Ukraine-Krieg, Wirtschaftskrise, hohe Inflationsraten und nun auch noch der Nahost-Konflikt. 2022 war bereits ein herausforderndes Jahr, 2023 ist es ebenfalls. Wie hat sich Ergo Vorsorge Lebensversicherung in dieser schwierigen Marktsituation geschlagen und welchen Einfluss haben die unruhigen Zeiten auf die Altersvorsorgebereitschaft der Menschen?
Fauser: Wir sind mit der Entwicklung unseres Geschäfts mehr als zufrieden – und das schon seit mehreren Jahren. Allein im vergangenen Jahr sind wir um 16 Prozent gewachsen und sind damit der am stärksten wachsende Lebensversicherer in Deutschland. Dazu trägt sowohl das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge als auch der betrieblichen Altersversorge bei. Wir sind überall auf dem Wachstumskurs und wollen diesen natürlich auch im kommenden Jahr fortsetzen.
Das heißt, Sie merken die schwierigen Marktsituation gar nicht?
Fauser: Natürlich merken wir sie, sonst wären wir noch erfolgreicher. Aber wir entwickeln uns sehr positiv.
Welche Argumente sprechen für Fondspolicen, vor dem Hintergrund, dass die Zinsen seit dem vergangenen Jahr deutlich gestiegen sind und damit die Alternativen in der Geldanlage?
Fauser: Die Fondspolice ist ein ideales Vehikel für die Altersvorsorge, denn sie ermöglicht eine Anlage in Sachwerte und eine lebenslange Rente. Ob die Kunden in Fonds oder in das Sicherungsvermögen eines Lebensversicherers investieren möchten, hängt von ihrem individuellen Chance-Risiko-Profil ab. Wir haben mit der Ergo Rente Balance aus meiner Sicht die ideale Kombination, um diesen individuellen Profilen gerecht zu werden. Kunden können in Fonds gehen oder eben in das Sicherungsvermögen. Sie haben somit die Möglichkeit, das Kapital je nach persönlicher Lebenssituation zu verschieben. Diese Flexibilität wird zunehmend wichtiger. Auch weil die Lebensläufe der Menschen heute nicht mehr so stet sind wie früher: Das sehen wir unter anderem an der Zunahme von Sabbaticals oder auch der Teilzeitquote. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen drei Jahren teilweise massiv und in kurzer Abfolge verändert, wie der Ukraine-Krieg, der rasende Anstieg der Inflation im vergangenen Jahr oder die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich gezeigt haben. Vor diesem Hintergrund ist es daher umso wichtiger, dass sich Altersvorsorgeprodukte flexibel an die Lebensumstände der Kunden anpassen und zwischen Chance und Sicherheit stets neu ausbalancieren lassen.
Beitragspausen klingen erst einmal sehr gut. Andererseits fließen in der Phase ja keine Beiträge. Insofern brauche ich für die kürzeren Ansparphasen dann auch einen deutlich investmentlastigeren Anlagemix.
Fauser: Sicherheit ist den Kunden hierzulande persönlich sehr wichtig. Und deswegen ist es so wichtig, wirklich jeden Kunden individuell auszubalancieren.
Erwarten Sie vor dem Hintergrund der gestiegenen Zinsen – wir haben aktuell ja doch über vier Prozent – eine Rückkehr der Klassik? Wie tickt der Markt?
Fauser: Nein. Wenn Sie unter Klassik eine traditionelle klassische Lebensversicherung verstehen, mit einem jährlichen Höchstrechnungszins, dann wird es das aus meiner Sicht nicht mehr geben.
Der Garantiezins liegt seit dem 1. Januar 2022 bei 0,25 Prozent. Gleichzeitig zeigen Umfragen immer wieder: Auf garantierte Sicherheit wollen die Kunden aber auch Vermittler nur unwillig verzichten. Mit oder ohne Garantien: Wohin tendieren ihre Kunden?
