„Wir müssen da was im Internet machen“

Hörte man noch vor wenigen Jahren häufig, dass man Finanzdienstleistungen nicht über das Internet verkaufen könne, so hat sich mittlerweile auch beim letzten Finanz- und Versicherungsberater herumgesprochen, dass es ohne Onlinepräsenz nicht mehr geht.

Oliver Pradetto, blau direkt
Oliver Pradetto, blau direkt

Die Hoffnung einiger besonders konservativer Kollegen, es handele sich -wie bei so vielen Hypes vorher – lediglich um eine Art Mode, die wieder vorbei gehe, hat sich zerschlagen. Also reift die Erkenntnis, man müsse da jetzt wohl auch „etwas“ im Internet machen. Schon die Formulierung des Ansatzes verrät den inneren Widerwillen.

Im Vordergrund steht nicht der progressive Wille, einen neuen Vertriebskanal für sich zu erschließen und im Internet Leads zu generieren. Vielmehr fühlt sich der Vermittler getrieben, eine lästige Pflicht zu erfüllen.

Man kann den Kollegen wirklich nicht vorwerfen, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt hätten.

Ganz im Gegenteil: Gerade dass sie die Entwicklung so viele Jahre falsch eingeschätzt haben, nun aber handeln wollen, verrät den selbstkritischen Kaufmann.

Auch an der Konsequenz scheitert es nicht: Unter teils enormem finanziellen Einsatz wird eine Homepage gebaut und mit Vergleichsrechnern und anderen teuren Utensilien ausgestattet. Häufig wird auch ein Mitarbeiter auf das Thema Social Media angesetzt, um schnell auf die Höhe der Zeit zu gelangen. Das finanzielle und zeitliche Engagement ist teilweise bemerkenswert.

Richtige innere Einstellung fehlt

Ich nenne diesen Aktionismus „Ablasshandel“. Natürlich vermag ich nicht zu sagen, ob die Seele eines Sündigers im Mittelalter tatsächlich durch eine großzügige Spende an die Kirche geläutert werden konnte.

Hingegen bin ich ganz sicher, dass Aufträge an Programmierer, Webdesigner und Mitarbeiter nicht geeignet sein werden, den Segen des Internetkäufers zu erhalten. Der Finanzberater kann zwar operative Versäumnisse aufholen, doch ohne die richtige innere Einstellung bleiben die Maßnahmen wirkungslos.

Bei aller Konsequenz hat unser umtriebiger Finanzdienstleister eines übersehen: Insgeheim hält er die Entwicklung für falsch. Er kann zwar die Augen vor den Verkaufserfolgen im Netz nicht mehr verschließen, doch glaubt er nicht daran, dass dieser Weg für seine Kunden – oder die Gesellschaft – richtig ist.

Berufsunfähigkeitsversicherung online verkaufen?

Kann es denn richtig sein, dass ein Kunde im Internet beispielsweise eine Berufsunfähigkeitsversicherung kauft? Birgt dieser leichtfertige Umgang mit so komplexen Produkten nicht enorme Gefahren für den Kunden? Ist es am Ende nicht besser, eine persönliche Beratung durch einen engagierten Profi zu erhalten?

Ich kann diese Gedanken durchaus nachvollziehen, doch so lange Sie so denken, werden Sie sich unbewusst immer von Ihren eigenen Internetmaßnahmen distanzieren.

Bemerkungen wie „Wir machen da jetzt was im Internet“ verraten dies. Hier fehlt das „Ich“ , hier fehlt das „wollen“. Hier zeugt das „was“ von innerem Widerwillen. Nichts ist schädlicher für den Verkauf als Zweifel, Widerwillen und innere Distanz.

Wenn Sie Erfolg im Internet wollen, räumen Sie Ihre eigenen Gedanken auf. Machen Sie sich klar, dass Sie Ihre Internetaktivitäten von Ihrem Selbstverständnis als Unternehmer getrennt sehen.

Ihr Internetengagement ist nichts Eigenständiges. Es handelt sich nicht um eine lästige Nebenpflicht – wie das jährliche Ausfüllen der Steuererklärung.

Das Internet ist Ihr bestmögliches Kommunikationsmedium. Es multipliziert Sie. Deswegen machen Sie nicht „was im Internet“, sondern nutzen Sie das „Internet um ganz persönlich für Ihre Kunden da zu sein“.

Oliver Pradetto ist Kommanditist und Mitbegründer des Maklerpools blau direkt.
Foto: blau direkt

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