Martin Gräfer, Die Bayerische: „Unsere Kunden sind auch bei akutellen Überschwemmungen umfassend versichert“

Martin Gräfer
Foto: Die Bayerische
Martin Gräfer: "Die persönliche Beratung hat bei uns einen hohen Stellenwert und sollte auch nicht ersetzt werden."

EXKLUSIV: Die Milliardenschäden an Gebäuden und Sachwerten durch Starkregen und Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg zeigen einmal mehr die Relevanz einer Elementarschadenversicherung. Im Interview mit Cash. macht Bayerische-Vertriebsvorstand Martin Gräfer deutlich, warum es beim Thema Elementarschutz ein Umdenken braucht und warum eine Pflichtversicherung für viele Hausbesitzer teuer werden dürfte.

Die Folgen des Klimawandels sind dieser Tag wieder einmal deutlich zu spüren. Wo liegen für Sie als Versicherer vor dem Hintergrund die großen Herausforderungen?

Gräfer: Unser Ziel ist es, unsere Kundinnen und Kunden bei Naturkatastrophen schnell und zuverlässig zu unterstützen. Deshalb haben wir bereits Strategien für eine effiziente und zielgerichtete Schadenbearbeitung sowie Soforthilfen im Sinne eines Notfallplans für solche Ereignisse entwickelt. Es bedarf eines Umdenkens sowohl im Markt als auch beim Endkunden. Eine Wohngebäudeversicherung ohne Elementarschutz macht heutzutage einfach keinen Sinn mehr. Durch Starkregen hat sich die Annahme, dass nur an Gewässern Hochwasserschutz notwendig ist, erübrigt. Die Quote der Elementarversicherungsverträge liegt bundesweit bei 54 Prozent und muss sich deutlich erhöhen. Dieser Bedarf hat sich erst kürzlich wieder deutlich in Bayern und Baden-Württemberg gezeigt, wo viele Regionen von Starkregenereignissen und deren Folgen betroffen waren. Eine der Herausforderungen wird dabei sicherlich auch der Anstieg der Kosten für Elementarversicherungen sein, da auch wir (teureren) Rückversicherungsschutz einkaufen müssen. Dies wird durch Statistiken, unter anderem des GDV, bestätigt, die zeigen, dass Sturm, Hagel und Elementarereignisse die Leitungswassersparte als Haupttreiber von Schäden in den letzten Jahren abgelöst haben. Zunehmende Naturkatastrophenereignisse, auch kleinere, nicht rückversicherungsrelevante Ereignisse, stellen weitere Herausforderungen dar. Hierzu zählt auch die Diskussion zur Einführung einer Pflichtversicherung für Immobilienbesitzer gegen Elementarschäden. Weitere Erhöhungen der Rückversicherungsprämien sind zu erwarten. Zwar entspannt sich die Inflationslage, aber nicht die Materialknappheit, Preissteigerungen bei Baustoffen und der Fachkräftemangel.

In den Monaten nach dem Unwetter an Ahr und Erft ist der Absatz von Elementarschadenversicherungen deutlich gestiegen. Wie steht es um die Sensibilität der Menschen bei der Absicherung im Jahr 2024?

Gräfer: Viele Menschen haben die schlimmen Unwetter zu schnell wieder vergessen. Dies zeigt sich auch in den nach solchen Ereignissen immer wieder kurzfristig aufkommenden Diskussionen um mehr öffentliche Prävention. Zudem gibt es Diskussionen über eine Pflichtversicherung, die dann aber schnell wieder abebben. Direkt nach den Ereignissen steigt die Nachfrage nach der Elementarversicherung deutlich an. Auch wir sprechen unsere Kunden dann gezielt auf entsprechende Lösungen an, wie beispielsweise die Elementar Solo, die wir gemeinsam mit unserem Assekuradeur asspario für Hausrat- und Wohngebäudeverträge entwickelt haben. Unsere neue Wohngebäudeversicherung ist beispielsweise nur noch mit Elementarschutz abschließbar.

„Unsere Bündelpolicen haben im Durchschnitt einen Elementarabschluss von 86 Prozent“

Martin Gräfer, Die Bayerische

Damit möchten wir sicherstellen, dass unsere Kundinnen und Kunden im Ernstfall optimal abgesichert sind. Unsere Bündelpolicen haben im Durchschnitt einen Elementarabschluss von 86 Prozent. In der Meine-eine-Police liegt dieser Wert bei 99 Prozent, da es dort ein Pflichtbaustein ist. Bei den Wohngebäude-Einzelverträgen haben etwa 66 Prozent den Elementarbaustein abgeschlossen, während es bei unseren Assekuradeuren etwa 70 Prozent sind. Insgesamt liegt der Elementaranteil in unserem Wohngebäudebestand, einschließlich der Bündelpolicen, bei etwa 71 Prozent.

