Kundenrückgewinnung: Versicherer lassen viele Chancen ungenutzt

Terminkalender mit Haftnotiz - Kündigung
Bildagentur PantherMedia / Boris Zerwann
Wenn Kunden kündigen, lassen viele Versicherer die Chancen vergehen, sie zurückzugewinnen.

Kündigungen und Beschwerden wurden von Versicherungsunternehmen über viele Jahrzehnte äußerst stiefmütterlich behandelt. Auch wenn die Gesellschaften hier viel getan haben, lassen sie immer noch viele Chancen zur Rückgewinnung ungenutzt.

Kündigungen und Beschwerden wurden von Versicherungsunternehmen über viele Jahrzehnte äußerst stiefmütterlich behandelt: Eine Marktuntersuchung von Sirius Campus zum Umgang mit Kündigungen und Beschwerden aus dem Jahr 2018 zeigte seinerzeit, dass gerade einmal sieben Prozent der befragten Kündiger mit der Reaktion ihres Versicherer auf ihre Kündigung zufrieden gewesen sein. Minimal besser sah es mit der Reaktion auf eine Beschwerde aus. Hier meldeten neun Prozent eine zufriedenstellenden Reaktion ihrer Versicherung.

Mittlerweile wurde das Thema ernsthafter angegangen, wie die Neuauflage der Sirius Campus-Studie nun offenbart: 32 Prozent der Versicherungskunden die kündigen und 25 Prozent der unzufriedenen Kunden beurteilen die Reaktion der Versicherung mit „ausgezeichnet“ oder „sehr gut“, was nach Aussage des Instituts etwa eine Verdrei- bis -vierfachung der Zufriedenheit innerhalb von nur sechs Jahren bedeutet. Andererseits bleibt aber noch immer eine explizit unzufriedene Mehrheit: 41 Prozent der Vertragskündiger und sogar 47 Prozent der Reklamenten zeigen sich deutlich verstimmt und beurteilen die Versicherer-Reaktion mit „mittelmäßig“ oder sogar „schlecht“.

Hauptgründe für Unzufriedenheit und Kündigungsgedanken

Kündigungen und Beschwerden sind eher Männer- als Frauensache. Der Anteil der Männer, die
eine Kündigung erwogen oder durchgeführt haben, liegt um neun bis elf Prozentpunkte höher als bei
den Frauen. Insgesamt geht der Anteil der Kündigungen und Beschwerden laut Sirius Campus aber seit Jahren leicht zurück. Gründe hierfür sieht Sirius Campus zu einem in einer steigenden Gesamtzufriedenheit, hinzu komme aber, dass viele Kunden mit zunehmenden Alter eher nachsichtiger würden.


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Für die Kündigungsgedanken und die teilweise dahinter liegende Unzufriedenheit führt die Studie vor allem drei Gründe an: Die Höhe der Beiträge, der Umfang und die Qualität der Leistungen sowie fehlende oder schlechte Betreuung. Erst danach folgen weitere Probleme wie fehlerhafte Bearbeitungen, falsche Informationen und Unzufriedenheit mit einer Regulierung.

Erfolgsschlüssel: Digitale Kommunikation und Kundenempathie

Ein wichtiger Grund für die höhere Zufriedenheit ist in der zunehmenden Digitalisierung der
Kommunikation zu finden. Immer weniger Kunden kündigen oder beschweren sich persönlich,
telefonisch oder postalisch – dafür werden häufiger E-Mail oder Kundenportale genutzt. Dies
eröffnet den Versicherern die Möglichkeit, auf Kündigungen wie Beschwerden zeitnah und mit
System zu reagieren. Besonders positiv wirkt die Reaktion des Versicherers, wenn dem Kunden
Verständnis entgegengebracht wird – also Bedauern geäußert oder Entschuldigungen
ausgesprochen werden.

Überzeugungsversuche, die die Wichtigkeit, Qualität oder Notwendigkeit des Vertrags betonen. bringen Kündiger hingegen nicht von ihrem Vorhaben ab. „Wichtig ist es natürlich auch, sich vorab darüber im Klaren zu sein, welche Kunden gehalten werden sollen und welche nicht“, ergänzt Christoph Müller, Geschäftsführer und Gründer der Sirius Campus GmbH. „Darüber hinaus hilft eine Kundentypologie wie die Select Typen, die einzelnen Typen adäquat anzusprechen und dadurch die Rückgewinnungschancen noch einmal deutlich zu erhöhen“, so Müller.

Kündigungsrückgewinnung: 60 Prozent lassen Kunden ziehen

Grundsätzlich erfordern Kündigungen schnelle Reaktionen, betont Sirius Campus. Wenn der Kunde einen Wechsel plant, wird der neue Vertrag in rund der Hälfte der Fälle innerhalb einer Woche abgeschlossen. Nur in 40 Prozent der Fälle berichten Kündiger von einem Rückgewinnungsversuch ihrer
Versicherungsgesellschaft. Dabei stünde jeder zweite ehemalige Vertragsinhaber einer Rückgewinnung
grundsätzlich offen gegenüber.

In Summe führt dies dazu, dass bei 27 Prozent der Kündiger kein Rückgewinnungsversuch erfolgt, obwohl eine Rückgewinnung möglich gewesen wäre. Vor allem bei älteren Kunden ist eine Rückgewinnung häufig möglich, wird aber laut Sirium Campus erst gar nicht versucht. Schaut man auf die Sparten, zeigt sich, dass gerade in den Sachversicherungen die Gesellschaften hier wohl die Kunden wiederspruchloser ziehen lassen. Generell gebe es dort ein hohes ungenutztes Potenzial der Kündiger-Rückgewinnung, betonen die Studieautoren. Es etwas anders stellt sich die Situation in der Lebens- und der Krankenversicherung dar. Hier funktioniere die Rückgewinnung häufig besser, heißt es.

Die Sirius Campus Marktuntersuchung „Umgang mit Kündigungen und Beschwerden“ war Schwerpunktthema des Kundenmonitor Assekuranz. Hierfür führte das Institut im Zeitraum von April bis Mai 2024 2.000 repräsentative Online-Interviews unter 18- bis 69-Jährigen Versicherungsentscheidern durch.

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