Anfang April schrieben wir, dass dieses Quartal aus Anlegersicht entscheidend sein könnte für den Ausgang des Jahres. Würde Wachstum zurückkommen, ausgehend von China? Würden Unternehmensgewinne sich entsprechend stabilisieren? Und würden sich politische Unsicherheiten eher auflösen als zuspitzen? War die Einschätzung dieser Fragen noch vor wenigen Wochen eine vorsichtig positive, so ist inzwischen Skepsis eingekehrt, so Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, in seinem Gastbeitrag.
Bezüglich des Wachstums sind die Vorzeichen bestenfalls gemischt gewesen, die Gewinnrevisionen nach unten haben sich lediglich verlangsamt. Und die politischen Unwägbarkeiten haben an den bekannten Stellen (Trump, Brexit, Italien etc.) eher zugenommen, zudem sind sie erweitert worden durch bisher für stabil gehaltene sichere Häfen wie Deutschland oder Österreich. Reichlich Gründe für Anleger, vorsichtiger zu werden.
Mehr und mehr Investoren meiden das Risiko
Entsprechend dürftig sieht auch die Aktienperformance der letzten Wochen aus. Mehr und mehr Investoren meiden zusätzliches Risiko, viele haben es inzwischen gegen Positionen in als sicher geltenden Staatsanleihen getauscht. Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe liegt über 60 Basispunkte unter dem Jahresbeginn, auf ihrem tiefsten Stand seit September 2017.
Ihr deutsches Äquivalent rentiert mit weniger als -0,2% so niedrig wie nie zuvor. Hier manifestiert sich eine Kombination aus Flucht in Sicherheit, Konjunkturskepsis und Zweifeln daran, dass die Zentralbanken es auf Sicht schaffen, Inflation im erwünschten Ausmaß herzustellen.
Dies alles spricht dafür, dass schon in ökonomischer Hinsicht einiges im Argen liegt. Die mechanistische Vorstellung, der zufolge man nur genügend stark oder lange an bestimmten Hebeln drehen muss, um die erwünschten Effekte zu erzielen, erhält Risse. Vieles hat offenbar damit zu tun, dass einerseits die Kombination von Globalisierung und Technisierung die Dynamik von Güter- und Faktorpreisen verändert und andererseits der globale Ersparnisüberschuss die Relationen von Angebot und Nachfrage weltweit verfügbaren Kapitals verschoben hat.
Zentralbanken sind nicht mehr in der Lage dazu, Ausgleich zu schaffen
Im Ergebnis sind Zentralbanken, die offen sichtbar seit der Finanzkrise 2008, de facto aber seit mindestens zwei Jahrzehnten das Auf und Ab der Finanzmärkte determinieren, scheinbar nicht mehr in der Lage, mit immer neuen Instrumenten für Ruhe und damit ein störungsfreies Funktionieren der westlichen Volkswirtschaften zu sorgen.
Und da alles mit allem zusammenhängt, hört es nicht bei der Ökonomie auf. So hat die Wirtschaftspolitik der letzten fast 40 Jahre (beginnend mit der sogenannten angebotsökonomischen Wende der späten 70er Jahre) zu einer dramatischen Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen geführt, was in den letzten Jahren erheblich durch die Geldpolitik verstärkt wurde.
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