Sie nutzen seit 2018 die KI. Hätten Sie erwartet, dass das Thema in so kurzer Zeit so dermaßen abhebt?
Sievers: Nein, ehrlich gesagt, als wir gestartet sind, haben wir das nicht kommen sehen. Wir waren mit unserem KI-Ansatz eher ein First Mover am Markt. ChatGPT hat natürlich die gesamte Wahrnehmung komplett verändert, weil plötzlich jeder auf eine sehr fortgeschrittene KI-Anwendung zugreifen konnte. Das macht es einerseits leichter für uns, andererseits aber auch anstrengend, weil sich jetzt auch viele KI auf die Fahne schreiben, die KI nur zur Unterstützung einzelner Prozesse einsetzen oder die eher noch klassische quantitative Modelle verwenden. Je mehr die Anleger davon verstehen und je mehr die KI-Produkte ihre Vorteile ausspielen können, desto mehr wird sich das ausdifferenzieren.
Wie wird die Welt mit KI zukünftig aussehen?
Sievers: Ich glaube, dass viele Menschen immer noch unterschätzen, wie sehr sie bereits seit Jahren KI-Anwendungen nutzen. Nehmen Sie die Sprachsteuerungssysteme Alexa oder Siri, die auch KI-Algorithmen sind. Gleiches gilt für viele Foto-Anwendungen auf dem Smartphone. Das heißt, eigentlich nutzen wir alle KI schon sehr lange. ChatGPT hat es noch mal auf eine neue Ebene gehoben. Aber im Grunde genommen sind viele Anwendungen schon seit Jahren am Markt. Dass jetzt gerade in den Sprachmodellen so viel Fortschritte erzielt wurden, ist natürlich schon beeindruckend.
Angesichts Ihres Beispiels, dass 97 Prozent der aktiven Fonds für US-amerikanische Large Caps den Markt momentan nicht outperformen, wird es zukünftig nur noch KI-Fonds geben?
Sievers: Nein, das denke ich nicht. Es kommt doch sehr auf das Tätigkeitsfeld an. Nehmen Sie als Beispiel einen Aktienfondsmanager für Schwellenländer, der vor Ort sitzt. Der hat mit Blick auf Datenmenge und Datenqualität einfach einen Vorsprung gegenüber einer KI-Anwendung. Das gleiche gilt aus unserer Sicht auch für regionale Small Cap Märkte und für Fixed Income Fonds. Das sind Felder, bei denen zu wenig relevante Daten vorliegen und die KI so ihre Stärken nicht ausspielen kann. Hier werden aktive Fondsmanager auch in Zukunft weiter eine große Rolle spielen.
Auch die ETFs haben ja die aktiven Manager nicht ersetzt, auch wenn passive Fonds aktuell stark wachsen. Das Einzige, was passiert: der aktive Manager kommt teilweise unter Margendruck. Dann setzen sich hoffentlich die durch, die auch gut sind. Wir glauben, dass sich KI-Fonds eher als drittes, stark wachsendes Segment im Markt etablieren werden.
Welche Partner haben Sie derzeit auf der Vertriebsebene?
Sievers: Wir sind Ende 2023 beispielsweise mit unserer Vermögensverwaltung „meine Bayerische Vermögen“ gestartet. Sie ist ein Joint Venture, das wir gemeinsam mit der Volksbank Raiffeisenbank eG in Rosenheim, der größten Volks- und Raiffeisenbank Bayerns aufgebaut haben. Hier stellen wir auch unsere KI-Anwendungen für die Vermögensverwaltung für gehobene Private-Banking-Kunden zur Verfügung.
Dazu muss man sagen, dass wir ja nicht nur KI und Asset Management beherrschen, sondern im ganzen Unternehmen stark auf digitale Prozesse und Datenbanken gesetzt haben. Wir können also nicht nur KI-Portfoliomanagement, sondern auch das ganze Drumherum: von der digitalen Onboarding-Strecke über das voll automatisierte Reporting bis hin zu den notwendigen Schnittstellen zur Anbindung an die Systeme unserer Partner. Damit sind wir derzeit tatsächlich allein am Markt. Das hat nicht nur Volks- und Raiffeisenbanken interessiert. Auch für die Union Investment entwickeln wir gerade eine KI-basierte individuelle Fonds-Vermögensverwaltung für gehobene Kunden der Genossenschaftlichen FinanzGruppe inklusive einer voll digitalen Kunden-Kommunikation. Gerade institutionelle Partner haben sehr viel Interesse an dem gesamten Paket, das wir als White-Label-Lösung heute zur Verfügung stellen können.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.