Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat in einer Studie die Auswirkungen der europäischen Wertpapierrichtlinie MiFID II beleuchtet. Die Folgen sind in Zeiten, in denen privat finanzierter Vermögensaufbau und Altersvorsorge substanziell entscheidend sind, verheerend.
Zu den Ergebnissen der Studie erklärt Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, der als diesjähriger Federführer für die DK spricht: „Aus der Vermutung ist nun Gewissheit geworden: Mit der Wertpapierrichtlinie MiFID II ist der europäische Gesetzgeber deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Sie ist ein Ärgernis für die Kunden, ein Alptraum für Kreditinstitute und Berater und erweist dem Anlegerschutz und der Wertpapierkultur in Deutschland einen Bärendienst.“
Die Studie zeigt, dass sich Kunden durch die Fülle an Informationen überfordert und verunsichert fühlen. Viele Anleger wollen selbst entscheiden, ob sie auf bestimmte Informationen (z. B. sich ständig wiederholende Kosteninformationen) verzichten oder eine nachträgliche Information (z. B. bei telefonischen Orders) wünschen.
„Sehr überschaubarer Mehrwert“
„Einem sehr überschaubaren Mehrwert für die Kunden stehen dabei immense Kosten für die deutschen Banken und Sparkassen gegenüber“, sagte Krautscheid. So hat die Studie ergeben, dass im Schnitt pro Institut rund 3,7 Millionen Euro Kosten angefallen sind, um die europäischen Regulierungsvorgaben von MiFID II/MiFIR sowie der Verordnung zur Einführung von Basisinformationsblättern (PRIIP-VO) zu erfüllen – die künftigen Kosten noch nicht mitgerechnet.
Rechnet man das auf die rund 1.600 deutschen Institute hoch, lägen die Gesamtkosten bei bis zu sechs Milliarden Euro. „Geld, das die Banken und Sparkassen für Zukunftsinvestitionen viel nutzbringender hätten verwenden können“, so Krautscheid.
Rückgang des Beratungsangebots droht
Die deutschen Banken und Sparkassen warnen zudem vor einem Rückgang des Beratungsangebotes. „Die starre Regulierung führt dazu, dass Beratung nur noch in ausgewählten Filialen angeboten wird. Gerade ältere und weniger mobile Kunden drohen so vom Wertpapiergeschäft abgeschnitten zu werden“, bemängelt Prof. Paul in seiner Studie.
Auch die unterschiedslose Behandlung sämtlicher Kunden kritisiert die DK und fordert mehr Spielraum für Differenzierungen: „Professionelle Kunden – wie etwa Investmentfonds – haben ein anderes Schutzbedürfnis als Kleinanleger. Durch die MiFID II sind wir aber gezwungen, Profis wie Anfänger zu behandeln.“
„Deutschland braucht eine ausgeprägte Wertpapierkultur“
„Deutschland braucht eine ausgeprägte Wertpapierkultur“, betont Krautscheid mit Blick auf die Niedrigzinsphase und die stetig steigenden Erfordernisse der privaten Altersvorsorge. Dieses Ziel werde durch die derzeitige Ausgestaltung von MiFID II konterkariert. Daher fordert die DK, dass die Überarbeitung der MiFID-Richtlinie ganz oben auf die Agenda der neuen EU-Kommission im Herbst 2019 gesetzt wird.
Die Untersuchung „Auswirkungsstudie MiFID II/MiFIR und PRIIP-VO: Effektivität und Effizienz der Neuregelungen vor dem Hintergrund des Anleger- und Verbraucherschutzes – eine qualitativ-empirische Analyse“ hat Professor Dr. Stephan Paul von der Ruhr-Universität Bochum im Februar 2019 im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft abgeschlossen. Er hatte dafür rund 3.000 Kunden und über 150 Banken und Sparkassen in Deutschland befragt. (fm)
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