Leitzinssinkung: Deutsche Haushalte profitieren indirekt beim Immobilienerwerb

Deutsche Haushalte profitieren beim Immobilienkauf davon, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins von 0,75 Prozent auf 0,5 Prozent gesenkt hat. Gastbeitrag von Robert Haselsteiner, Interhyp. 

Robert Haselsteiner

Die Leitzinssenkung war, wie von vielen Auguren am vergangenen Donnerstag von der EZB beschlossen worden. Für Deutschland hat diese Nullzinspolitik, die ja aufgrund der soliden konjunkturellen Situation in Deutschland überhaupt nicht passend ist, zwei massive Folgen:

Erstens werden die Sparer und langfristigen Anleger hier um ihre Zinserträge gebracht, da ja selbst zehnjährige Bundesanleihen mit 1,17 Prozent Verzinsung weit unter der Inflationsrate liegen. Es findet im Kern ein Vermögenstransfer vom deutschen Sparer in die Südländer statt. Durch die Politik von EZB-Präsident Mario Draghi finanziert sich inzwischen Italien und Spanien wieder zu den niedrigsten Zinssätzen, die sie jemals seit Euro-Mitgliedschaft zu zahlen hatten. Diese Zinsersparnis ist nur möglich, weil Deutschland und die anderen Nordländer mit Nullzinsen leben müssen, was auch zum Vorteil derer Staatshaushalte geht, aber eben auf Kosten der Zinserträge der privaten Sparer. Die Umlagefinanzierung für den Süden ist also bereits voll im Laufen.

Deutsche Privathaushalte sind aber auch Nutznießer, wenn sie zum Beispiel Immobilien kaufen und diese langfristig finanzieren. Bei zehnjährigen Pfandbriefsätzen von 1,60 Prozent sind die Hypothekenkredite in Deutschland auf historisch tiefem Niveau angelangt und ermöglichen enorme Finanzierungsvorteile. Die Gefahr, dass damit in den Kernländern die nächste Immobilienblase entstehen werden, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Ein künstlich tiefes Zinsniveau verleitet zu spekulativen Käufen und falschen Investitionen.

Gefahren eines künstlich niedrigen Zinsniveaus

Wenn daher in München oder Frankfurt inzwischen für Mehrfamilienhäuser oder Kapitalanlagewohnungen die 40-fache Jahresmiete bezahlt wird, so ist das nur rechtfertigbar, solange die Zinsen nahe Null bleiben. Bei jeder Normalisierung des Zinsniveaus würde dieser Multiplikator wieder Richtung der langfristigen Durchschnitte des 15-fachen gehen. Signifikante Preisrückgänge wären die Folge.

Lange Laufzeit und hohe Tilgung für die Baufinanzierung

Für die nächsten Monate erwarten wir weiterhin stabil tiefe Zinsen für Baugeld. Die EZB könnte sogar Richtung Herbst die Leitzinsen noch weiter senken. Internationales Geld wird weiterhin deutsche Bundesanleihen kaufen und damit auch das Zinsniveau bei den langfristigen Zinsen tief halten. Ein perfektes Umfeld also für Immobilienkäufer und Anschlussfinanzierer. Dass es mittelfristig jedoch zu deutlichen Zinsanstiegen kommen kann, sollten Baufinanzierungskunden bei der Wahl ihrer Laufzeiten nicht außer Acht lassen.

Auf Sicht von fünf bis zehn Jahren ist die Wahrscheinlichkeit von kräftigen Zinsbewegungen groß, stehen wir doch heute nahe Null und auf den tiefsten Ständen seit 1950. Die aktuellen Zinsen sind im langfristigen Bild die Ausnahme. Auch wenn man nach mehreren Jahren das Gefühl bekommen könnte sie werden zur neuen Regel. Lange Laufzeiten sind daher jedenfalls zu empfehlen und auch die Tilgung sollte höher gewählt werden, damit nicht in zehn Jahren immer noch ein Großteil des Darlehens aussteht.

Autor Robert Haselsteiner ist Gründer und Zinsexperte des Finanzierungsbroker Interhyp. 

Foto: Interhyp

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