Lemonade und die Frauen: Womit Insurtechs punkten können

 

Diese Argument hält Lemonade jedoch nicht exklusiv. Auf Anfrage von Cash. haben auch einige deutsche Insurtechs Einblick in ihre Zahlen gegeben. Die überraschendste Antwort kommt aus Berlin. Friendsurance antwortet befragt dazu, wie sich das Geschlechterverhältnis zwischen Männern und Frauen zusammensetze, dass 60 Prozent der Kunden männlich und 40 Prozent weiblich seien. Ähnlich sieht es auch bei Getsafe aus. Dort ist nach Aussage der Pressesprecherin etwa jeder zweite Versicherungsnehmer weiblich. Bei Knip sind es nur 15 Prozent. 

Unabhängig in jeder Hinsicht

Ein Grund für diese Verteilung könnte im Produktangebot liegen. Knip tritt als Versicherungsmakler auf. Die beiden anderen Insurtechs sind eigenständige Unternehmen, die Versicherungen vertreiben. Genau hier könnte ein Antrieb für Frauen liegen, sich mit Produktgeber zu befassen. Folgt man den Ausführungen von Helma Sick, Natascha Wegelin und anderen, dann ist ein zentraler Ratschlag an die Frauen sinngemäß die Aufforderung, sich neutrale und unabhängige Beratung zu suchen.

Dementsprechend sind Versicherungsmakler das Höchste der Gefühle. Abschluss- und Vertriebskosten schrecken einige Frauen beim Abschluss eines Versicherungsvertrags ebenso wie das schlechte Image der Branche. Die Hab-Acht-Stellung ist nicht selten bei Beratungsgesprächen geweckt.

Genau in diese Lücke stoßen nun Insurtechs vor. Sie bieten leicht zu verstehende Produkte, die ohne großen Aufwand abgeschlossen werden können und Sicherheit bieten. Dieses selbstbestimmte Handeln ohne die Notwendigkeit, sich mit einem Vermittler auseinander zu setzen, besitzt Vor- wie auch Nachteile:

Der kritische Punkt bei diesem Handeln besteht darin, dass ein hohes Wissen über die Funktionsweise von Versicherungen und mögliche Fallstricke nötig sind, um mögliche Risiken zu erkennen und gegebenenfalls ausschließen zu können. Den Aufwand, sich dieses Wissen proaktiv anzueignen, betreiben jedoch viele Frauen gerne, weil sie es bedingt durch ihre berufliche Entwicklung bereits gewöhnt sind. 

Was Insurtechs nun wirklich als klassische Versicherer besser schaffen

Diese Ausführungen sind jedoch lediglich ein weiteres Beispiel zur Frage, was Versicherer von den jungen Unternehmen lernen können. Allem voran geht es um mehr als das Bemühen näher am Kunden zu sein. Klassische Versicherer besitzen nicht selten bedingt durch ihre Strukturen und ihre Präsenz am Markt nicht die Möglichkeit mithilfe von einem Tarif alle Kunden versichern zu können. Grund dafür ist auch der Anspruch, den Kunden an diese Unternehmen stellen:

Wer bei einem klassischen Versicherungsunternehmen kauft, der ist auf Sicherheit bedacht. Kunden sind dann nur bedingt dazu bereit, Experimente oder Risiken einzugehen. Im Gegenzug dafür geben sie bereitwillig Gelder für Beratung und Vermittlung des Vertrags an ihren persönlichen Ansprechpartner und verbinden damit eine gewisse Anspruchshaltung wie beispielsweise Hilfe im Schadensfall zu erhalten. 

Auch für diese Form der Nähe zum Kunden gibt es einen Markt, den Insurtechs nicht bedienen können und wollen. Direktversicherer schließen diese Lücken für klassische Versicherer nur bedingt, da sie oft nicht an der Lebenswelt junger Kunden ausgerichtet sind und sich an deren Werten orientieren. Insurtechs machen dies deutlich besser, indem sie in der Regel kundenzentriert arbeiten. Dies bedeutet, dass sie den Kunden in den Mittelpunkt des Geschäftsmodells stellen und anhand dessen Lebenssituation und Einstellungen versuchen, ihr Produkt als Lösung zu kommunizieren. 

Was der Vertrieb daraus lernen kann

Diese Lücke können nun freie Makler ihrerseits nutzen, um die Kommunikation anzupassen. Neben den technologischen Hürden, die beispielsweise bei Sprachsteuerung und Bots entstehen, bedeutet dies jedoch auch, sich nicht länger als Dienstleister zu verstehen, sondern als handelnder Lösungsanbieter aufzutreten. Teil dessen ist es, die Sprache zu verändern.

Erste Initiativen dazu finden sich bei Versicherern, die ihre Versicherungsbedingungen reduzieren und den Abschluss beispielsweise per Sprachsteuerung anbieten. Die Deutsche Familienversicherung orientiert sich hier ebenso wie auch die ERGO in eine neue Richtung. Ob dies ausreicht, um Insurtechs im Kampf um junge Kunden das Wasser zu reichen, wird abzuwarten sein. Bislang wähnen die meisten jungen Versicherer in ihrem Selbstverständnis als Technologieunternehmen mit der Lizenz zur Vermittlung von Finanzdienstleistungen das Pfund in ihrer Hand. 

Wissenschaftliche Modelle zur Entwicklung von Innovationen widersprechen diesen jedoch, wenn sie davon ausgehen, dass das lineare Wachstum an einem bestimmten Punkt durch Exponentielles abgelöst werden. Somit liegt das Momentum bei den großen Unternehmen und ihren Vermittlern, die entstandene Lücke durch Aktivitäten zu schließen und so ihren Stammmarkt zu verteidigen. 

 

Foto: Lemonade

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