können Versicherer individuelle Produktempfehlungen geben“, sagt Schmidt-Gallas. Dadurch erhöhe sich gleichzeitig sowohl die Kundenzufriedenheit als auch die maximale Zahlungsbereitschaft des spezifischen Kunden. „Denn Kunden zahlen dann nur noch für die Leistungen, die sie auch wirklich möchten“, sagt Schmidt-Gallas.

Machine Learning und AI seien damit ein zentraler Baustein des Versicherungsbetriebes der Zukunft. Es gehe vor allem um eins: Die hyperpersonalisierte Kundenbetreuung. Um weg von starren Massenpolicen hin zu einer maßgeschneiderten Angebotsstruktur zu kommen, sollten Versicherer vermehrt auf Machine Learning und AI setzen, sagt Schmidt-Gallas. Dann könne sich das Angebot eines Versicherers innerhalb von Sekunden sowohl an den Kunden als auch dem Kanal kontextuell anpassen. 

Keine Ausreden bei der Implementierung

„Machine Learning und AI ins eigene Unternehmen zu integrieren hat sich in den vergangenen fünf Jahren stark vereinfacht – auch, wenn es um Legacy IT-Systeme geht“, sagt Schmidt-Gallas. Programme wie Docker und das Zusammenspiel von Softwareentwicklung und IT könnten Integrationen heutzutage simplifizieren. Best-Practices sowie bereits entwickelte Lösungskomponenten lassen sich etwa mit der „Container“-Philosophie dynamisch kombinieren, um auch komplexe Machine Learning-Anwendungen in vereinfachter Weise zu entwickeln und in bestehende Altsysteme zu integrieren.

Das braucht seine Zeit: Die Projektentwicklung und Implementierung einer fortgeschrittenen Machine Learning-Anwendung kann aktuell noch rund sechs Monate dauern, weiß Experte Schmidt-Gallas. Es sei aber noch viel Effizienzgewinn in der Phase der Implementierung möglich.

Die Zeit sei ein schnell amortisierendes Investment. Schmidt-Gallas: „Nur die Versicherer, die ihre Kunden kennen und zum richtigen Zeitpunkt passende Produkte über den bequemsten Kanal anbieten, haben auch in der Zukunft weiteres Wachstumspotenzial.“ Machine Learning und Artificial Intelligence seien dafür zwei elementare Werkzeuge.

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