Die Ministerpräsidentenkonferenz fordert die Einführung einer bundesweiten Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, die Verbraucherschützer ebenfalls. Wäre der Ansatz nicht ein Ausweg aus dem Dilemma, gerade weil sich die Versicherungsdichte trotz Opt-Out nicht wirklich erhöht?

Gräfer: Die Versicherungsbranche insgesamt, und auch wir, sehen die Einführung einer Pflichtversicherung eher kritisch. Obwohl das Thema lange Zeit nicht weiterentwickelt wurde, wird es nun wieder intensiv diskutiert. Ein geeignetes Pflichtmodell für Deutschland scheint bisher noch nicht gefunden. Auch der Aktuarverband äußert Bedenken, da die Kosten für alle Kunden voraussichtlich stark steigen würden. Es wird erwartet, dass 80 Prozent der Eigentümer mehr bezahlen müssten, etwa 190 Euro je Hausbesitzer pro Jahr. Für mich persönlich ist die Idee einer Pflichtversicherung eine Nebelkerze, die über wichtige und notwendige Maßnahmen hinwegtäuscht. Ich halte eine Pflichtversicherung nicht für sinnvoll, wenn sie nicht mit einer Verpflichtung der Kommunen und Landkreise zum Hochwasserschutz und zur Starkregenvorsorge verbunden wird. Hier ist die Politik gefordert.


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Die Naturkatastrophen erhalten eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Das größte Problem der Wohngebäudeversicherung sind aber die Leitungswasserschäden. Sie machen 60 Prozent des Schadensaufwandes aus. Tendenz steigend. Wie gehen sie als Versicherer damit um? Und welche Folgen hat das auf die Tarife?

Gräfer: Da muss ich Ihnen leider Recht geben. Aber die Bayerische setzt bereits seit 2021 stark auf Prävention bei Leitungswasserschäden und kooperiert hier mit einem großartigen Partner. So haben wir zum Beispiel für unsere „Meine-eine-Police“ eine Kooperation mit SURU. Kundinnen und Kunden erhalten bei Abschluss auf Wunsch ein GROHE Sense Wasserstoppsystem inklusive GROHE Sense Guard und GROHE Sense Sensor von uns. Und das ohne Aufpreis. Einfach. Umfassend. Flexibel. Das entspricht auch unserer eigenen Vision, Versicherungen langfristig vielleicht sogar überflüssig zu machen. Klingt verrückt, funktioniert aber mit wirklich wertvollen Kooperationspartnern bereits sehr gut.

Die hohen Inflationsraten hatten 2023 deutliche Folgen für aufPrämien in der Schaden- und Unfallversicherung. Und auch für 2024 sind die inflationären Folgen deutlich. Welche Folgen erwarten Sie für die Hausrat- und Wohngebäudeversicherung? Und unterlaufen die Preissteigerungen nicht die Bemühungen, die Absicherungsquoten zu erhöhen?

Gräfer: Eine Auswertung der MunichRe zeigt, dass der jährliche Anpassungsfaktor bis 2020 nicht ausgereicht hat, um die Inflation vollständig auszugleichen. Dieser Trend hat sich seitdem noch weiter verschärft. Daher ist es für uns besonders wichtig, Schadenvermeidung zu betreiben, um hohe Kosten erst gar nicht entstehen zu lassen. Die steigende Inflation spüren wir in vielen Bereichen und sowohl der Gesamtmarkt als auch wir haben in den letzten zwei Jahren die Beiträge teilweise deutlich anpassen müssen. Die Sparte Wohngebäude hat seit 2001 nur einmal branchenweit einen Gewinn erzielt, mit einer Umsatzrendite von 1,5 Prozent im Jahr 2020. Das kann auf Dauer nicht die Lösung sein.

„Auch Assekurata geht davon aus, dass weitere Prämienanpassungen notwendig sein werden“

Martin Gräfer, Die Bayerische

Auch Assekurata geht davon aus, dass weitere Prämienanpassungen notwendig sein werden und der Durchschnittsbeitrag in der Wohngebäudeversicherung über 650 Euro liegen wird. Wir denken jedoch, dass es gerade deshalb Sinn macht, die Absicherungsquoten zu erhöhen. Dadurch ermöglichen wir zukünftigen Kundinnen und Kunden, im Ernstfall nicht allein gelassen zu werden. Insbesondere in Zeiten hoher Inflation können große Schäden noch schwerer aus eigener Tasche getragen werden.

