Der Sachverhalt vor dem OLG Celle
Es klagte vorliegend ein Inhalts- und Betriebsschließungsversicherer. Der Versicherungsnehmer der Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Installation einer Desinfektionsanlage in einer Zahnarztpraxis. Die Anlage wurde auch installiert. Der Versicherungsnehmer schloss so dann seine Praxis für drei Wochen zu, und zwar aus Urlaubsgründen. Das Hauptwasserventil der Praxis wurde jedoch nicht abgesperrt. Eine Rohrleitung der Praxis wurde undicht, da sich ein Verbindungsstück löste. Es kam zu einer Überflutung des Treppenhauses. Der mit der Installation beauftrage Beklagte machte so dann ein Mitverschulden des Versicherungsnehmers geltend.
Gibt es Leistungen aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag?
Die Versicherung erhält mit Erfüllung der Versicherungsleistung alle Schadensersatzansprüche, die dem Versicherungsnehmer gegenüber dem Schädiger zustehen, und zwar gemäß Paragraf 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Es gehen gemäß Paragraf 404 BGB allerdings auch entsprechende Einwendungen mit über. Dazu gehört als solche auch die Einwendung eines etwaigen Mitverschuldens.
Somit galt es für das OLG Celle zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer ein Mitverschulden zu Lasten gelegt werden kann. Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn diejenigen zumutbaren Maßnahmen unterlassen werden, die ein vernünftiger Mensch nach Lage der Dinge ergreifen würde, um einen etwaigen Schaden von sich abzuwenden.
Verstoß gegen Pflichten zur Gefahrenabwehr?
Es wurde untersucht, welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasserschadens zu treffen sind. Welche Maßnahmen zu treffen sind, richtet sich einzelfallabhängig nach Alter des Gebäudes und der Versorgungsleitungen sowie den jahreszeitlichen Witterungen. Nicht jede denkbare Gefahrenlage muss durch Vorsichtsmaßnahmen gesteuert werden, es müssen konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Schaden vorliegen. Nur aufgrund des Umstands, dass ein Wasserschaden jederzeit – wenn auch unwahrscheinlich – eintreten könnte, lässt sich keine hinreichende Pflicht zur Gefahrenabwehr herleiten. Die Verpflichtung bei jedem Verlassen einer Praxis, die Wasserzuleitung zu sperren, lässt sich vorliegend nicht herleiten. Ein solches allzeitliches Vorsorgeverhalten wäre schlichtweg unüblich und deshalb auch im Ergebnis nicht zuzumuten.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Celle überzeugt in Gänze. Zwar kann im Versicherungsfall dem Versicherungsnehmer unter Umständen eine Minderung der Versicherungsleistung drohen, und zwar dann, wenn dieser Obliegenheiten vernachlässigt. Diese müssen jedoch im Einzelfall überhaupt erst bestehen und so dann der genaue Inhalt festgelegt werden. Jeder Einzelfall könnte damit natürlich auch anders bewertet werden. Vorliegend geht das OLG Celle jedoch nachvollziehbar von keiner Obliegenheitsverletzung aus, weswegen ein Verschulden des Versicherungsnehmers gerade nicht angenommen werden kann.
Zur Kontrollobliegenheit des Versicherungsnehmers bei – beispielsweise – einem Leerstand des Wohngebäudes hatte das OLG Koblenz geurteilt, dass sehr wohl vertraglich bestimmte Kontrollpflichten für Versicherungsnehmer bestehen (siehe OLG Koblenz vom 29. April 2020, Az. 10 U 2170/19). Von daher sollte jede Regulierungsablehnung einer Versicherung von einem Fachanwalt für Versicherungsrecht überprüft werden, damit keine Leistungsansprüche der Versicherten vereitelt werden.
Nachstehend können weitere gerichtliche Entscheidungen nachgelesen werden: Gebäudeversicherungen
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Autor Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, ist Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow.