Mehr Chancen auf Wohneigentum: Warum Deutschland Fördermaßnahmen ausbauen muss

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Daniel Ritter, von Poll Immobilien

Kaum ein anderes Land in Europa hat eine so schlechte Wohneigentumsquote wie Deutschland. Woran das liegt und wie sich dieser Zustand beheben lässt, erklärt Daniel Ritter, Geschäftsführender Gesellschafter bei von Poll Immobilien mit Hauptsitz in Frankfurt.

Laut Empirica beträgt die Wohneigentumsquote in Deutschland derzeit rund 44 Prozent und ist dabei, weiter zu sinken. Das bedeutet, aktuell wohnt nicht einmal jeder zweite Bundesbürger in den eigenen vier Wänden – die Mehrheit befindet sich in einem Mietverhältnis. Damit schneidet Deutschland im europäischen Vergleich fast am schlechtesten ab. Innerhalb der Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) belegt Deutschland hinsichtlich der Eigentumsquote den vorletzten Platz. Dabei gilt Wohneigentum als adäquates Mittel gegen Altersarmut.

Herr Ritter, wo liegen Ihrer Ansicht nach die Gründe für den geringen Anteil an Wohneigentum in Deutschland im internationalen Vergleich?

Ritter: Die Ursachen für die geringe Eigentumsquote in Deutschland sind vielfältig und unter anderem historisch bedingt. Durch die Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges sah sich Deutschland nach Kriegsende mit einer massiven Wohnungsnot konfrontiert. Um diese auszugleichen und schnell neuen Wohnraum zu schaffen, musste vermehrt auf den Bau von vielen Einheiten von Wohnblöcken, Plattenbauten sowie Mehrfamilienhäusern gesetzt werden. Der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern stand folglich weniger im Fokus. Durch fehlende wohnungspolitische Maßnahmen hat sich die Lage nicht verbessert. Generell gibt es bei der deutschen Bevölkerung aber einen großen Wunsch nach den eigenen vier Wänden. Um diesem Wunsch gerecht zu werden und mehr Menschen den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen, ist es unerlässlich, dass die Politik das Thema stärker in den Fokus nimmt sowie ihre Fördermaßnahmen ausbaut.

Seitens der Förderbanken der Bundesländer gibt es bereits diverse Fördermittel, von denen Kaufinteressenten Gebrauch machen können. Wie bewerten Sie diese?

Ritter: Ja, es gibt durchaus einige Fördermittel und Produkte, auf die Käufer beim Hausbau oder Immobilienkauf zurückgreifen können. Ein Hauptproblem ist dabei jedoch der bürokratische Kraftakt, der damit einhergeht. Lange Wartezeiten und unflexible Fördervoraussetzungen machen die Sache komplizierter. Fördermittel müssen deutlich attraktiver gestaltet und leichter zugänglich gemacht werden. Eine Verschlankung der Antragsprozesse für wesentliche staatliche Förderungen ist daher zwingend notwendig. Außerdem sollten die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Förderung zu erhalten, stets individuell geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Hier müssen die Prozessstrukturen wesentlich agiler und flexibler gestaltet werden. Es muss mehr und umfangreicher gefördert werden, um Menschen den Erstkauf einer Immobilie vor allem hinsichtlich der Altersvorsorge zu ermöglichen.

Eines dieser Fördermittel war das sogenannte Baukindergeld, das jedoch Ende 2022 ausgelaufen ist. War das, Ihrer Meinung nach, ein wirksames Instrument?

Ritter: Das Baukindergeld war eine sehr erfolgreiche Maßnahme und wurde seitens der Bevölkerung gut angenommen. Leider ist der Fördertopf des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen nun ausgeschöpft, weitere Anträge sind derzeit nicht möglich. Das ist sehr bedauerlich, hat das Baukindergeld doch genau bei der Zielgruppe angesetzt, wo die finanziellen Hürden beim Immobilienkauf am schwersten wiegen – bei jungen Familien. Ebenfalls konnte das Baukindergeld mit weiteren Förderprogrammen kombiniert werden. Zwar ist ein Nachfolgeprogramm mit voraussichtlichem Start im Sommer 2023 in Planung, allerdings handelt es sich dabei nicht mehr um einen Zuschuss, sondern um einen zinsvergünstigten Kredit für Familien mit Kindern. Eine Wiederaufnahme des Baukindergeldes wäre das richtige Zeichen und ein weiterer Schritt auf dem Weg, mehr Menschen und insbesondere Familien ins Eigentum zu bringen. Doch auch beim Baukindergeld gäbe es Verbesserungspotenzial, wie beispielsweise eine Erhöhung der Freibeträge pro Kind.

Die Verknappung von Wohnraum stellt ein weiteres Problem dar. Welche Lösungen schlagen Sie vor?

Ritter: Der Mangel an Wohnraum hat sich über die Jahre verschärft. Daher brauchen wir eine Baulandinitiative zur Baulandgewinnung und Nachverdichtung. Dazu müssen Bebauungspläne verändert werden, weg von den reinen Einfamilienhausbebauungen hin zu Mehrfamilienhausbebauungen. Bauvorschriften müssen vereinfacht und reduziert sowie Grundstücke intensiver bebaut werden. Ebenso wäre ein Sonderrecht zur Aufstockung in innerstädtischen Lagen eine effektive Ergänzung. Denn in dicht besiedelten Städten kann oft nur durch die Verdichtung in die Höhe zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Hier gab es in der Vergangenheit bereits diverse Beispiele einiger Lebensmittelmarktketten, die auf ihren Gebäuden aufgestockt und somit neuen Wohnraum geschaffen haben. Allgemein sehe ich hier viel Handlungsspielraum.

Bauen, Bauen, Bauen – wird immer wieder als wichtigste Maßnahme genannt, um Wohnungsknappheit zu lindern. Wo hapert es Ihrer Meinung nach? Warum kommt Deutschland nicht voran?

Ritter: Auch hier ist die Bürokratie wieder ein maßgeblicher Faktor. Wir brauchen dringend neuen Wohnraum – im Bestfall schnell. Langsame, ineffiziente Prozessstrukturen lähmen jedoch den Neubau, statt ihn voranzutreiben. Bauvorhaben müssen schneller geprüft und genehmigt werden. Zum Vergleich: In Schweden erhalten Antragsteller ihre Baugenehmigung nach zwei bis vier Wochen – in Deutschland müssen Bauherren viele Monate auf die Genehmigung warten. Zudem sollte das Bau- und Planungsrecht durch eine Reform vereinfacht werden. Denn eine Erleichterung von Anbau- sowie Ausbaumöglichkeiten würde gleichzeitig den Erwerb von Bestandsimmobilien deutlich attraktiver machen und mehr Fläche schaffen, was auch die Preise entlasten würde.

Gibt es noch weitere Stellschrauben in der Baubranche, an denen gedreht werden kann?

Ritter: Neben massiven Lieferengpässen haben private Bauherren momentan vor allem mit deutlich gestiegenen Rohstoffpreisen, akutem Handwerkermangel und massiven Anhebungen bei Handwerksunternehmen sowie dadurch steigenden Kosten zu kämpfen. Folglich geraten viele Projekte ins Stocken. Sie sind einfach nicht mehr bezahlbar. Eine mögliche Lösung wäre die Senkung der Mehrwertsteuer auf Baustoffe und alle damit verbundenen Bauleistungen, um den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu erleichtern. Des Weiteren sollten Handwerkerberufe staatlich gefördert werden, um mehr Angebot zu schaffen und die Preise zu reduzieren. Eine Reduzierung des Steuersatzes auf sieben Prozent wird derzeit zwar diskutiert, aber eine Umsetzung steht noch aus. Bauherren und Immobilienkäufer würden erheblich finanziell entlastet und der Bau- und Immobiliensektor belebt werden.

In einigen Ländern, wie beispielsweise den USA oder Australien, können selbst genutzte Immobilien abgeschrieben werden. Wie sieht es in Deutschland aus?

Ritter: Die Abschreibungsmöglichkeiten in Deutschland sind leider sehr begrenzt gestaltet. Bisher greift die sogenannte AfA, also die Absetzung für Abnutzung, nur bei vermieteten, nicht selbst genutzten Immobilien sowie gewerblich genutzten Immobilien. Privatnutzern ist es daher nicht möglich, die Anschaffungskosten beim Immobilienerwerb von der Steuer abzusetzen. Eine Erweiterung des steuerrechtlichen Rahmens, der zumindest eine teilweise Abschreibung der Kosten vorsieht, muss erwogen werden. Möglich wären zudem Sonderabschreibungen für bestimmte förderwürdige Käufergruppen. Generell wird eine Ausweitung der Abschreibungsmöglichkeiten dazu beitragen, mehr Menschen den Zugang zu Wohneigentum zu erleichtern.

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