In einem Musterprozess wird das Oberlandesgericht München ab dem 30. April 2010 an sieben Verhandlungstagen mit Hilfe von 23 Zeugen klären, ob und in welcher Höhe den rund 7.500 Anlegern, die sich mit etwa 400 Millionen Euro an dem Medienfonds VIP 4 beteiligt haben, Schadensersatz zusteht. Das Verfahren wird von Katja Fohrer, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht aus der Münchner Kanzlei Mattil & Kollegen geführt, die neben der Musterklägerin weitere 300 Anleger dieses und anderer VIP-Medienfonds vertritt.
Nach Einschätzung der Rechtsanwältin weist der Beteiligungsprospekt gleich mehrere Fehler auf: Insbesondere soll die Höhe der Risikoabsicherung in Bezug auf das vom Anleger eingesetzte Kapital sowie die Höhe der tatsächlich in den Film fließenden Anlegergelder falsch angegeben sein. Zudem sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die steuerliche Konstruktion in keinster Weise gesichert sei. Vor allem jedoch sei die gewählte Konstruktion der Schuldübernahme von dem Gericht zu überprüfen. Gerade vor diesem Hintergrund misst Fohrer dem Ausgang des Musterverfahrens eine maßgebliche Auswirkung auf alle anderen Medienfonds mit einer solchen Schuldübernahmekonstruktion bei: „Wird der Prospektfehler vom Gericht bestätigt, dürfte das nicht nur die etwa 10.000 Anleger der VIP-Medienfonds 3 und 4 freuen, sondern auch die Anleger aller anderen Medienfonds mit einer solchen Schuldübernahmekonstruktion. Deren Chancen auf Schadensersatz gegen die prospektverantwortlichen Initiatoren und Großbanken werden dadurch steigen“, prognostiziert Rechtsanwältin Fohrer.
Auch andere Emissionshäuser, darunter Hannover Leasing, KGAL und LHI hatten mit etwa ähnlich konstruierte Medienfonds aufgelegt. Rund 50 solcher Offerten seien zwischen 1998 und 2005 aufgelegt worden, an den sich rund 50.000 Anlegern mit etwa 4,3 Milliarden Euro eingeworben, teilt die Kanzlei Mattil & Kollegen mit.
In dem nun zum Musterverfahren bestimmten Fall hatte sich der Anleger im Jahr 2004 mit einem Betrag von 100.000 Euro an dem als Garantiefonds bezeichneten Produkt VIP 4 KG beteiligt. Konzeptionsgemäß musste er einen Teil von 59.500 Euro einschließlich 5.000 Euro Agio selbst einbezahlen und in Höhe von 45.500 Euro ein Darlehen bei der Hypovereinsbank AG aufnehmen. Der Anleger war aufgrund der Angaben im Beteiligungsprospekt davon ausgegangen, dass sein eingesetztes Kapital durch eine „Garantie“ der darlehenensgebenden Bank zu 115 Prozent abgesichert sei, dass er sein eingesetztes Kapital am Ende der Laufzeit garantiert zurück erhalten würde und dass die Anfangsverluste steuerwirksam geltend gemacht werden könnten. Er glaubte, dass das eingesammelte Anlegergeld nach Abzug der Nebenkosten vollständig in die Produktion von Filmen investiert werden würde.
„Im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Fondsinitiator hatte sich jedoch herausgestellt, dass das Kapital zum überwiegenden Teil gar nicht in die Filmproduktion geflossen war, sondern dazu diente, die von der Hypovereinsbank eingegangene Schuldübernahme zu unterlegen, dass also die Schuldübernahme des Kreditinstituts nur deswegen übernommen wurde, weil vorher ein Großteil der Fondsgelder auf Umwegen auf das Konto der Hypovereinsbank überwiesen worden war“, so Rechtsanwältin Fohrer. Der Initiator ist mittlerweile rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung strafrechtlich verurteilt.
In dem Musterverfahren muss das Gericht die Frage klären, ob der Prospekt des Filmfonds mit Schuldübernahmekonstruktion auch deshalb falsch ist, weil der konkrete Geldfluss nicht in dem Prospekt ersichtlich war. Zudem ist zu entscheiden, ob die schuldübernehmende und zugleich darlehensgebende Bank, für diesen und andere Prospektfehler grundsätzlich verantwortlich ist.
Nach Mitteilung der Kanzlei Mattil & Kollegen haben zwar einige Anleger die Vergleichsangebote der Commerzbank AG und der Unicreditbank AG, unter dem die frühere Hypovereinsbank AG jetzt firmiert, angenommen, konnten die Durchführung des Musterverfahrens nicht verhindern. (af)
Foto: Mattil & Kollegen