Lesen ist Anlegerpflicht

Das Brandenburgische Oberlandesgericht äußert sich plastisch: „Der Zeichner kann sich nicht darauf berufen, die Rechenschaftsberichte nicht gelesen zu haben, denn es liegt im besonderen Interesse eines jeden Anlegers, die jährlichen Rechenschaftsberichte der Fondsgesellschaft eingehend durchzulesen.

Tut er dies nicht, handelt er grobfahrlässig.“ Damit relativiert das Gericht die frühere Tendenz vieler Gerichte deutlich, die fast nie den Beginn der kenntnisabhängigen Verjährung aufgrund später übersandter Unterlagen bejaht hatten.

Dies mit dem Hinweis darauf, dass der Anleger nach seiner Entscheidung nicht mehr verpflichtet sei, diese anhand oft nicht einfach zu lesender fachspezifischer Unterlagen zu überprüfen. Das Brandenburgische Oberlandesgericht führt dem entgegen auch insoweit eine nachträgliche Pflicht zur Beobachtung „seiner“ Kapitalanlage, zumindest anhand übersandter Unterlagen, ein. Dieser Trend in der Rechtsprechung könnte dazu beitragen, die Symmetrie zwischen Unterrichtungspflichten und Haftungsrisiken wieder mehr ins Gleichgewicht zu bringen.

Höhere Anforderungen sind keine Einbahnstraße

Die – durchaus gerechtfertigten – höheren Anforderungen an anfängliche Aufklärung und spätere Unterrichtung über den Verlauf einer Kapitalanlage durch Anbieter und Vertrieb sollte keine Einbahnstraße sein. Wenn diese Informationen dem Anleger im Sinne einer Bringschuld zugänglich zu machen sind, muss er sich auch so behandeln lassen, als ob er diese zur Kenntnis genommen hätte.

Wer nicht liest, kann sich hierauf aber weder bei der Diskussion um anfängliche Aufklärungsmängel wie bei späterem Verjährungsfragen berufen.

Professor Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach.

Foto: Guido Schiefer

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