„MiFID-Novelle nicht auf bisherige ESG-Regulierung abgestimmt“

Foto: Florian Sonntag
Hannah Dellemann, ESG-Beauftragte bei Intreal.

Das Thema Nachhaltigkeit muss ab dem 2. August 2022 in den Vertrieb von Fondsanteilen integriert werden. Nach Einschätzung der Service-KVG Intreal tun die Produktanbieter sich damit schwer, auch wegen der unklaren Vorschriften.

Mit dem Stichtag tritt die nächste Novelle der Finanzmarktrichtlinie MiFID II beziehungsweise einer „Level-2-Verordnung“ zur Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen Ökologie, Soziales und Governance (ESG) in Kraft, zunächst für Banken und Finanzdienstleistungsinstitute. Die neuen Vorgaben beinhalten im Wesentlichen, dass der Anleger zu seinen ESG-Präferenzen befragt wird und in der Folge nur noch Produkte angeboten bekommt, die dazu passen. Gewerbliche Vermittler (Paragraf 34f Gewerbeordnung) sind davon nach neuesten Erkenntnissen ausgenommen, zumindest vorerst.

Betroffen von diesen Änderungen sind die bisherigen Artikel-8-Fonds sowie Artikel-9-Fonds, erklärt die auf Immobilienfonds spezialisierte Service-Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) Intreal. Gemeint sind damit Fonds, die dem betreffenden Artikel der EU-Offenlegungsverordnung zu Nachhaltigkeitsaspekten entsprechen. Im Marketing werden Artikel-8- auch als „Light Green-“ und Artikel 9- als „Impact-Fonds“ bezeichnet. Erstere müssen die Nachhaltigkeitsziele berücksichtigen, letztere einen aktiven Beitrag zu mindestens einem der ESG-Ziele leisten. In beiden Fällen darf zudem keines der (anderen) Umweltziele wesentlich verletzt werden. Die konkreten Maßstäbe für nachhaltige Investments definiert wiederum die EU-Taxonomieverordnung.

„Artikel-8-Fonds müssten upgegradet werden“

Hannah Dellemann, ESG-Beauftragte der Intreal, kommentiert: „Das Problem bei der MiFID-Novelle ist, dass die neuen Vorgaben nicht auf die bisherige ESG-Regulierung abgestimmt sind. Dies bedeutet beispielsweise, dass bestehende Artikel-8-Fonds zu so genannten Artikel-8-Plus-Fonds upgegradet werden müssten, wenn Sie auch unter den neuen MiFID-Vorgaben als nachhaltig vertrieben werden sollen. Für die Fondsanbieter bedeutet das erheblichen Zusatzaufwand.“ Betroffen seien davon im Immobilienbereich sämtliche Fondstypen – also sowohl Publikumsfonds als auch Spezialfonds und sowohl offene als auch geschlossene Vehikel.

Künftig muss der Vertrieb Anleger gemäß ihren Nachhaltigkeitspräferenzen in eine der folgenden vier Kategorien einteilen, erklärt Intreal: Erstens, der Anleger wünscht keine Rücksichtnahme auf Nachhaltigkeitsaspekte. Zweitens, es genügt, wenn die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren – die sogenannten PAIs (Principal Adverse Impact) – berücksichtigt werden. Drittens, der Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne der Offenlegungsverordnung angelegt werden soll; oder viertens, der Kunde legt fest, dass ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne der Taxonomieverordnung angelegt werden soll. Dellemann: „Die vier Kategorien sind sehr erklärungsbedürftig und vor allem für Privatanleger nicht leicht verständlich.“

„Die Produktseite tut sich schwer“

Was müssen die Fondsanbieter nun tun? Michael Schneider, Geschäftsführer der Intreal, dazu: „Die Produktseite muss reagieren, denn sie muss dem Vertrieb Informationen an die Hand geben, wie ihre Produkte zu den Kategorien passen. Sie tut sich schwer, auf die neuen Kriterien zu reagieren, da nicht klar ist, wie etwa ein bereits von der BaFin genehmigter Artikel-8-Fonds mit seinen individuell definierten ESG-Zielen in die neuen Zielmarktkategorien passt. Daher gehen die meisten Produktanbieter aktuell dazu über, die Berücksichtigung der nachteiligen Auswirkungen eines Fonds auf Nachhaltigkeitsziele in ihre Fondsdokumentation aufzunehmen.“

In der Praxis bedeute das, dass bestimmte Informationen in die Fondsdokumentation integriert werden müssen. Dort muss beschrieben werden, welche negativen Auswirkungen der Fonds auf Nachhaltigkeitsziele hat. Bei Immobilienfonds sind das zum Beispiel Immobilien, die nicht energieeffizient sind. Des Weiteren muss Intreal zufolge beschrieben werden, wie diese Auswirkungen berücksichtigt werden beziehungsweise was der Assetmanager dagegen machen möchte – also beispielsweise, ob er eine neue Heizung einbauen oder Sanierungsmaßnahmen durchführen wird. Diese Informationen müssen zudem im so genannten Artikel-10-Dokument auf die Webseite des Anbieters gestellt werden. In der Folge muss dann in den Jahresberichten des Fonds über diese nachteiligen Auswirkungen und den Umgang damit regelmäßig berichtet werden.

Ob das dann für die Einstufung als Artikel-8-Plus-Fonds („Light Green“) ausreicht, also die mittlere MiFID-Stufe, bleibt allerdings offen. Möglicherweise werden – so lässt sich aus den Ausführungen von Intreal schließen – die meisten Artikel-8-Fonds im Vertrieb zunächst lediglich in die zweite MiFID-Kategorie und damit in die unterste Nachhaltigkeitsstufe fallen, also in die PAI-Klasse, in der nur die negativen ESG-Auswirkungen beschrieben werden müssen. In die höchste MiFID-Stufe können es wahrscheinlich ohnehin nur die wenigen „Impact-Fonds“ schaffen.

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