Fauser: Das ist bei uns ähnlich. Unser erfolgreichstes Altersvorsorgeprodukt ist die Ergo Rente Balance. Dort sind Garantiekomponenten integriert, die sich flexibel anpassen lassen. Natürlich gibt es Kunden, die ausschließlich in Fonds ohne Garantiekomponente anlegen möchten. Das ist aktuell zwar nicht die Mehrheit in Deutschland, diese Gruppe nimmt aber stetig zu. Es gibt auf der anderen Seite aber natürlich auch den Kundenkreis, der ausschließlich im Sicherungsvermögen anlegen möchte. Was für wen der richtige Weg ist, das entscheidet der Kunde. Er muss sich wohlfühlen mit dem Produkt.
Sicherheit statt Börsenpower. Da muss Ihnen als Versicherungsmathematiker doch das Herz bluten?
Fauser: Wenn Sie mich als Versicherungsmathematiker fragen, würde ich einem jungen Menschen eine Ergo Rente Balance mit einem hohen Fondsanteil empfehlen. Die Altersvorsorge ist schließlich langfristig angelegt und über die Jahre lassen sich mögliche Schwankungen an den Aktienmärkten am besten ausgleichen. Aber nochmals: Der Kunde muss sich damit wohlfühlen. Es ist immer noch so, dass viele Deutsche Garantien wollen. Ob das jetzt objektiv und ökonomisch das Beste ist, das steht für mich auf einem anderen Blatt. Und wenn Sie auf die Krisen der vergangenen Jahre schauen, lässt sich schon feststellen, dass das Sicherungsvermögen eines Lebensversicherers ein sehr effizientes Instrument ist, um für das Alter vorzusorgen. Denn Sie haben attraktive Renditen und deutlich mehr Sicherheit, als wenn Sie in Fonds gehen.
Wenn wir über Garantien sprechen, wie hoch sollten sie sein?
Fauser: Wenn Sie eine Garantie von 80 Prozent haben, befinden Sie sich in einem Niveau, wo Sie Sicherheit liefern und kaum auf Rendite verzichten müssen. Eine Studie des ifa Ulm zeigt sehr eindrücklich, dass dieses Niveau eine ideale Kombination aus Chance und Sicherheit ist. Wenn wir aus aktuarieller und ökonomischer Sicht schauen, ist das schon sehr effizient.
Immer wieder argumentieren Verbraucherschützer, dass Fondspolicen deutlich teurer sind als ETFs. Und fondsgebundene Lebensversicherung nicht für die Altersvorsorge geeignet. Stimmen die Argumente?
Fauser: Als Schwabe bin ich von Haus aus kostenbewusst und sparsam. Aber Kosten sind immer nur ein Punkt von vielen. Und das kostengünstigste Produkt ist nicht immer das Beste. Die fondsgebundene Lebensversicherung ist exzellent für die Altersvorsorge geeignet. Sie bietet attraktive Renditechancen und sie bietet eine lebenslange Rente, was ich für extrem wichtig halte. Denn die Gefahr länger zu leben als das Geld reicht, ist damit gebannt. Was die Kapitalanlage betrifft, können Sie dort sowohl gemanagte Fonds als auch ETFs wählen. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Aber ich finde den Ansatz, die ETFs als Allheilmittel darzustellen, falsch. Denn gemanagte Fonds haben durchaus große Vorteile.
Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey zeigt, dass rund 66 Prozent der 18- bis 29-jährigen nicht zusätzlich für das Alter vorsorgen. Obwohl sie wissen, dass die gesetzliche Rente nicht ausreicht. Braucht es hier eine andere Herangehensweise, um die jungen Menschen von der Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge zu überzeugen?
