China: Stabilität und Nachhaltigkeit
China hat die am stärksten wachsende Verschuldung, zu der vor allem der Privatsektor des Landes beiträgt (neben den Staatsbetrieben). Unsere Sorge besteht darin, dass mit einem Teil dieser Schulden unproduktive Vermögenswerte finanziert und diese letztendlich massive Zahlungsausfälle verursachen werden, da sie das für die Schuldenrefinanzierung benötigte Wachstum nicht liefern können. Irgendwann wird Chinas Privatsektor an den Punkt kommen, an dem an einem Abbau der Schulden kein Weg mehr vorbeiführt. Sollte diese Entschuldung wiederum durch Insolvenzen vollzogen werden, sehen wir die Notwendigkeit einer umfassenden Bankenrekapitalisierung. Kurzfristig fokussiert sich die Regierung jedoch eher auf Stabilität als auf Reformen (das Bruttoinlandsprodukt wuchs das dritte Quartal in Folge um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr) und daran dürfte sich bis zum nationalen Volkskongress Ende 2017 auch nichts ändern.
USA: Trump-Wahlsieg mindert Chancen einer baldigen Leitzinserhöhung
Am 9. November wurde Donald J. Trump zum designierten US-Präsidenten gewählt und die republikanische Partei konnte sich in beiden Kongresskammern die Mehrheit sichern. Viele Umfragen hatten bis zuletzt auf ein enges Rennen hingedeutet, das Ergebnis kam für die Märkte dann aber doch überraschend. Es ist gut möglich, dass die US-Notenbank Fed aufgrund des Wahlausgangs die Zinsen in naher Zukunft nicht erhöhen wird. Die Erwartungen dass sich die Fed im Dezember abermals in Zurückhaltung übt, dürften die US-Zinsen auf kurze Sicht sinken lassen. Der Markt muss das Wahlergebnis und dessen potenzielle politische Auswirkungen erst noch verdauen und in dieser Zeit werden die Spreads unter Druck bleiben. Sollten restriktivere finanzielle Bedingungen zu einer Abkühlung der US-Wirtschaft führen, könnten die Umsätze und Gewinne der Unternehmen unter Druck geraten werden.
Fazit: Ausloten der kurz- und langfristigen Szenarien
Im heutigen Umfeld sollten Anlagen in Zinspapieren unserer Ansicht nach dazu dienen, die Differenzen zwischen dem kurz- und dem langfristigen Ausblick abzuwägen. Wir sind der Auffassung, dass der relativ positive kurzfristige Ausblick dafür spricht, das Engagement in höher rentierlichen Sektoren des Rentenmarkts beizubehalten. Allerdings deuten die langfristigen Risiken letztendlich darauf hin, dass das Umfeld für Wirtschaftswachstum und Risikoanlagen schwieriger wird. Ein solches langfristiges Base-Case-Szenario dürfte sich schwer vermeiden lassen.
Es ist am wahrscheinlichsten, dass die Politik in den nächsten sechs bis zwölf Monaten akkommodierend bleibt und das Wirtschaftswachstum in den meisten großen Volkswirtschaften unweit bzw. leicht über der Trendrate verharren wird. Dieses Umfeld hat bisher sehr förderlich auf die Risikonachfrage am Rentenmarkt gewirkt. Wir sind uns jedoch auch der potenziellen Risiken für dieses Szenario sowie der Möglichkeit bewusst, dass regimeverändernde Katalysatoren ohne große Vorwarnung auftauchen könnten. Diese Herausforderung gehen wir vorzugsweise durch Strategien an, die Long- und Short-Positionen kombinieren, um das Rendite- und Kurspotenzial zu erhalten und gleichzeitig eine Absicherung gegen das Risiko systemischer Veränderungen der Spreads oder Zinssätze zu bieten.
Andrew Wilson ist CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income bei Goldman Sachs Asset Management
Foto: Goldman Sachs Asset Management