Es ist eine Entwicklung, die Michael Ruprecht so nicht erwartet hätte. „Die Anfragen von Finanzberatern waren bei uns schon immer stark ausgeprägt“, sagt der Geschäftsführer der IVB Neue Medien GmbH und Gründer der Leadplattform finanzleads.com. „Unsere tägliche Herausforderung war es, die Nachfragen schnellstmöglich mit qualitativ hochwertigen Kontakten zu decken. Plötzlich steckten wir mitten in einer Pandemie und waren verunsichert, ob wir dieser Aufgabe standhalten können. Wer möchte schon in so unsicheren Zeiten in Finanzprodukte investieren, wenn keiner weiß, was die Zukunft bringt?“ Doch dann wurden sein Team und er vom Gegenteil überrascht: „Im Laufe des Jahres erlebten wir eine Kehrtwende und hatten zum ersten Mal deutlich mehr Leadkontakte als Leadanfragen, obwohl diese stets auf einem sehr hohen Niveau blieben. Unsere Finanzberater hatten Schwierigkeiten, alle Anfragen zeitnah zu bearbeiten.“ Ein Richtungswechsel, der für ihn rückblickend durchaus Sinn ergibt: „Zum einen hatten Kunden deutlich mehr Zeit, sich mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen. Zum anderen weckte die Krise ein großes Bedürfnis nach Aufklärung und kompetenter Beratung.“
So scheint die Pandemie das Geschäft mit Online-Leads wie nahezu alle digitalisierten Bereiche in Handel und Dienstleistung deutlich zu beflügeln. Ein Geschäft, das grob skizziert so funktioniert: Verschiedene Leadanbieter betreiben im Internet Informations- und Vergleichsportale zu den jeweiligen Vorsorge- und Anlagethemen. Diese werden mithilfe von Suchmaschinen-Optimierung möglichst weit oben in Suchmaschinen wie Google platziert. Interessieren sich die Besucher für eine persönliche Beratung, können sie diese per Formular über das Portal anfordern. Die Eingabe der Daten generiert Leads, die von den Anbietern zunächst auf Validität geprüft und nach Sparte und Region sortiert werden, bevor sie sie an die Berater weitergeben.
„Fast revolutionierte Rahmenbedingungen“
„Die Coronakrise beschleunigt die Digitalisierung der Branche, das gilt auch für den Bereich der Neukundengewinnung und Kundenbetreuung“, stellt Sabine Koch fest, die als „Director Sales & Customer Success“ bei finanzen.de den Leadverkauf an über 18.000 Berater verantwortet. „Nach dem ersten Schock im letzten Frühjahr, den auch wir durch eine abnehmende Nachfrage nach Versicherungen durch die Interessenten gemerkt haben, hat sich das Geschäft auf beiden Seiten unseres Marktplatzes nicht nur stabilisiert, sondern wir nehmen vor allem auf Beraterseite stark gestiegene Nachfrage wahr. Mehr und mehr Berater öffnen sich neuen Wegen, zu denen Online-Leads noch immer zählen“, so Koch. Hinzu komme, dass die Akzeptanz und das Verlangen der Interessenten nach einer digitalen Beratung extrem gestiegen sei. „Wir sehen somit, dass alle Teilnehmer auf unserem Marktplatz das Beste aus der Situation und den stark veränderten, fast revolutionierten Rahmenbedingungen machen, wodurch die Bedeutung von Leads weiter für alle steigt.“
Dass der Ausbau des Kundenstamms mittels Online-Leads in der aktuellen Krise an Bedeutung gewinnt, beobachtet auch Christopher Esche, Geschäftsführer von Investment & More, Experte für Onlinemarketing und seit vielen Jahren „Einlieferer“ in Leadbörsen. „Die Neukundengewinnung sollte in jedem Unternehmen eine zentrale Rolle spielen – unabhängig von der Krise. Sie ist der Wachstumstreiber für jedes Geschäft“, betont er. Ein Verständnis dafür, wie man eine skalierbare und stetige Quelle für Neukunden erschließt, zähle zu zentralen Fragen eines jeden Unternehmers. „Die Pandemie hat jedoch viele Makler gezwungen, sich über Online-Leads Gedanken zu machen, da die traditionellen Wege, die physischen Kontakt erforderten, nicht möglich waren“, so Esche.
„Kein Freibrief für den Finanzberater“
Beim Übergang von analogen zu digitalen Leads sind aber einige Fallstricke zu beachten, insbesondere mit Blick auf datenschutzrechtliche Belange. Selbstredend müssen die Vertriebe bei der Generierung von Kundendaten via Online-Leads sämtliche datenschutzrechtliche Anforderungen erfüllen, die in Deutschland gültig sind. Entscheidend ist dabei die ausdrückliche Einverständniserklärung der Verbraucher, bevor sie kontaktiert werden. Das bedeutet beispielsweise, dass seit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 Daten aus Leadformularen von Online-Portalen nur noch genutzt werden dürfen, wenn die erforderliche Einwilligungserklärung des Interessenten vorliegt. Hier gilt es also, besonders wachsam zu sein. „Es vergeht keine Woche ohne Schlagzeilen zum Datenschutz oder Kritikermeinungen über den Umgang mit unseren persönlichen Daten“, sagt Ruprecht. Er empfiehlt deshalb, sich einen starken Partner zu suchen, der dem Berater diese Last nimmt und datenschutzkonforme Kundenanfragen liefert. „Aber auch das stellt keinen Freibrief für den Finanzberater dar, er muss sich an die geltenden Gesetze der Anlageberatung und die Regeln seines Lead-Dienstleisters halten.“
Doch es lauern noch weitere Fallen im Netz. Dabei gehe es nicht nur um die rechtlichen Grundlagen, sondern um den Prozess der Leadbearbeitung, betont Koch. „Jedem Berater, der sich mit dem Thema Online-Leads auseinandersetzt, ist anzuraten, sich tiefgehend damit zu beschäftigen und nicht einfach naiv mit dem Generieren oder Einkauf zu starten. Er sollte bestmöglich wissen, was ihn in dieser neuen Disziplin der Neukundengewinnung erwartet, um das Risiko einer Fehlinvestition zu reduzieren“, sagt sie. Das größte Risiko sei die Unwissenheit und Naivität vieler Berater bezüglich der neuen Form der Akquise. „Obwohl ein Berater seit 20 Jahren erfolgreicher Versicherungsberater ist, bedeutet das nicht, dass er automatisch erfolgreich mit Online-Leads neue Kunden akquiriert. Das Arbeiten mit Leads ist herausfordernd und erfordert eine andere Agilität, Hartnäckigkeit und Geschwindigkeit als die bis dahin etablierte Akquise.“ Wer sich darauf einlasse, die neue Art zu lernen und seine Prozesse zu hinterfragen und zu adaptieren, für den seien Online-Leads eine hervorragende Chance, plan- und skalierbar zu wachsen.
Den vollständigen Artikel lesen Sie in der aktuellen Cash. Ausgabe 3/2021.