Die Lage sei „besser, als man befürchten musste“. Das sagte der noch ziemlich frisch gebackene Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang Januar auf seiner ersten Corona-Pressekonferenz nach dem Jahreswechsel mit Blick auf das Infektionsgeschehen. Es war ein Satz, über den sich der Kabarettist Ingo Appelt in der ARD-Sendung „Nuhr im Ersten“ mächtig mokierte. „Das ist der neue Optimismus der Bundesrepublik Deutschland. Das kannst Du nicht toppen. Damit kannst Du alles schön reden“, lästerte er.
Ganz unrecht hat Appelt sicherlich nicht, und doch passt „besser, als man befürchten musste“ erstaunlich oft, wenn die Prognosen nicht allzu rosig waren – zum Beispiel auch auf das Platzierungsvolumen von Sachwertanlagen im Jahr 2021. Wie in jedem Jahr hat die Cash.-Redaktion die Asset Manager nach ihrem Neugeschäft mit geschlossenen Alternativen Investmentfonds (AIFs), Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz (Vermögensanlagen) sowie angrenzenden Vehikeln wie Sachwert-Anleihen oder Blockchain-basierten Anlagen („Token“), die grundsätzlich Wertpapiere sind, befragt.
In diesem Fall ist das Ergebnis indes nicht nur weniger schlecht, sondern sogar viel besser, als zu erwarten gewesen war: Am Ende steht für 2021 im Publikumsgeschäft (Retail) ein Plus von über 20 Prozent gegenüber 2020 (siehe Tabelle Seite 4). Im Vergleich mit 2019, also dem letzten Vor-Corona-Jahr, liegt der Markt nur noch etwa drei Prozent im Minus. Auch das Gesamtvolumen inklusive des Geschäfts mit Großanlegern, also in erster Linie Spezial-AIFs und Private Placements ab 200.000 Euro Mindestbeteiligung für semi- und professionelle Anleger, hat 2021 wieder zugelegt. Es stieg gegenüber 2020 um glatt zwölf Prozent, bleibt damit allerdings noch 11,4 Prozent unter dem Wert von 2019.
Nicht unbedingt zu erwarten gewesen
Die positive Entwicklung war nicht unbedingt zu erwarten gewesen, eher war das Gegenteil zu befürchten. Denn neben den andauernden Corona-Beschränkungen sprachen zwei weitere Punkte gegen eine Markterholung. Erstens ist die Zahl der Neu-Emissionen in der zweiten Jahreshälfte 2021 fast zum Erliegen gekommen. Zweitens hat der Marktführer des Vorjahres, auf den 2020 rund neun Prozent des Retailvolumens entfallen waren, das Neugeschäft 2021 mit Publikums-AIFs zumindest vorläufig eingestellt.
Zum ersten Punkt: Im Bereich der Vermögensanlagen erfolgte der Einbruch der Neu-Emissionen mit Ansage. Am 17. August vergangenen Jahres ist das Anlegerschutzstärkungsgesetz in Kraft getreten und damit ein Verbot von Blindpools und einige weitere Verschärfungen des Vermögensanlagengesetzes. Die Folge: Nach dem Termin ist bis zum Jahresende – mit Ausnahme von Crowdinvestments ohne ausführlichen Prospekt – nur eine einzige Vermögensanlage neu auf den Markt gekommen. Dabei handelte es sich um ein Bürgersolarprojekt des Anbieters Wust Wind und Sonne. Vermögensanlagen mit überregionaler Bedeutung sind seit Mitte August gar nicht mehr neu aufgelegt worden. Daran hat sich bis zum Redaktionsschluss* (7. Februar 2022) nichts geändert: Außer dem Wust-Projekt wurde seitdem keine einzige weitere Vermögensanlage im Bundesanzeiger neu inseriert.
Die Vermögensanlagen-Prospekte, die vor dem 17. August 2021 von der BaFin gebilligt wurden, dürfen aber noch ein Jahr nach ihrem Start weiterverwendet werden. Von dieser Möglichkeit haben die Initiatoren reichlich Gebrauch gemacht und vor dem Stichtag noch einiges auf dem Markt gebracht. Das erklärt, warum die Platzierung im Gegensatz zur Neuauflage nicht eingebrochen ist. So verzeichnen die führenden Vermögensanlagen-Anbieter One Group, TSO, Asuco und Solvium Capital – aufs Jahr gesehen – durchweg kräftige Zuwächse.
2021 lediglich 26 Publikums-AIFs neu in den Vertrieb gegangen
Weniger einfach zu erklären ist, warum die Zahl der neu aufgelegten Publikums-AIFs im zweiten Halbjahr 2021 ebenfalls spürbar zurückgegangen ist. Vielleicht liegt es daran, dass viele Neu-Emissionen an die neuen Nachhaltigkeits-Vorschriften der EU angepasst werden sollen und manche Anbieter die gewaltige Bürokratie unterschätzt haben, die damit verbunden ist. Jedenfalls weist die – nicht immer ganz vollständige – BaFin-Datenbank seit Anfang Juli bis zum Jahresende nur sechs neue Publikums-AIFs aus. Aus Pressemitteilungen sowie von Vertriebs- und Anbieter-Websites sind der Redaktion sechs weitere Publikums-AIFs bekannt, die in diesem Zeitraum den aktiven Vertrieb aufgenommen haben, wobei sie teilweise schon deutlich früher von der BaFin genehmigt worden waren.
Insgesamt sind im vergangenen Jahr lediglich 26 Publikums-AIFs neu in den Vertrieb gegangen, davon mindestens drei, die bereits 2020 die formale Vertriebszulassung erhalten haben. Nun werden AIFs nicht selten über mehrere Jahre platziert, vor allem die mittlerweile dominierenden (und in diesem Segment weiterhin erlaubten) Blindpools. Ein Anlass, von einer Belebung des Platzierungsgeschehens auszugehen, war die Zahl der Neu-Emissionen aber jedenfalls nicht.
Der zweite Grund, warum eine positive Entwicklung des Marktvolumens nicht unbedingt zu erwarten gewesen war, ist der Ausstieg von ZBI. Das Unternehmen stand mit einer Retail-Platzierung von 158,9 Millionen Euro noch an der Spitze des Cash.-Rankings für 2020, hat den letzten Fonds aber Ende jenen Jahres geschlossen und bislang keinen neuen aufgelegt. 2021 ist ZBI damit komplett ausgefallen. Zunächst hatte es den Anschein, als würde sich der langjährig etablierte Anbieter nach Planabweichungen bei früheren Fonds und der Übernahme durch die Investmentgesellschaft Union Investment womöglich endgültig vom Markt der geschlossenen Publikums-AIFs verabschieden. So antwortete das Unternehmen im August 2021 auf Cash.-Anfrage: „Aktuell ist noch offen, ob beziehungsweise wann die ZBI Gruppe einen neuen geschlossenen Publikums-AIF auf den Markt bringt.“