BaFin-Präsident Mark Branson hat am Dienstag im Rahmen der Jahrespressekonferenz seiner Behörde mitgeteilt, dass die bisher im Entwurfsstadium vorliegende BaFin-Richtlinie zu nachhaltigen Investmentfonds vorerst zurückgestellt werde. Stattdessen will die Behörde bei der Zulassung nachhaltiger Fonds offenbar weiterhin die Konsultationsfassung vom 2. August 2021 anwenden, also den Entwurf der Richtlinie. Die genaue Lektüre des Rede-Manuskripts macht einigermaßen fassungslos.
„Vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage haben wir beschlossen, unsere geplante Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zurückzustellen. Für eine dauerhafte Regulierung ist das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil“, sagte Branson demnach. „Wir werden in unserer Praxis bestimmte Grundsätze anwenden, die wir bereits zur Konsultation gestellt hatten“, so Branson weiter. Ob damit der gesamte Richtlinen-Entwurf oder nur Teile davon – und gegebenenfalls welche – gemeint sind, bleibt offen.
Branson betonte lediglich, dass, „zum Beispiel“, nachhaltige Fonds mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren, mit mindestens 75 Prozent des Investmentvermögens eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen oder einen nachhaltigen Index abbilden müssen. „Durch diese strengeren Prüfungspraktiken schützen wir Fondsanleger vor Greenwashing“, so der BaFin-Chef.
Gebäudesanierung und Erneubare Energie erst recht dringlich
Liebe BaFin, so geht das nicht! Zwar ist die Lage durch den Ukraine-Krieg, explodierende Preise, die drohende Energiekrise, Materialmangel und die noch immer nicht vollends ausgestandene Pandemie derzeit ohne Zweifel höchst fragil. Aber was hat das mit der Frage zu tun, ob ein Investment nachhaltig ist oder nicht?
Schließlich ist es jetzt erst recht dringlich, vor allem die energetische Sanierung von Gebäuden sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv voranzutreiben und entsprechende Investitionen anzustoßen, nicht mehr nur mit Blick auf die Klimakrise. Dafür brauchen die Akteure, an erster Stelle die Sachwertbranche mit ihren langfristigen und realen Investments, klare Rahmenbedingungen. Die aktuelle „energie- und geopolitische Lage“ ändert daran nichts.
Kapitulation vor „dynamischer regulatorische Lage“?
So ist der wesentliche Grund für den BaFin-Rückzieher anscheinend der dritte – beziehungsweise von Branson sogar an erster Stelle genannte – Punkt: die „dynamische regulatorische Lage“. Das heißt nichts anderes, als dass die BaFin, also die Finanzaufsicht selbst, nun vor der Regulierung kapituliert – ein wohl einmaliger Vorgang.
Hintergrund ist vermutlich in erster Linie die reichlich chaotische europäische Regulierung zur Nachhaltigkeit. So fehlen noch immer wichtige Detail-Vorschriften aus Brüssel. Trotzdem wurden die Anwendungszeitpunkte etwa der EU-Offenlegungsverordnung, der Taxonomie und auch der neuen Vorschriften für den Vertrieb (ab August 2022) bislang keineswegs entsprechend verschoben. Die Betroffenen können sich also nicht davor drücken, sofern sie ihr Geschäft nicht einstellen wollen. Sie müssen sich halt irgendwie durchwursteln, scheint die Devise der Politik zu sein.
Das ist ohnehin schon eine ziemliche Zumutung. Wenn nun auch noch die BaFin die Betroffenen mit der „dynamischen regulatorischen Lage“ allein lässt, droht der eigentlich gut gemeinte „Green Deal“ der EU in Deutschland endgültig zum Fiasko zu werden.
Zudem wird nun der unveränderte Entwurf der BaFin-Richtlinie bis auf Weiteres praktisch zur Vorschrift. Er geht teilweise über die EU-Vorschriften hinaus, was der Immobilienverband ZIA zurecht kritisiert. Denn das können wir insbesondere in dem „derzeit nicht ausreichend stabilen Umfeld“ nicht gebrauchen – weder in Bezug auf das Klima noch auf die Energieversorgung. Und eine untätige BaFin schon gar nicht.
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Stefan Löwer ist Geschäftsführer der G.U.B. Analyse Finanzresearch GmbH und Cash.-Redakteur für das Ressort Sachwertanlagen. Die G.U.B. gehört wie Cash. zu der Cash. Medien AG.