MFS: Noch immer viel Stress im System

Marktausblick von Robert Spector, MFS

Jeden Monat, wenn wir diesen Überblick verfassen, betrachten wir die für uns aussagekräftigsten Charts zu Konjunktur, Inflation und den Märkten. Ab und zu ist eine Grafik dabei, die uns verblüfft.

Robert Spector, MFS

Ein solches Beispiel ist der Financial Stress Index der Federal Reserve Bank of St. Louis. Er misst die Spannungen im amerikanischen Finanzsystem – mit einer Reihe von Marktindikatoren zur Volatilität, dem Verschuldungsgrad, den Risiken von Unternehmensanleihen und den Risiken im Bankensystem. Dem Index zufolge sind die Spannungen in der US-Wirtschaft heute so gering wie selten in den letzten 20 Jahren. Seit der Finanzkrise hat es noch nie so wenig Stress gegeben wie heute. Kann das sein?

Übermäßige Sorglosigkeit könnte folgenreich sein

Eines steht fest: Der Financial Stress Index spiegelt insbesondere wider, dass sich die Aktienmärkte vor der Korrektur zu Beginn dieses Jahres auf Allzeithochs befanden und die Anleihespreads merklich zurückgegangen waren. Doch wir sollten die Geschichte nicht außer Acht lassen. Nicht selten hat eine solche Situation zu einer übermäßigen Sorglosigkeit geführt – und einem steigenden Rückschlagpotenzial für risikoreichere Wertpapiere. Vielleicht ist das der Grund für die derzeitige Konsolidierung nach dem hervorragenden Aktienjahr 2013. Dies könnte auch erklären, warum die Kurse von Qualitätsstaatsanleihen, den klassischen sicheren Häfen, gestiegen und ihre Renditen gefallen sind.

Im Januar waren die Konsensprognosen zum Jahreswechsel sehr optimistisch, nicht zuletzt aufgrund der vielen unerwartet guten US-Konjunkturdaten. Doch dann begannen die Daten zu enttäuschen. Der Arbeitsmarktbericht blieb hinter den Erwartungen zurück, möglicherweise wegen der starken Winterstürme, und der anschließende Immobilienmarktbericht deutete ebenso auf eine Konjunkturabschwächung hin wie der Dienstleistungs-PMI und die Unternehmensinvestitionen.

Im Euroraum legen die Wachstumsindikatoren zwar zu, aber die Deflationsrisiken machen uns weiter Sorgen. Zugleich hat in Japan der schwächere Yen die Nettoexporte noch nicht merklich steigen lassen und wir warten auch noch immer darauf, dass die höhere Inflation die Löhne in die Höhe treibt. Für Japan ist dies nicht gut, zumal die bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung das Wachstum zusätzlich dämpfen dürfte.

Länderrisiken in den Emerging Markets

Auch die Risiken der Emerging Markets sind wieder zu einem Thema geworden. Uns ist durchaus bewusst, dass es sich hier häufig um länderspezifische Probleme handelt: z.B. politische Unruhen in der Ukraine, der Türkei und Thailand, Inflation in Lateinamerika, Anzeichen für eine Stagflation in Indien, Brasilien und Südafrika. Hinzu kommt, dass das Wachstum in China nachzulassen scheint; zumal die Politik bemüht ist, das enorme Kreditwachstum einzudämmen.

Dies blieb allerdings nicht ohne Folgen für andere Emerging-Market-Länder, insbesondere für Rohstoffimporteure und ihre Währungen. Am krisenanfälligsten sind Volkswirtschaften mit hohen Leistungsbilanzdefiziten, die bislang aufgrund hoher Kapitalzuflüsse über ihre Verhältnisse leben konnten. Doch es liegt in der Natur des Kapitals, dass es in schwierigen Zeiten schnell das Weite sucht.

Gut für die Industrieländer ist allerdings, dass sie nicht direkt unter den Problemen der Emerging Markets leiden; nur 5 % des US-BIP stammen aus den Emerging Markets und weniger als 1 % aus den Ländern, die zurzeit negative Schlagzeilen machen. Der Euroraum könnte hingegen stärker betroffen sein als die USA (und auch als Großbritannien und Japan). Das ist nicht gerade die Entwicklung, die eine sich langsam erholende Region braucht. Allerdings hat die Asienkrise 1997/98 auch gezeigt, dass die Industrieländer vor allem unter den Auswirkungen einer Emerging-Market-Krise auf das Banken- und Finanzsystem leiden. Wenn das Vertrauen in den Finanzsektor nachlässt, könnte dies durchaus auch Folgen für die Realwirtschaft haben.

Forward Guidance: Turbulenzen an Aktien- und Rentenmärkten möglich

Ernsthafte Sorgen bereitet uns hingegen die Glaubwürdigkeit der Forward Guidance der Notenbanken. Jetzt, da Quantitative Easing passé ist und das neue Schlagwort Forward Guidance heißt, müssen die Investoren davon überzeugt werden, dass die Notenbanken tatsächlich sagen, was sie meinen – und dass sie tun, was sie sagen. Aber sowohl die Fed als auch die Bank of England haben bereits einen Rückzieher gemacht.

Anders als zunächst geplant, werden Zinserhöhungen jetzt doch nicht automatisch von der Arbeitsmarktentwicklung abhängen. Denn beide Notenbanken können nicht erklären, weshalb die Arbeitslosenquote so schnell gefallen ist. Außerdem möchte keine von beiden die Zinsen erhöhen. Statt Forward Guidance gibt es also das Übliche: Aussagen zum Zeitpunkt einer möglichen Leitzinsanhebung. Wenn aber die Marktteilnehmer daran zu zweifeln beginnen, dass die Leitzinsen noch längere Zeit niedrig bleiben und die ersten Zinsschritte vorgezogen werden, könnte es sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten zu einigen Turbulenzen kommen.

Fazit: Die Welt ist also nicht so frei von Stress wie der Indikator suggeriert. Dennoch sehen wir noch keinen Grund, unser Hauptszenario für 2014 in Frage zu stellen. Wir erwarten weiterhin ein zwar noch immer mäßiges aber doch höheres Wachstum. Viele der Probleme, die wir jetzt angesprochen haben, deuteten sich bereits vor etwas mehr als einem Monat an. Die Marktteilnehmer haben sie damals allerdings klein geredet.

Welche Strategie ist nun sinnvoll für eine Zeit wachsender Sorglosigkeit und weniger attraktiver Bewertungen? Wir schauen vor allem auf die relative Bewertung von Aktien und Anleihen, setzen auf die Einzelwertauswahl und verlängern passend zur langfristigen Gesamteinschätzung den Anlagehorizont.

 

Autor Robert Spector, ist CFA und Institutional Portfolio Manager bei der Fondsgesellschaft MFS, Boston.

 

 

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