Fauser: Wir als Ergo Vorsorge legen einen starken Fokus auf junge Menschen, um sie von der Altersvorsorge zu überzeugen. Und wir sind dort sehr erfolgreich. Wichtig ist – und das ist auch eine Aufgabe des Staates – dass die Bildung deutlich stärker Finanzthemen umfassen muss. Sie lernen in der Schule vieles, aber zu den Themen Altersvorsorge, Finanzen, gibt es so gut wie nichts in den Lehrplänen.
Bei uns in Nordrhein-Westfalen war es in meiner Schulzeit nicht anders.
Fauser: Das ist ein Thema, dem man sich deutlich stärker widmen müsste. Es geht darum, die Berührungsängste abzubauen. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, dass wir als Versicherer diese Menschen abholen und richtig ansprechen müssen. Dass wir mehr Finanzbildung benötigen, ist Konsens in der Branche. Da müssen wir insgesamt als Gesellschaft besser werden.
Nachhaltigkeit und ESG sind mittlerweile ein zentraler Faktor bei allen Investments. Wie viele nachhaltige Fonds nach Artikel 8 und Artikel 9 bieten Sie an? Und wer übernimmt die Einwertung der nachhaltigen Fonds? Und was unternehmen Sie hier, um Greenwashing zu vermeiden?
Fauser: Für Ergo ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Dabei geht es gleichzeitig darum, seriös und solide zu sein. Die Einstufung übernehmen renommierte Ratingagenturen wie Morningstar oder FWW Fundservices. Von den insgesamt 80 Fonds, die wir anbieten, sind derzeit 54 Fonds nach Artikel 8 oder 9 klassifiziert.
In der Vergangenheit lag der Fokus der Fondspolicen stets auf der Ansparphase. Mittlerweile kann die Rentenphase aber auch zwei bis drei Jahrzehnte währen. Wie herausfordernd ist die Ausrichtung der Policen auf diese neue Anforderung. Stichwort fondsgebundene Verrentung. Wie lösen Sie dies?
Fauser: Ich sagte es ja. Die Abwägung zwischen Chance und Sicherheit ist immer individuell. Je jünger der Sparer, desto mehr kann und sollte vielleicht der Fokus auf der Chance liegen. Und je älter man ist, umso stärker sollte das Sicherheitsthema im Fokus stehen. Deswegen glaube ich, dass im Rentenbezug das Thema Sicherheit besonders wichtig ist. Sie müssen sich auf die Rente verlassen können. Insofern halte ich hier das Sicherungsvermögen für besonders geeignet. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Lebensversicherer insbesondere im Rentenbezug im Alter unseren Kunden Sicherheit liefern müssen.
Lassen Sie uns einen Blick auf die Ergebnisse der Fokusgruppe Altersvorsorge werfen: Wie Zielführend sind die Beschlüsse für die Altersvorsorge?
Fauser: Ich begrüße ausdrücklich das Ziel, die Rahmenbedingungen möglichst einfach zu gestalten. Ich finde es gleichzeitig aber schwierig, dass die lebenslange Rente in Frage gestellt wird. Das halte ich für fatal. Denn die lebenslange Rente ist gerade für die geförderte Altersvorsorge sehr wichtig. Die Menschen haben lebenslange Ausgaben. Und dafür braucht es auch lebenslange Einnahmen. Und eine staatlich geförderte private Altersvorsorge sollte bis zum Lebensende reichen. Wir hatten gerade über Sicherheit im Rentenbezug gesprochen. Deshalb ist für mich eine lebenslange Rente bei einer geförderten Altersvorsorge ein Muss. Insbesondere, weil die Menschen ihre Lebenserwartung unterschätzen. In diesem Punkt sehe ich die Vorschläge der Fokusgruppe kritisch. Genauso, wie ich bei der geförderten Altersvorsorge eine Garantieniveau von 80 Prozent für wichtig, richtig und angemessen halte. Deswegen habe ich einen sehr gemischten Blick auf die Ergebnisse der Fokusgruppe Altersvorsorge.