Blicken wir zunächst auf M&G in 2024. Wie ist das Jahr insgesamt gelaufen und welche Sparten waren besonders nachgefragt?
Kolitsch: Als einer der führenden europäischen Fixed-Income Manager waren natürlich in erster Linie Anleihethemen für uns entscheidend für den Erfolg. Speziell bei europäischen Unternehmensanleihen konnten wir gut punkten. Darüber hinaus haben wir ein Total-Return-Multi-Asset-Credit-Produkt, das unabhängig von jeder Zinsentwicklung positive Erträge liefern kann und es auch getan hat. Dieses Produkt könnte vielleicht auch gerade für 2025 spannend und interessant bleiben, weil man ja aufgrund der Unsicherheit im Markt nicht wirklich sagen kann, wo die Zinsentwicklung tatsächlich hingehen wird.
Welche Impulse erwarten Sie von Amerika und durch die Politik von Donald Trump für die Märkte?
Kolitsch: Ein paar positive Effekte lassen sich erkennen, etwa durch das neue Stargate-Investitionsprogramm, das vielleicht einen neuen Boom in Richtung IT und AI-Standortbestimmung auslösen kann. Zusätzlich dürfte hier, wie vor allem im Bankensektor, die Deregulierung sehr stark greifen. Auf der anderen Seite sind die Staatsschulden und möglicherweise die Zölle ein großes Problem. Langfristig hohe Zinsen belasten, weil die Zinslast natürlich bedient werden muss. Dadurch kommt ein höheres Staatsdefizit zustande, das zu negativen Auswirkungen führen kann.
Apropos Zinsen: Die EZB wird weiterhin den Zinssenkungspfad beschreiten, während die Fed vermutlich eine Pause einlegen wird. Wie bewerten Sie das?
Kolitsch: Aufgrund der aktuellen doch positiven Wirtschaftsentwicklung in den USA hat die Fed eigentlich keinen Grund, die Zinsen massiv weiter zu senken. Zunächst soll wohl geschaut werden, wie die Trump-Maßnahmen greifen, bevor möglicherweise reagiert wird. In Europa haben wir ein ganz anderes Bild. Hier ist man aufgrund der Eindämmung der Inflation deutlich flexibler mit den Zinssenkungsmöglichkeiten. Wir erwarten drei, vier Zinssenkungen in 2025 in Europa. In den USA liegen die Inflationszahlen aktuell über dem Inflationsziel. Man wird also sehen, wohin die Reise dort geht. Es kann natürlich ein Konflikt mit der Trump-Administration entstehen, wodurch die Inflation aus dem Ruder läuft und andererseits die Wirtschaft beginnt zu stagnieren. Dann ist Trump gefordert, die Wirtschaft anzukurbeln und übt möglicherweise Druck aus.
Stichwort ESG: Da gab es zuletzt viele Verwerfungen. Wie sehen Sie das Segment aktuell und für 2025? Können wir auf das Comeback hoffen?
Kolitsch: Bei Clean Energy gab es eine übertriebene Korrektur, die langfristig Chancen für Investoren bietet. Das Thema an sich ist ein bisschen in den Hintergrund gerückt, weil es wichtigere Themen gab. Dennoch, auch wenn Trump aus dem Klimaabkommen aussteigen will, bleibt ESG für Europa entscheidend. Ich bin überzeugt, dass ESG weiterhin ein wichtiger Faktor für Investitionsentscheidungen darstellt.
Wie sieht es beim Segment Multi Asset aus? Ist der Turnaround in Sicht?
