Und das wohlgemerkt im begehrten Segment Neubau/Erstbezug in Toplage, allgemein als Core-Segment bezeichnet. Von Bestandsimmobilien spricht leider zunächst keiner mehr. Die Orientierung an dem Premiumobjekt, zumeist durch den Spitzenmietindikator identifiziert, ist allerdings aktuell eher ein Phantom, da es diese Neubauobjekte praktisch kaum gibt. Gegenwärtig bezieht sich dieser Indikator bundesweit auf gerade zwei Objekte: den Opernturm und The Squaire, beide in Frankfurt gelegen.
Nachdem der Transaktionsmarkt in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren von zahlreichen Turbulenzen und nahezu von Stillstand geprägt war, ist gegenwärtig eine spürbare Belebung zu verzeichnen. Aus dem Blickwinkel des vierten Quartals 2010 ist es gar eine stetig steigende Linie. Das ist eine gute Botschaft. Gleichwohl reibt man sich verwundert die Augen ob des kollektiven Bekenntnisses zu Core-Investments. Auf den ersten Blick mag das plausibel klingen, denn das Gespür für Risiko hatte die meisten Akteure am Markt spätestens 2008 verlassen.
Als Reaktion haben mittlerweile etliche Investoren ihre Anlagestrategie auf möglichst risikoarme Investments ausgerichtet. Nach dieser als „sicherheitsorientiert“ bezeichneten Strategie werden als Investitionsobjekte Immobilien modernsten Standards, in exklusiven Metropol-Innenstadtlagen, mit Mietern bester Bonität, mit lang laufenden Verträgen präferiert. Abweichungen von der Core-Definition führen zu entsprechenden Renditeaufschlägen.
Nach unseren klassischen Abgrenzungen handelt es sich dabei um ein kleines Marktsegment, welches nur rund zehn Prozent des Gesamtinvestmentmarktes in Deutschland ausmacht. Da taucht die Frage auf, was denn genau Core in seinen Ausprägungen eigentlich ist? Eine eindeutige Abgrenzung oder gar Definition existiert nicht.
Vielleicht ist dies aber auch gut so, denn allein der Vergleich der Investitionen unter dem publizierten Label „Core“ der letzten Wochen liefert zum Teil kuriose Ergebnisse. Ist ein „Core-Investment“ in Frankfurter Bürobankenlage, welches demnächst saniert wird, das gleiche „Core“ wie ein Neubau in der Rosenheimer Innenstadt? Ist ein Neubau-Bürogebäude in Berlin Adlershof mit Vollvermietung das gleiche wie ein zu 70 Prozent leerstehendes Bestandsgebäude Unter den Linden? Mehr Fragen als Antworten tauchen auf.
Was manche vielleicht als Haarspalterei abtun, erfährt seine dramatische Komponente beim Blick auf den Kapitalmarkt. Researcher stellen mit Sorgenfalten auf der Stirn fest, dass es in dieser epidemischen Core-Fokussierung und den Milliarden Euro an angekündigtem Investorenkapital auf keinen Fall genügend sogenannte Core-Objekte oder -Portfolios geben kann.
Insofern hat diese vermeintlich bedrohliche Lage auch etwas Positives: Wollen die eingesammelten Gelder zielgerichtet investiert werden, werden sich alsbald Überschwappeffekte einstellen – also die Investoren ein bisschen mehr in das Segment „Value Add“ gehen. Mit anderen Worten, sie werden sich an neue Standorte vorwagen, in bisher vernachlässigte Teilmärkte, oder gar in Mieterbonitäten abseits des AAA. Diese etwas größere Risikofreude wird den Markt beleben. Trotz aller aktuellen Chancen sollte aber auch im einsetzenden Aufschwung die gesunde Portion Risikoabschätzung nicht außer Acht gelassen werden.
Trotzdem gilt die grundsätzlich optimistische Devise: Investoren, wagt Euch aus der Deckung.
Der Autor Dr. Thomas Beyerle leitet den Bereich “Corporate Social Responsibility & Research” im Managementteam der Bonner Immobilien-AG IVG. Bis Anfang 2011 war er Head of Global Research bei der schottischen Aberdeen-Property-Investors-Gruppe. Der studierte Geograph und Real Estate Portfolio Manager analysiert die internationalen Immobilienmärkte seit mehr als 15 Jahren. Beyerle doziert an der BA Stuttgart/Leipzig, ADI Stuttgart/Hamburg, EBS European Business School, IREBS International Real Estate Business School sowie an der Fachhochschule Biberach und der Fachhochschule Kaiserslautern.