EXKLUSIV: Künstliche Intelligenz in Fonds – „Mit KI systematisch Alpha erzielen“

Trotzdem noch einmal die Frage: Outperformance? Gibt es die und wenn ja, kann man das beziffern?

Sievers: Die Outperformance kann an ganz vielen Stellen entstehen. Das muss man immer differenzieren. Das kann darin entstehen, indem ich die Asset Allocation richtig fahre. Habe ich eher Aktien, habe ich eher Renten, und in welchen Phasen habe ich eigentlich was? Dann geht es natürlich um die Titelselektion innerhalb dieser Asset Allocation. Bin ich eher Small Cap-lastig, bin ich Large Cap-lastig, habe ich eher USA oder Europa? All diese Entscheidungen muss jemand treffen und die KI ist natürlich bestens dafür geeignet. Sie ist nicht nur einem Stil verhaftet, sondern kann anhand der Zahlen, Daten, Fakten und der aktuellen Makrodaten mit ganz unterschiedlichen Marktphasen umgehen und eine Outperformance erzielen.

Wenn Sie sich unsere Produkte ansehen, dann zeigt sich in den meisten Produkten eine klare Outperformance gegenüber der Benchmark. Nehmen wir zum Beispiel unseren LF – AI Impact Equity US Fonds. Wie steuert unsere KI den Fonds? Wir haben hier den MSCI USA als Universum festgelegt. Dann wollen wir nicht zu weit von der Benchmark abweichen, und es soll ein Artikel-9-Impact-Fonds sein, wir wollen den CO2-Ausstoß um 70 Prozent reduzieren. Mit diesen Vorgaben bilden wir den US-Markt USA ab und haben den klaren Anspruch, durch die KI Alpha zu generieren. Wenn wir uns die Performance seit Anfang Januar 2023 anschauen, liegt der LF – AI Impact Equity US zum 31. März 2024 bei knapp 37 Prozent. Ein vergleichbarer ETF auf den MSCI USA, den Sie als Anleger kaufen würden, der auch das Pariser Klimaabkommen berücksichtigt, der Artikel 8 ist und den Markt abbildet, liegt bei 32 Prozent. Das ist das Alpha, das wir finden wollen. Historisch gesehen gehen wir davon aus, dass wir um die zwei Prozent zusätzliches Alpha pro Jahr erzielen können.

Sie müssen die KI ja auch, ich sage mal, mit Daten „füttern“. Wer macht das bei Ihnen?

Sievers: Wir haben ein eigenes Entwickler-Team aus Machine Learning und Data Engineers im Haus, die sich darum kümmern. Die Daten selbst kommen von mittlerweile neun verschiedenen Anbietern, zum Beispiel Bloomberg, MSCI, ISS, Macrobond und FactSet. Wir sind da maximal breit aufgestellt, von makroökonomischen Daten über unternehmensbezogene Finanzkennzahlen und Kurs- und Nachhaltigkeitsdaten bis hin zu Nachrichten und Social Media. Die Datenqualität ist dabei der wichtigste Faktor. Denn die KI ist natürlich nur so gut, wie sie auch historisch trainiert wurde. Das bedeutet, die Daten müssen korrekt, vollständig und – das macht es wirklich anspruchsvoll – sie müssen mit einem Zeitstempel versehen sein, damit die KI die korrekten Zusammenhänge erkennen kann.

Aus diesen Daten erstellt dann die KI täglich eine Prognose für jedes von uns beobachtete Wertpapier. Wenn wir KI sagen, meinen wir hier natürlich neuronale Netze. Was unseren Ansatz zudem besonders macht, ist die Kombination von neuronalen Netzen mit bayesianischen Modellen. Mit dieser innovativen Technologie können wir nicht nur Kursentwicklungen prognostizieren. Wir können zusätzlich auch die Unsicherheit dieser Prognosen modellieren. Stellen Sie sich das neuronale Netz wie einen Analysten vor: Ein Analyst gibt Ihnen für jede Aktie eine Einschätzung über die zukünftige Wertentwicklung. Wenn man mit bayesianischen neuronalen Netzen arbeitet, hat man nicht nur einen Analysten, sondern in unserem Fall 300. Jedes dieser Netze ist leicht unterschiedlich trainiert und gibt uns also eine leicht unterschiedliche Prognose. Liegen die Einschätzungen nah beieinander, haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit für Performance. Liegen sie weit auseinander, ist das Risiko dieser Aktie hoch und wir würden eher einen Bogen darum machen.

Das heißt aber auch, dass Sie ungefähr die 300-fache Rechenleistung brauchen, allein um diese Wahrscheinlichkeitsfunktion für ein Asset zu realisieren. Wenn Sie wie wir täglich für rund 20.000 Wertpapiere solche Wahrscheinlichkeitsberechnungen machen, dann haben Sie hier ein enormes Infrastrukturthema.

Das Sie aber gelöst haben?

Hebestreit: Korrekt. Wir nutzen für die Rechenleistung natürlich die Cloud, hier haben wir Zugriff auf die innovativste Technologie und können unseren Bedarf jederzeit weiter hochfahren. Die KI rechnet dann täglich alle Einzeltitel, prüft die Allokation in jedem Fonds und wirft uns dann täglich die neue Sollallokation für jedes Portfolio aus.

Das heißt, Sie greifen im Extremfall dann doch noch ein?

Hebestreit: Wir können natürlich eingreifen, die Möglichkeit besteht. Aber eigentlich ist meine Rolle als Portfoliomanager, diese Sollallokation mit den Anlagenrichtlinien abzugleichen, die wir zuvor definiert haben. Wir entscheiden weder darüber, welcher Einzeltitel gekauft wird, noch in welcher Gewichtung. Und wir prüfen natürlich, ob es irgendwelche Auffälligkeiten gibt. Wenn Sie eine Allokation im Aktienfonds haben, die um 11 Uhr morgens gerechnet wurde und wir wollen um 11:30 Uhr handeln, dann ist eine halbe Stunde vergangen. In dieser halben Stunde kann natürlich auch mal etwas Gravierendes passieren. Den Fall hatten wir einmal mit einer Aktie, deren Kurs um 30 Prozent einbrach, weil eine News kam. In dem Fall lehnen wir nicht den Einzeltitel ab, sondern die gesamte Sollallokation. Aber abgesehen davon beschränken wir uns auf das Training und die Kontrolle.

Wie lange wenden Sie die KI jetzt an?

Sievers: Unsere fünf KI-basierten Fonds haben wir 2020 aufgelegt, seit Mai 2020 haben wir auch unsere Bafin-Lizenz.

Wie sieht der Wettbewerb bei Ki-Fonds derzeit aus?

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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