Das Stimmungsbarometer befinde sich nun auf dem tiefsten Stand seit 2009, heißt es von dem Unternehmen. Neben Inflation und Zinsentwicklung beschäftige die Branche vor allem das Thema Energiesicherheit und die Sorge vor Energieknappheit. Unter den Assetklassen sei dabei einzig für Logistik die Stimmung weiterhin positiv. Die große Unsicherheit spiegele sich auch am Transaktionsmarkt wider. Derzeit spreche wenig für eine echte Jahresendrally auf dem deutschen Immobilienmarkt.
Dennoch sieht Florian Wenner, Head of Research & ESG bei Primonial REIM Germany, optimistisch auf das nächste Jahr: „Sofern die Energieversorgung gewährleistet werden kann, erscheint eine Erholung des Immobilienklimas Anfang 2023 realistisch.“ Auch dann rechne er weiterhin mit fallenden Immobilienpreisen. „Alle Parameter deuten darauf hin.“
„Spitzenrenditen“ bei Büroimmobilien gestiegen
Als tendenziell konjunkturabhängige Assetklasse sei der Büromarkt vergleichsweise stark von den wirtschaftlichen Unsicherheiten betroffen. Bisher zeigte sich dies insbesondere auf der Investmentmarktseite. So herrschte hier eine große Zurückhaltung. „In den ersten drei Quartalen wurden insgesamt 11,7 Milliarden Euro in Büroimmobilien investiert – so wenig wie seit zehn Jahren nicht mehr“, berichtet Wenner. Neben Rezessionsängsten seien die deutlich gestiegenen Fremdkapitalzinsen und Baukosten entscheidend.
Ein Ausdruck dessen seien die seit Jahresanfang gestiegenen Spitzenrenditen für Büroimmobilien (plus 40 Basispunkte, also 0,4 Prozentpunkte). Sie liegen derzeit in A-Städten bei 2,9 Prozent, in Sekundärstädten bei 3,5 Prozent. Als „Spitzenrendite“ wird üblicherweise das Verhältnis der Jahresmiete zum Kaufpreis von erstklassigen Objekten in Top-Lagen des betreffenden Marktes bezeichnet. Ein Anstieg der Rendite von zum Beispiel 2,5 auf 2,9 Prozent entspricht – unveränderte Miete unterstellt – immerhin einem um 14 Prozent geringeren Kaufpreis.
Demgegenüber sei der Vermietungsmarkt relativ widerstandsfähig, so Primonial. „Die Spitzen- und Durchschnittsmieten in den Topmärkten sind leicht angestiegen. Gleichzeitig verzeichnen die Top 7 geringfügig gestiegene Leerstände und geringere Büroflächenumsätze. Die Polarisierung mit Leerstandszuwächsen in den Randlagen und höherer Nachfrage nach zentralen, modernen Flächen hält an“, schildert Wenner. „Top 7“ steht für die sieben wichtigsten Städte für Büroimmobilien.
Einzelhandelsimmobilien unter Druck
Insgesamt wurden Primonial zufolge in den ersten drei Quartalen 4,2 Milliarden Euro in deutsche Einzelhandelsimmobilien investiert. „Dieser Wert liegt deutlich unterhalb der Transaktionsvolumina der Vorjahre im gleichen Vergleichszeitraum. Dagegen steigen die Spitzenrenditen für Handelsimmobilien weiterhin sukzessive an,“ betont der Researcher. Sie liegen derzeit zwischen 3,0 Prozent für High-Street-Shops und knapp 4,9 Prozent für Shopping-Center.
Nichtsdestotrotz spricht für Wenner wenig dafür, dass es in diesem Jahr zu einer Jahresendrally kommen wird. So stehe der Einzelhandel weiterhin vor großen strukturellen Herausforderungen. Hinzu kämen die hohe Inflation und Energiepreise, die die Konsumlaune der Privathaushalte trüben und die Umsatzerwartungen der Händler schmälern. Insofern blieben Einzelhandelsimmobilien auch in nächster Zeit eher etwas für opportunistische Investoren.
Energieeffizienz bei Wohnimmobilien maßgeblich
In den ersten drei Quartalen 2022 wurden rund 9,7 Milliarden Euro in Wohnimmobilien investiert. Dies entspreche dem geringsten Investitionsvolumen seit vier Jahren. Als Hauptursachen nennt Wenner die sprunghaft gestiegenen Bauzinsen sowie die investorenseitige Zurückhaltung in Bezug auf Projektentwicklungen. So seien die schwer zu kalkulierenden Baukostensteigerungen für Projektentwickler ein Hindernis, um frühzeitig Investoren zu finden, die sich Wohnbauprojekte über Forward Deals sichern möchten. Gleichzeitig würden Investoren auch bei Bestandsportfolios genauer hinschauen. „Der energetische Zustand von Wohngebäuden wird zukünftig die Preise für Wohnportfolios maßgeblich beeinflussen“, betont Wenner.
Insgesamt sei der Wohnungsmarkt unmittelbar von der Energiekostenexplosion, der hohen Inflation und der Zinswende betroffen. Das beeinflusse die Wohnungsnachfrage zunehmend. Wenner erklärt, dass Investoren aus diesem Grund mit eher konservativen Annahmen hinsichtlich zukünftiger Mietsteigerungen kalkulieren sollten. Darüber hinaus sei aktuell mit weiter fallenden Preisen für Wohnimmobilien zu rechnen, wobei davon auszugehen sei, dass bei energieeffizienten Bestandsgebäuden die Nachfrage sowohl auf Investorenseite als auch auf Mieterseite hoch bleibe.
Gesundheitsimmobilien weiterhin robust
Der Healthcare-Investmentmarkt zeige sich weiterhin sehr robust. Mit rund 1,3 Milliarden Euro liege das Transaktionsvolumen oberhalb der vergangenen Jahre im Vergleichszeitraum. Auch die investorenseitige Nachfrage für Healthcare-Immobilien sei bisher sehr krisenresistent. „Die Angebotsknappheit ist derzeit die größte Beschränkung für Healthcare-Investoren“, erklärt Wenner. Dennoch sei auch der Gesundheitssektor der Veränderung des Makroumfelds betroffen. Dies zeige sich vor allem im Hinblick auf die Renditeentwicklung im dritten Quartal 2022. Dementsprechend seien die Spitzenrenditen für Pflegeheime um zehn Basispunkte auf vier Prozent gestiegen.
Insbesondere für Betreiber von Pflegeheimen würden die gestiegenen Personal- und Energiekosten große Herausforderungen darstellen. „Die langlaufenden Pachtverträge enthalten in der Regel inflationsabhängige Mietanpassungen, die Betreiber in der aktuellen Marktphase vor Probleme stellen können. Für Investoren kann dies im Einzelfall bedeuten, auf eine Mieterhöhung verzichten zu müssen oder nicht den vertraglich möglichen Mietanpassungsspielraum auszunutzen, um die Zahlungsfähigkeit des Betreibers nicht zu gefährden“, erklärt Wenner. Laut Wenner wäre eine geringe Indexierung bei länger laufenden Mietverträgen ein zielführender Kompromiss zwischen den einzelnen Interessensgruppen.
Gutes drittes Quartal für Hotelimmobilien
Der Sommer und somit auch die Hauptreisezeit der Deutschen ist vorbei. „Der Hotelinvestmentmarkt kann auf ein gutes drittes Quartal zurückblicken. Wenngleich weit entfernt von den Investmentvolumina der Vor-Coronajahre,“ betont Wenner. Dementsprechend seien in den ersten drei Quartalen rund 1,3 Milliarden Euro in deutsche Hotels investiert worden.
Eine schnelle Erholung auf das Vor-Corona-Niveau des Hotelinvestmentmarkts erscheint für den Researcher aufgrund des makroökonomischen Umfelds unwahrscheinlich. Er betont, dass insbesondere ausländische Investoren dem deutschen Hotelinvestments skeptisch gegenüberstünden. Dies zeige sich in einem Transaktionsvolumen internationaler Investoren von lediglich 300 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen. Die Spitzenrenditen liegen aktuell bei 4,5 Prozent. „In den nächsten Monaten ist mit weiteren Renditeanstiegen aufgrund der Zinsentwicklung und Unsicherheiten in der Hotelbranche zu rechnen“, erläutert Wenner.
Da Hotelimmobilien in der Regel einen hohen Energieverbrauch aufweisen, geht Wenner davon aus, dass das Thema Energieeffizienz von Hotelgebäuden zukünftig verstärkt im Mittelpunkt stehen werde. Moderne Gebäude mit wenig Energieverbrauch und hohen Anteilen von erneuerbaren Energien könnten an Attraktivität gewinnen. Zusätzlich könnten auch Betreiberkonzepte, die einen Fokus auf Nachhaltigkeit setzen, in Zukunft stärker nachgefragt werden.
Neuer Spitzenwert bei Logistikimmobilien
Mit 6,6 Milliarden Euro ist bei Logistikimmobilien ein neuer Spitzenwert in den ersten drei Quartalen erzielt worden. Somit sei der Boom auf dem deutschen Logistikmarkt weiterhin ununterbrochen. Die Probleme bei den globalen Lieferketten und die zunehmende politische Ungewissheit in Bezug auf nicht-europäische Produktions-und Lagerstätten seien weiterhin große Treiber der Logistiknachfrage.
Wenner betont, dass insbesondere ausländischen Investoren sich an deutsche Logistikimmobilien erfreuen. Allerdings sei abzuwarten, ob es trotz der Zinsentwicklung zu einer Jahresendrally wie in den vergangenen Jahren kommen wird. Dementsprechend hält Wenner es für wahrscheinlicher, dass sich auch auf dem Logistikmarkt im letzten Quartal des Jahres die investorenseitige Zurückhaltung bemerkbar machen werde. „Die Spitzenrenditen für Logistikimmobilien liegen aktuell bei 3,4 Prozent und somit 30 Basispunkte über dem Jahresendwert 2021. Trotz hoher Nachfrage sorgt das makroökonomische Umfeld somit auch bei Logistikimmobilien für fallende Preise.“
Primonial REIM verwaltet nach eigenen Angaben ein Vermögen von über 33,5 Milliarden Euro. Die Allokation ist unterteilt in: 45 Prozent Büros und 34 Prozent Gesundheit/Bildung, sieben Prozent Einzelhandel, zehn Prozent Wohnen, vier Prozent Hotels. Die paneuropäische Plattform verwaltet 61 Fonds und hat mehr als 80.000 Kunden, von denen 53 Prozent Kleinanleger und 47 Prozent institutionelle Anleger sind. Das Immobilienportfolio besteht aus mehr als 1.526 Objekten in elf europäischen Ländern.