Kolitsch: Ich glaube, man hat gesehen, dass Investoren sehr stark auf der Aktien- oder der Anleiheseite investiert haben. Multi-Asset hat weiterhin eine Daseinsberechtigung, aber aktuell kann ich keine wirkliche Erholung der Assetklasse erkennen. Viele Vermögensverwalter haben begonnen, selbst zu allokieren und darüber Produkte zu selektieren. Die Asset Allocation selbst zu machen, das ist ein ganz starker Trend – entweder über KI-gesteuerte Programme oder über Vermögensverwaltungssysteme. Man wird sehen, ob das Thema wieder zurückkommt, wenn die Zeiten an den Märkten wieder schwieriger werden. Möglicherweise hilft es, sich stärker in Richtung Private Assets zu orientieren und zusätzlich auch noch Liquid Alternatives, Long-, Short-Positionen in ein Multi-Asset-Portfolio zu integrieren. All das könnte die Attraktivität von Multi-Asset langfristig erhöhen.
KI ist auf dem Vormarsch und wird zunehmend auch im Asset Management verwendet. Wie nutzt M&G die Künstliche Intelligenz?
Kolitsch: KI-Tools sind für uns mittlerweile durchaus ein wichtiger Bestandteil bei der Titelselektion. Aber wir haben auch ein eigenes KI-Programm für einen Fonds entwickelt, bei dem wir stark KI-gesteuert investieren. Da geht es um die Machine-Learning-gestützte Titelselektion, wobei die Fondsmanager letztendlich entscheiden, welche KI-Empfehlung in das Portfolio gelangt. Bislang war das Zusammenspiel von Mensch und Maschine äußerst erfolgreich. So liegt der Fonds seit Auflage weit über seiner Vergleichsgruppe bei Morningstar und konnte auch seine Benchmark hinter sich lassen.
Schauen wir zum Schluss noch auf 2025. Was kann der Vertrieb von M&G erwarten?
Kolitsch: Wir werden uns zum einen im Vertrieb noch stärker aufstellen und uns auf der anderen Seite noch stärker auf die Fixed-Income-Seite und edukativ auch mehr auf die Unternehmensanleihen fokussieren. Das ist für uns als House of Bonds ganz entscheidend. 2025 dürfte weiterhin ein Value-Jahr in Europa bleiben, und dass sich die Bewertungsunterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Aktien angleichen werden. Europäische Substanzaktien werden weiterhin ihre Berechtigung haben. Darauf setzen wir. Auch Richard Halle hat unlängst gesagt, dass hier mit 30-prozentigem Bewertungsunterschied viel Luft nach oben in seinem European Strategic Value Fund. Darüber hinaus können vielleicht sogar die asiatischen Märkte in 2025 positiv überraschen. Aus China gibt es wieder positive Signale. All das könnte zu einem Emerging-Market-Rebound führen.
Wie läuft das Thema ELTIF?
Kolitsch: Wir hatten mit mehr als neun Prozent tatsächlich eine hervorragende Performance im letzten Jahr – bei einer sehr geringen Volatilität. Das Produkt erfüllt, was es versprochen hat, aber es wird noch einige Zeit brauchen, bis das Thema ganz selbstverständlich ein Teil der Beratung ist. Viele Portfolios müssten zu zehn bis zwanzig Prozent in Richtung Privatmärkte investieren sowie in Gänze in die Gesamtallokation für private Investoren aufgenommen werden. Der ELTIF ermöglicht überhaupt erstmals einer breiten Investorengruppe zu investieren. Das hält das Thema natürlich lebendig, aber ich glaube, es wird noch ein, zwei Jahre dauern, bis von allen verstanden wurde, wie sinnvoll es für ein diversifiziertes Portfolio ist.
Der Vertrieb braucht sicher auch noch Zeit. Oder haben Sie den Eindruck, dass das Thema schon verstanden wurde?
Kolitsch: Nein, der Vertrieb braucht Zeit. Natürlich tun wir unser Bestes, um edukativ auch hier tätig zu sein und dem Berater das notwendige Rüstzeug mitzugeben. Aber es ist noch immer nicht dort, wo wir Anfang 2025 gehofft haben zu sein. Ich bin sicher, dass das Thema ELTIF kommen wird und dass wir mit einer guten und überzeugenden Performance über die nächsten Jahre Rückenwind bekommen werden. Das bedeutet auch, dass man mit einem überzeugenden Track Record gute Argumente an Bord hat.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.