Das Bemühen von Wirecard um Markteintritt in China habe sich mit den Zielen der Bundesregierung gedeckt. Es sei normal, dass sich die Bundesregierung und auch die Kanzlerin bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze. Merkel betonte: „Es gab damals allen Presseberichten zum Trotz keinen Anlass, von schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten bei Wirecard auszugehen.“
Im vergangenen Sommer hatte Wirecard ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Jahresabschlüsse mindestens seit 2015 gefälscht wurden. Die Wirtschaftsprüfer gaben diesen Abschlüssen jedoch immer wieder uneingeschränkt ihren Stempel.
Vor der China-Reise hatte Merkel ein Gespräch mit dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der als Lobbyist für Wirecard tätig war. Sie könne sich zwar nicht erinnern, dass Guttenberg Wirecard konkret erwähnt habe, sagte Merkel. Es sei aber richtig, dass sie ihn nach dem Gespräch an ihren Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller verwiesen habe.
Kritik an der Bafin
Indirekt kritisierte Merkel die Arbeit der Finanzaufsicht Bafin und anderer Behörden im Fall Wirecard. Die „ganze deutsche Aufsichtsseite“ sei objektiv nicht gut genug aufgestellt gewesen, sagte sie. „Das ist ganz klar.“
Neben der Bafin steht im Fall Wirecard etwa auch die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas in der Kritik. Merkel sagte, die Weichen, die nun auch personell gestellt worden seien, zeigten, dass die „richtigen Schlussfolgerungen“ gezogen worden seien.
Im Zuge der Aufarbeitung des Skandals musste etwa die Bafin-Spitze ihren Posten räumen. Die Bundesregierung hat zudem Reformen auf den Weg gebracht, mit denen Lehren aus dem Fall Wirecard gezogen werden sollen. So soll die Bafin gestärkt werden.
Auf der Schnittkante
Merkel sagte, der Fall Wirecard sei ein Rückschlag für die Reputation des Finanzplatzes Deutschland. Es müsse Vertrauen zurückgewonnen werden. Die Aufsichtsbehörden müssten auch angesichts des rasanten digitalen Fortschritts modernisiert werden. Wirecard sei bei der Regulierung auf der Schnittkante zwischen Technologieunternehmen und Finanzinstitut gewesen. Es seien im „Windschatten“ Dinge passiert, die man nicht für möglich gehalten hätte. Der Fall Wirecard habe mit dem, was man unter „ehrbarer Kaufmann“ verstehe, nicht das geringste zu tun.
Der Finanzaufsicht Bafin werden im Betrugsskandal bei Wirecard schwere Fehler vorgeworfen, in der Kritik steht auch die Apas. Für die Bafin hat das Finanzministerium unter Ressortchef Olaf Scholz (SPD) die Rechts- und Fachaufsicht. Für die Apas hat das Wirtschaftsministerium unter Ressortchef Peter Altmaier (CDU) die Rechtsaufsicht. (dpa-AFX)