Legacy-Bestände: Versteckte Schätze heben

Auf der Suche nach Optimierungspotenzial entdecken Versicherer vermehrt die Passivseite ihrer Bilanzen. Allein im deutschsprachigen Raum schlummern hier über 103,5 Milliarden Euro, die als Risikorückstellung für Altgeschäft gebunden sind.

Gastbeitrag von Arndt Gossmann, Darag

Legacy: Gossmann
„Sowohl in England als auch in der Schweiz hat sich der aktive Abbau von Legacy-Geschäft bereits als wertvolles Management-Tool etabliert.“

Die Abgabe von inaktivem Geschäft, sogenanntem Run-off, setzt Eigenkapital frei und schafft Freiraum für Innovationen in der Produktentwicklung und im Vertrieb.

Kaum ein Segment befindet sich derzeit so im Umbruch wie die Versicherungsbranche in Deutschland. Galt der zweitgrößte Versicherungsmarkt in Europa in den 90er- bis 2000-er Jahren im europäischen Vergleich noch als wenig saturiert und aussichtsreich, hat sich das Bild in den letzten Jahren erheblich gewandelt.

Aus dem Wachstum der Versicherungsbranche als Ganzes ist ein verschärfter Wettbewerb der Unternehmen untereinander um Marktanteile und Kunden geworden. Zusätzlich belastet werden Versicherungsgesellschaften durch die stark zunehmende Regulierung der Branche auf europäischer und internationaler Ebene.

Solvency II belastet Branche

Insbesondere das europäische Regulierungsvorhaben Solvency II mit seinen Vorschriften zum Risikomanagement, zur Berichtspflicht und zukünftig auch zur zusätzlichen Eigenkapitalunterlegung von Risiken hat den Aufwand und die damit verbundenen Administrationskosten für die deutschen und europäischen Versicherer und Rückversicherer noch einmal deutlich erhöht.

Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Deloitte, vorgestellt auf einem internationalen Branchentreffen Mitte September in Monte Carlo, beziffert den Mehraufwand, der durch die Vorbereitung und Umsetzung von Solvency II entstanden ist, auf 4,2 bis 4,9 Milliarden Euro allein im Jahr 2012. Schätzungen der Darag zufolge wird Solvency II die Kosten der Branche mittelfristig um bis zu 25 Prozent erhöhen.

Größe oder Spezialisierung?

Beide Entwicklungen haben erhebliche Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung der Versicherungsunternehmen. Konnten sich in der Vergangenheit gerade in Deutschland viele Gesellschaften noch ein breites Angebotsspektrum und eine Vielzahl unterschiedlicher Spezialisten leisten, stehen heute die Themen Effizienz und Kosten sehr viel stärker im Fokus der geschäftlichen Ausrichtung.

Legacy-Portfolios
Quelle: PwC

Versicherungen setzen daher zunehmend auf Größe, Effizienz und Skaleneffekte sowie auf günstige Preise. Oder sie suchen sich eine regionale oder inhaltliche Nische, die sie erfolgreich besetzen und als Spezialist verteidigen können.

Wer das eigene Angebot nicht optimieren und die Kosten nicht senken kann, droht mittelfristig im Konsolidierungsprozess der deutschen Versicherungswirtschaft unterzugehen. Neben den klassischen Einsparmöglichkeiten im aktiven Geschäft, wo Effizienzgewinne durch Investitionen in technische Infrastruktur und der Verschlankung der Verwaltung erreicht werden konnten, steht auch die Straffung der Produktpalette bei vielen Gesellschaften im Fokus.

Seite zwei: Wert der Legacy-Bestände stark gewachsen

1 2 3Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments