Auch wenn grüner Wasserstoff sich noch nicht wirtschaftlich rechnet, dürfte er in den nächsten drei bis fünf Jahren im Vergleich zur Verwendung fossiler Brennstoffe in bestimmten Branchen wettbewerbsfähig sein, wenn die Regierungen unterstützende politische Maßnahmen durchsetzen. Das sagt Philipp von Königsmarck, Leiter des Wholesale-Geschäfts in Deutschland, Österreich und Luxemburg bei Legal & General Investment Management (LGIM). Die Wettbewerbsfähigkeit von grünem Wasserstoff werde durch die Bepreisung von CO2-Emissionen bei Nutzung fossiler Brennstoffe sogar noch erhöht:
„Die Wasserstofftechnologie profitiert von einer beispiellosen politischen und wirtschaftlichen Dynamik. Zu Beginn des Jahres 2021 haben mehr als 30 Länder Wasserstoffstrategien erstellt, die Industrie hat über 200 Wasserstoffprojekte angekündigt und Regierungen auf der ganzen Welt haben über 70 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Mitteln zugesagt (Quelle: Global Data, Dezember 2021).
Weltweit beträgt die gesamte bestehende und in der Planung befindliche Kapazität zur CO2-armen Produktion von Wasserstoff mehr als 37 Millionen Tonnen pro Jahr. Davon entfallen 68 % auf „grünen“ und 14 % auf „blauen“ Wasserstoff.
Wasserstoff spielt eine systemische Rolle bei der Umstellung auf erneuerbare Energien, da er eine Möglichkeit zum flexiblen Energietransfer über Sektoren, Zeit und Orte hinweg bietet. So kann grüner Wasserstoff zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Wirtschaftsbereichen wie der Stahlproduktion und dem Schwerlastverkehr entscheidend beitragen. Als CO2-freier Energieträger ermöglicht Wasserstoff den Transport von Energie aus erneuerbaren Quellen über große Entfernungen hinweg sowie die Speicherung großer Energiemengen.
Dort, wo die Elektrifizierung schwieriger umzusetzen ist, kann Wasserstoff zur Dekarbonisierung beitragen. Das ist zum Beispiel bei Stadt- und Reisebussen, kommerziellen Fahrzeugflotten, speziellen Eisenbahnsegmenten oder im Straßengüterfernverkehr der Fall. Genauso interessant ist Wasserstoff als Kraftstoff für die Binnenschifffahrt und den Kurzstreckenseeverkehr. Langfristig ist Wasserstoff sogar zur Dekarbonisierung der Luft- und Schifffahrtindustrie vorstellbar, indem synthetisches Kerosin oder andere synthetische Kraftstoffe hergestellt werden.
Auf europäischer Ebene hat Wasserstoff Priorität bei der Verwirklichung des European Green Deal und des Übergangs zu sauberer Energie bis 2050. Der Vorteil von Wasserstoff: Neben Batterien kann Wasserstoff als Speicher von Strom aus erneuerbaren Energien saisonale Schwankungen abpuffern und Produktionsstandorte mit weiter entfernten Nachfragezentren verbinden.
Bis Ende 2030 könnten sich die Investitionen in Elektrolyseanlagen in der Europäischen Union auf 24 bis 42 Milliarden Euro belaufen. Produktion, Transport und Speicherung von Wasserstoff sowie Wasserstofftankstellen würden Investitionen in Höhe von 65 Milliarden Euro erfordern. Die Investitionen in die Produktionskapazitäten in der EU werden bis 2050 auf 180 bis 470 Milliarden Euro geschätzt (Quelle: Global Data, Dezember 2021).
Für Investoren birgt grüner Wasserstoff also ein enormes Potenzial. Allerdings steht grüner Wasserstoff noch am Anfang seiner Entwicklung – etwa dort, wo die Wind- und Solarenergiebranche vor zehn Jahren stand. Bei der Anlage in ETFs ist es daher wichtig, darauf zu achten, wie die einzelnen Aktien ausgewählt und allokiert werden. So kann ein gleichgewichteter Korb von Unternehmen, die sich auf das Thema Wasserstoff fokusieren, besser sein als ein nach Marktkapitalisierung gewichteter breiter Korb. Der Grund: In der Anfangsphase eines Trends, wenn die Wachstumsraten höher sind, ist es schwierig, die Unternehmen auszuwählen, die morgen zu den Gewinnern oder Verlierern gehören werden. Werden die aussichtsreichen Unternehmen gleichgewichtet, setzt der Anleger auf alle Pferde im Stall und nicht nur auf den vermeintlichen Favoriten. Um die Gleichgewichtung beizubehalten, ist eine regelmäßige Anpassung notwendig – ein so genanntes „Rebalancing“.“