Nvidia ist der Star unter den Halbleitertiteln, seitdem das Thema KI boomt. Das Unternehmen hat vor einigen Wochen einmal mehr hervorragende Quartalszahlen vorgelegt, dennoch waren die Investoren zurückhaltend. Auch wenn die Kunden weiter investieren und die Wachstumstrends stabil sind, zeichnet sich eine Normalisierung beim einstigen Überflieger ab. Das zeigt sich beispielsweise am Umsatz. 2023 legte Nvidia beim Umsatz um 126 Prozent zu, für dieses Jahr erwartet der Markt eine Steigerung um 110 Prozent und für 2025 „nur“ noch ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dementsprechend nimmt das Überraschungspotenzial nach oben ab und das spiegelt sich in der Kursentwicklung der Aktie wider.
Vor allem zeigt diese Entwicklung, dass bei KI eine Verbreiterung stattfindet. Das Thema strahlt mittlerweile auf weitere Branchen ab. Im Jahr 2025 wird es also eher weniger um die „Schaufelhersteller“, die entlang der Wertschöpfungskette der KI die Werkzeuge wie etwa Hochleistungschips liefern, sondern mehr um die Entwickler von KI-basierten Anwendungen gehen. Außerdem rücken auch Bereiche rund um die Energiebereitstellung und deren Infrastruktur in den Fokus. Die Dominanz von einzelnen Technologieunternehmen sinkt, der Bereich wird breiter und fragmentierter. Deshalb müssen aktive Fondsmanager auch selektiver vorgehen.
Denn bislang haben die Unternehmen aus dem KI-Bereich vor allem viel Geld für Investitionen ausgegeben. Jetzt stellt sich aber die Frage nach der Rendite, also: Wie schaffen es Unternehmen, mit der KI auch Geld zu erwirtschaften? Diese Frage ist aktuell schwierig zu beantworten. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder können die Unternehmen keine höheren Erträge aus den Investitionen generieren, haben also nur höhere Kosten – oder sie können durch die KI-Investitionen wachsen und höhere Umsätze generieren.
Der Markt tritt nun in eine Phase, in der sich die Antwort auf die Frage mehr und mehr abzeichnet. Zentral für den Erfolg ist neben dem Geschäftsmodell und der Produktqualität auch die Marktposition eines Unternehmens. Schließlich macht es eine starke Position im Wettbewerb möglich, höhere Kosten an Kunden weiterzugeben oder Effizienzgewinne zu behalten und dadurch überdurchschnittlich zu profitieren.
Wenn man den Halbleitersektor als Ganzes betrachtet, lässt er sich grob in drei Bereiche unterteilen: analog, digital und Ausrüstung (Equipment). Equipment umfasst Anlagen für die Herstellung von Halbleitern. Diese produzieren beispielsweise ASML oder Applied Materials. Während dieses Segment stark von Investitionen in KI-Chips profitiert, leidet es auch unter dem zunehmenden Handelskrieg der USA mit China. Die meisten innovativen Halbleitermaschinen sind in China verboten und verkleinern die Wachstumsmöglichkeiten. Analoge Halbleiter funktionieren nach dem Prinzip An/Aus. Sie werden zum Beispiel häufig in der Automobilbranche eingesetzt. Hier herrscht aktuell ein Absatzproblem, zudem steigt der Wettbewerb, weil China im analogen Bereich erheblich investiert hat. Hersteller von analogen Halbleitern sind beispielsweise Infineon und Texas Instruments.
Digitale Halbleiter grenzen sich von analogen Halbleitern durch die Möglichkeit einer Mehrstufigkeit und Dynamik der Signale ab. Solche Halbleiter entwickelt etwa Nvidia. Sie sind insbesondere für den Einsatz bei KI geeignet. Dies ist aktuell das dominante Thema. Hier wird weiterhin investiert und die Konkurrenz aus China kann und darf diese komplexen Halbleiter noch nicht nachbilden. Wer als Investor also in den Halbleiterbereich investieren will, sollte sich zunächst darüber klar werden, welches Segment er bevorzugt und wo er die größten Wachstumschancen antizipiert.
Inhaltlich wird KI auch in der nächsten Dekade eines der dominantesten Themen für die Branche bleiben. Aktuell arbeiten textbasierte Modelle viel mit öffentlichen Daten. Bis Ende der Dekade wird es mehr um alternative Daten gehen – visuelle Daten, 3D-Daten, unternehmenseigene Datenpunkte. Entsprechend wird es neue Anwendungen geben, im Gesundheitssektor etwa neue Krebsmedikamente, das autonome Fahren im Automobilbereich oder humanoide Roboter. Diese Entwicklungen bieten neue Wachstumsmöglichkeiten und damit Investitionschancen. Gleichzeitig ist eine so starke Kursentwicklung, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahren gesehen haben, für das neue Jahr nicht zu erwarten. Neben der Frage der Monetarisierung dürfte auch der Zollkonflikt, den die USA unter dem designierten Präsidenten Trump anstreben, die Branche belasten. Umso wichtiger ist für den Anlageerfolg eine umsichtige Aktienselektion.
Autor Michael Schäfer ist Senior Portfoliomanager und Analyst für globale IT-Unternehmen, ist seit 2015 bei Union Investment. Er verantwortet u.a. den UniDynamicFonds Europa A.