Jenseits dieser unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten wird ein Vergleich der Solvenzquoten dadurch erschwert, dass die Unternehmen zur Ermittlung ihrer Kapitalanforderungen neben der Standardformel auch ein (partiell) internes Modell anwenden können, sofern dieses von der BaFin zertifiziert wurde.
Aufgrund des dafür hohen Aufwands haben nur wenige große Unternehmen diesen Weg beschritten. So haben per Ende 2017 elf Unternehmen ein internes Modell verwendet, entweder partiell intern (8) oder vollständig intern (3). Demgegenüber hat mit 73 Lebensversicherern die überwiegende Mehrheit die Standardformel benutzt.
Selbst innerhalb der Standardformel fällt die Parametrisierung des Modells anhand von Annahmen und Managementregeln – beispielsweise zur zukünftigen Überschussbeteiligung, zur risikomindernden Wirkung latenter Steuern, zur Gestaltung der Kapitalanlagen und zur Stornosituation – mitunter sehr unterschiedlich aus.
Schlechte Vergleichbarkeit für Außenstehende
Demgegenüber nehmen Unternehmen mit einem internen Modell für sich in Anspruch, ihre Risikolage individueller und treffsicherer quantifizieren zu können.
Kehrseite ist eine (noch) schlechtere Vergleichbarkeit für Außenstehende. Der größengewichtete Branchendurchschnitt der aufsichtlichen Solvenzquote weicht indes mit 449 % kaum vom arithmetischen (451 %) ab.
„Bei aller Diskussion über den Aussagegehalt der Solvenzquoten sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Risikomessung unter Solvency II derjenigen unter Solvency I methodisch überlegen ist“, stellt Lars Heermann heraus.
Große Herausforderungen für klassische Lebensversicherung
Dieser Effekt lässt sich beispielsweise an typischen Risikolebensversicherern festmachen, die früher unter Solvency I vielfach recht geringe Solvenzdeckungsgrade aufwiesen, nun jedoch in der risikoorientierteren Berechnung unter Solvency II zu den Profiteuren gehörten.
Größere Herausforderungen haben demgegenüber einige klassische Lebensversicherer zu stemmen, die mit einer vergleichsweise dünnen Kapitaldecke ausgestattet sind und darüber hinaus von hohen Kapitalanforderungen aufgrund ihrer Leistungsverpflichtungen aus dem Bestand betroffen sind.
Letzteres zeigt sich beispielsweise bei einigen Run-off-Gesellschaften, die aufgrund des geschlossenen Neugeschäfts und der hohen Zinsanforderungen ohne Übergangsmaßnahmen auf relativ niedrige Solvenzbedeckungen kommen.
Solvenzquote ist ein Merkmal von vielen
„Mit Blick auf die Zukunft setzt bei Versicherern im Run-off-Stadium über die Zeit typischerweise eine bestandsbedingte Verbesserung ein, da die hohen zinsfordernden Altbestände allmählich ablaufen“, relativiert Heermann. „Jedoch hängt dies individuell stark von der jeweiligen Bestandsstruktur und den Restlaufzeiten der Verträge ab.“
„Als unmittelbarer Vergleichsmaßstab eignen sich die Solvenzquoten zwar nicht“, schlussfolgert Lars Heermann, „allerdings haben sie eine hohe aufsichtsrechtliche Relevanz.“
Vergleichbar mit Fiebermessen seien sie ein Indikator für den aktuellen Gesundheitszustand der Unternehmen, indem sie die Höhe der Kapitalausstattung im Solvency-II-Modell komprimiert widerspiegelten.
„Letztlich kann die Solvenzquote für die Gesamteinschätzung eines Versicherers aber nur ein Merkmal von vielen sein. Einen umfassenden finanziellen Check-up über ein breit angelegtes und zukunftsgerichtetes Rating ersetzen die Solvenzquoten nicht.“
Der Versicherungsmakler Policen-Direkt führt auf seinem Versicherungsblog eine Liste der aktuellen Solvenzquoten deutscher Lebensversicherer. Diese finden sie hier. (bm)
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