Die Bayerische hat im Januar eine runderneuerte Version ihrer Wohngebäudeversicherung vorgestellt. Wie waren die Reaktionen aus dem Vertrieb?

Gräfer: Also eins ist schon mal klar: Das Produkt gehört zweifellos zu den leistungsstärksten Tarifen am Markt zählt. Es wurde im Vertrieb mit großem Enthusiasmus aufgenommen. Unsere Kundinnen und Kunden sind mit dieser neuen und leistungsstarken Wohngebäudeversicherung optimal abgesichert. Besonders hervorzuheben ist die automatische Absicherung der Elementargefahren, die sicherstellt, dass unsere Kunden auch bei aktuellen Überschwemmungen umfassend versichert sind.

Sie bezeichnen das Update als „wegweisend“. Welche der Bausteine machen den Tarif mit Blick auf den Wettbewerb so besonders?

Gräfer: Wegeweisend finde ich allerhand an dem neuen Tarif. (lacht) Aber da ich mich hier ja vielleicht etwas kürzer fassen sollte, möchte ich vor allem zwei Punkte hervorheben. Zum einen die Unbenannten-Gefahren-Deckungen für das Gebäude und die Grundstücksbestandteile, die erneuerbaren Energieanlagen sowie die Haustechnikanlagen. Diese Deckungen gewährleisten, dass das Hab und Gut unserer Kunden gegen alle möglichen Gefahren umfassend abgesichert ist. Darüber hinaus ermöglicht der Baustein „Nachhaltigkeit“ jedem Kunden, einen Beitrag zu einer besseren Umwelt zu leisten. So zahlen wir beispielsweise Mehrleistungen für nachhaltigen Schadensersatz oder bieten eine CO2-Kompensation bei einem Feuerschaden an.

„Sach macht Krach“ lautet ein Spruch in der Branche. Wie haben sich die Sparten Hausrat- und Wohngebäudeversicherung bei Ihnen entwickelt?

Gräfer: Also, grundlegend verzeichnen wir seit 2021 ein starkes Wachstum in beiden Sparten, was grundsätzlich als sehr positiv zu bewerten ist. Besonders erfreulich ist das Wachstum bei unserem Premiumprodukt „Meine-eine-Police“. Eine echte Allgefahrendeckung, die es Kunden und Beratern besonders einfach macht und für Kunden mit eigenem Einfamilienhaus Bestandteil des Deckungskonzepts ist. Allerdings waren die letzten Jahre versicherungstechnisch herausfordernd. Während wir in der Sparte Hausrat positive Ergebnisse erzielen konnten, gestaltete sich die Situation bei der Wohngebäudeversicherung äußerst schwierig. Insbesondere das vergangene Jahr war geprägt von über 30 lokalen und kleineren Stürmen sowie größeren Unwetterereignissen wie Sturm Dennis und weiteren, was die Schadensbilanz erheblich belastete.

In den vergangenen Jahren haben sich einige digitale Versicherer am Markt etabliert. Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Sachsparte. Und welche Bedeutung spielt die persönliche Beratung in der Hausrat- und der Wohngebäudeversicherung?

Gräfer: Wir setzen auf ein neues Bestandsführungssystem, das Prozesse vollautomatisiert abwickelt. Unsere Digitalisierungsquote hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Viele Kunden nutzen die Möglichkeit des Online-Abschlusses. Mit wenigen Klicks können Versicherungen abgeschlossen werden. Daher sind viele unserer Produkte auch online verfügbar, sowohl für Endkunden als auch für Vertriebspartner. Künftig wird es noch wichtiger, dass die digitalen Tools einfach gestaltet sind. Die Sicht des Endkunden ist dabei entscheidend, auch wenn sie vom Vermittler genutzt werden. Der Berater als Experte hilft dem Kunden, die Informationsflut zu bewältigen und den optimalen Schutz zu finden. Daher stehen wir unseren Kundinnen und Kunden weiterhin mit kompetenten Beraterinnen und Beratern zur Verfügung. Wir setzen auf offene und vor allem persönliche Kommunikation in der Beratung, um bei wichtigen Fragestellungen oder besonderen Situationen optimale Lösungen zu finden. Die persönliche Beratung hat bei uns einen hohen Stellenwert und kann und soll nicht ersetzt oder abgeschafft werden.

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