Es ist also noch nicht aller Tage Abend, so der Eindruck. Ob die Ampel-Koalition nach dem Europawahl-Debakel allerdings überhaupt noch handlungsfähig ist und die vielen Planungen letztlich tatsächlich umsetzen kann, steht in den Sternen. Und selbst wenn sie bis dahin durchhält, ist bis zur nächsten regulären Bundestagswahl im Herbst 2025 nicht mehr viel Zeit.
Ohnehin wirken die bereits beschlossenen und angekündigten Maßnahmen, vielleicht mit Ausnahme von eventuellen Entlastungen bei der Grunderwerbsteuer, nicht kurzfristig, sondern mit einer Verzögerung von mindestens zwei bis drei Jahren. Bei einem anderen Punkt, der den Akteuren kurzfristig helfen könnte, kann die Branche indes zunächst nicht auf staatliche Unterstützung hoffen: Den Zinsen.
Der Forderung, die Zinsen für Baudarlehen – über die bisherigen KfW-Mittel für bestimmte Vorhaben hinaus – herunter zu subventionieren, erteilt Lindner auf dem ZIA-Tag eine Absage. Es wäre „töricht“, auf diese Weise gegen die Zentralbank und ihre Bemühungen zu arbeiten, die Inflation zu begrenzen, so der Finanzminister. Lindner pocht vielmehr einmal mehr auf eine solide Haushaltspolitik und die Einhaltung der Schuldenbremse. Das würde auch die Inflation eindämmen und damit den Spielraum für weitere Zinssenkungen erhöhen, sagt er.
Weitere EZB-Zinssenkungen in 2024 fraglich
Ob es dazu bald kommt, bleibt abzuwarten. Zwar hat die EZB Anfang Juni erstmals seit 2019 eine Zinssenkung vorgenommen, was einige Hoffnungen ausgelöst hat. Aber die allgemein erwarteten und vielfach schon eingepreisten weiteren EZB-Zinsschritte nach unten scheinen wieder in die Ferne zu rücken. So hält Clemens Fuest, Präsident des Ifo Instituts, die Annahme, dass die EZB nach der ersten noch zwei weitere Zinssenkungen im Jahr 2024 vornehmen wird, inzwischen für „sehr optimistisch“.
Das sagt er tags darauf auf der „Investment Expo“, die von der Agentur Rückerconsult ebenfalls in Berlin abgehalten wird (und die im „Zoo-Palast“ direkt gegenüber jenem Hotel stattfindet, in dem wiederum Selenski abgestiegen ist, was die Anreise der Teilnehmer wegen der enormen Sicherheitsvorkehrungen nicht eben erleichtert). Das Ifo Institut gehe bei seiner Konjunkturprognose zwar von zwei weiteren EZB-Zinssenkungen im September und Dezember 2024 aus, auch weil dies den Markterwartungen entspreche, sagt Fuest. Die Inflation sei aber noch immer zu hoch, und die EZB würde bei weiteren Zinsschritten sehr vorsichtig vorgehen.
„Ich erwarte eher nur eine, vielleicht auch keine weitere Zinssenkung mehr in 2024“, so Fuest, der ein ziemlich düsteres Bild der deutschen Wirtschaft zeichnet. Wenigstens hat sich der Ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt leicht verbessert. Das Bauhauptgewerbe liegt zwar weiter an letzter Stelle der vier aufgeführten Sektoren, aber auch dort haben sich vor allem die Erwartungen der Unternehmen zuletzt etwas aufgehellt. „Dies betrifft jedoch nur den Tiefbau, der Hochbau liegt weiter am Boden“, schränkt Fuest ein, also auch der Wohnungsbau.
Preise real um über 25 Prozent gefallen
Wohnraum wird also auf absehbare Zeit knapp bleiben – und der Neubau teuer. Das wird wohl auch den Preisrückgang im Bestand begrenzen. Dort ist im Einzelfall ein weiterer Faktor von Bedeutung: Der energetische Zustand des Gebäudes. Obwohl Habecks Heizungsgesetz am Ende noch deutlich entschärft wurde, sind Bestandsgebäude mit veralteter Heizung nur schwer zu verkaufen, potenzielle Käufer verunsichert. Profi-Investoren, die das Risiko und die Kosten einzuschätzen wissen, sind im Vorteil und können gegebenenfalls noch größere Preiszugeständnisse durchsetzen als im Marktdurchschnitt.
Diese sind ohnehin beachtlich. Das Statistische Bundesamt ermittelte für 2023 einen Rückgang der Preise für Wohnimmobilien um durchschnittlich 8,4 Prozent gegenüber 2022. Zusammen mit der Preiskorrektur, die schon ab dem dritten Quartal 2022 gegenüber dem jeweiligen Vorquartal eingesetzt hatte, summiert sich das Minus auf 12,7 Prozent seit Mitte 2022. Gleichzeitig belief sich die Geldentwertung durch die hohe Inflationsrate in 2022 und 2023 auf insgesamt rund 14,2 Prozent. Real, also als Summe dieser beiden Entwicklungen, liegt der Preisrückgang von Wohnimmobilien demnach seit dem Höhepunkt der vorherigen Preisrallye im Frühjahr 2022 bei über 25 Prozent.
Experte: „Keine Blase geplatzt“
Trotzdem betonte Prof. Dr. Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Mitte März auf einer Tagung des auf Sachwertanlagen spezialisierten Vertriebs Bit Treuhand: „Es ist keine Immobilienblase geplatzt“. Das Platzen einer Blase sei dadurch gekennzeichnet, dass nach einem starken Preisanstieg und den ersten Abwärtstendenzen alle Investoren gleichzeitig verkaufen wollen, weil sie damit rechnen, dass es nur noch schlechter wird, erklärte er. Damit verstärken sie wiederum den Abwärtstrend.
Dies sei jedoch nicht passiert, sondern das Gegenteil. „Der Markt ist einfroren“, so Voigtländer. Nach dem steilen Zinsanstieg passten die Preisvorstellungen und vielfach auch die finanziellen Möglichkeiten der Käufer nicht mehr mit Vorstellungen der Verkäufer zusammen. Doch statt sie panisch zu verkaufen, haben die meisten Eigentümer ihre Immobilien einfach behalten und hoffen auf bessere Zeiten.