Cash. befragte Dr. Carsten Zielke, Versicherungsanalyst beim französischen Kreditinstitut Société Générale, zur aktuellen Situation der Lebensversicherer. Er rät der Branche, mutiger in der Kapitalanlagepolitik zu sein, ist aber skeptisch hinsichtlich zeitlich befristeter Garantien.
Cash.: Für die Lebensversicherer in Deutschland wird es immer schwieriger, die Leistungsversprechen gegenüber ihren Kunden einzuhalten. Welche Instrumente haben die Unternehmen sowie die Finanzaufsichtsbehörde BaFin, um die Situation zu verbessern und welche Reaktionen sind aus Ihrer Sicht am wahrscheinlichsten?
Zielke: Wenn die Lebensversicherer langfristig ihre Leistungsversprechen einhalten wollen, müssen sie ihr Anlageportefeuille verändern. Sie müssen mehr in Sachwerte und damit mehr ins Risiko gehen. Eine ergänzende Möglichkeit besteht darin, Kunden zu überzeugen, ihre Garantieverträge in flexiblere Produkte umzuwandeln und das Neugeschäft in diesem Bereich zu fördern. Die BaFin kann einen Aufschub der Zuweisung der Garantieverpflichtungen gewähren oder im schlimmsten Fall sogar eine Leistungsabsenkung anordnen.
Cash.: Besteht nicht die Gefahr, dass die Branche, beispielsweise durch die vor einiger Zeit im Markt diskutierte Aussetzung der Mindestüberschussbeteiligung, das Vertrauen ihrer Kunden verspielt?
Zielke: Ja, das sehe ich mit Sorge. Gedankenspiele, sogar durch neue Gesetzesinterpretationen den Gesellschaften selbst die Möglichkeit zu geben, ohne Abstimmung mit der BaFin das Leistungsniveau senken zu dürfen, können nur zum Vertrauensverlust führen.
Cash.: Wie wird sich das Niedrigzinsniveau auf die künftige Produktlandschaft der Lebensversicherer auswirken?
Zielke: Wir werden wohl künftig nur noch Null-Prozent-Produkte, das heißt mit einer reinen Beitragsrückgewähr, sehen oder Produkte, die gar keine Garantien mehr bieten. Überlegungen, zeitlich befristete Garantien zu erteilen sind mit den derzeitigen Rechnungsregeln schwer abzubilden und dürften auch von der IT kaum umzusetzen sein.
Cash.: Welche Spielräume haben die Anbieter noch in der Kapitalanlagepolitik? Was empfehlen Sie den Unternehmen und was müsste sich gegebenenfalls an den politischen Rahmenbedingungen ändern?
Zielke: Die Spielräume sind nicht groß, aber groß genug dank der stillen Reserve auf der Aktivseite, um stärker ins Risiko zu gehen. Strukturen, die das Verlustpotenzial begrenzen, stellen eine Alternative dar. Was die Solvenzregeln betrifft, kann ich nur eine Anlehnung an die internationale Rechnungslegung anregen, die jetzt stärker in eine Buchwertbetrachtung deuten. Damit ließe sich die Volatilität der Solvenzkennzahl reduzieren.
Interview: Lorenz Klein
Foto: Société Générale