Mittelstandsfinanzierung: In die Marktlücke springen

Foto: Bildagentur PantherMedia /Lev Dolgachov
Die Ausbildung kann sich lohnen, denn Experten sehen hervorragende Chancen für Vermittler in diesem Segment.

Für Finanzvermittler kann es durchaus lukrativ sein, sich auf das Segment Mittelstandsfinanzierung einzulassen. Die rechtlichen Anforderungen sind gering – doch inhaltlich ist das Geschäft anspruchsvoll.

Es sind keine einfachen Zeiten für den deutschen Mittelstand. Das zeigt eine Umfrage, die der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB), der Bundesverband für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland, Anfang des Jahres unter seinen 25.000 Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat. „Gut 43 Prozent der befragten DMB-Mitglieder rechnen in diesem Jahr mit einer schlechteren Entwicklung für ihr Unternehmen als im Vorjahr. Viele Unternehmen stehen der Mittelstandspolitik der Ampel-Regierung pessimistisch gegenüber“, erklärt DMB-Vorstand Marc S. Tenbieg. Die hohen Energiekosten (67 Prozent), die Inflation (52 Prozent) und der Fachkräftemangel (50 Prozent) bereiten den DMB-Mitgliedern die größten Sorgen. An vierter Stelle folgt der Materialmangel (35 Prozent) und die andauernden bzw. erneuten Corona-Beschränkungen (15 Prozent). Auf die Zufriedenheit mit der Mittelstandspolitik der Ampel-Regierung wirkt sich das konkret so aus: Rund 84 Prozent der befragten DMB-Mitglieder haben wenig Hoffnung in die weiteren politischen Maßnahmen von SPD, Grünen und FDP.

Besonders in seiner Investitionsbereitschaft scheint der Mittelstand gehemmt. Während 22 Prozent der Unternehmen keine Investitionen in diesem Jahr planen, werden voraussichtlich 30 Prozent der Unternehmen weniger investieren als zuvor. Nur 15 Prozent der befragten Unternehmen stecken mehr Kraft in Investitionen als im Vorjahr. Gründe für die mangelnde Investitionsbereitschaft sind vor allem weltwirtschaftliche Unsicherheiten, zu denen der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, Handelskriege wie zum Beispiel zwischen China und den USA, die weltweite Tendenz in Richtung Abschottungspolitik und die Pandemie zählen. Daneben haben der Fachkräftemangel sowie die hohen Anschaffungskosten einen negativen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft im Mittelstand. Aber auch hohe Kredithürden werden von 23 Prozent der befragten Mittelständlern als Investitionshemmnis angegeben. „Dabei sind Investitionen gerade jetzt wichtig, um nach den krisenreichen Jahren den Aufschwung erfolgreich zu schaffen. Die Regierung muss die kleinen und mittleren Unternehmen dabei unterstützen und schnell spürbare Entlastungen schaffen“, fordert Tenbieg.

Unterstützen können auch Finanzvermittlerinnen und Finanzvermittler – anders als die Bundesregierung allerdings ausschließlich mit Blick auf die hohen Kredithürden und die Frage, wie der Mittelstand künftig an Fremdkapital kommt. Voraussetzung ist, dass sie sich auf das Segment Mittelstandsfinanzierung einlassen – was durchaus lukrativ sein kann, wie Dr. Wolfgang Kuckertz betont. Der Vorstand der Going Public Akademie für Finanzberatung, Weiterbildungsunternehmen aus Berlin, sieht aus drei Gründen große Chancen für Vermittler in diesem Segment: „Zum einen ziehen sich Banken zunehmend aus der Fläche zurück und konzentrieren sich bei der Finanzierung von KMU, also von kleinen und mittleren Unternehmen, auf Standardprozesse und Standardfinanzierungen. Die individuelle hochwertige Beratung fehlt inzwischen bei der Bank und damit auch deren bisheriger Vorteil für Unternehmer.“

Daraus folgt laut Kuckertz automatisch der zweite Grund: „Die Bindung von Unternehmen an ihre Hausbank war früher ein dickes Drahtseil. Da kam keiner dazwischen. Inzwischen ist von diesem Drahtseil nur noch ein ganz dünner Faden übrig geblieben. Ein serviceorientierter Dienstleister vor Ort kann sehr einfach die Rolle der finanzierenden Bank übernehmen, sofern er passende Produktlösungen anbieten kann.“ Der dritte Grund: „Die Digitalisierung hat mehrere Fintechs entstehen lassen, über die Finanzvermittler ein entsprechendes Angebot darstellen können. Kurz: verschwindende Anbieter – Banken – hinterlassen enttäuschte Kunden. Vermittler können mit neuen digitalen Lösungen direkt in die Marktlücke reinspringen.“ Doch wie funktioniert der Sprung in der Praxis?

Regelmäßiger Finanzierungsbedarf der gewerblichen Kunden

Das Berliner Fintech Fincompare ist ein Vergleichsportal, das KMU den digitalen Zugang zu Krediten von Banken und anderen Finanzdienstleistern verspricht. Seit der Gründung 2016 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben Finanzierungsanfragen von rund 15.000 Unternehmen bearbeitet. Dennis Steigerwald, Leiter Partnermanagement Vermittler bei Fincompare, beschreibt den Vermittlungsprozess: „Über unser Partnerportal erfasst der Vermittler die Rahmendaten zum Finanzierungsvorhaben und zum Kunden. Fincompare stellt zusätzlich kostenfrei wichtige Bonitäts- und Unternehmensinformationen zur Verfügung. Über einen Quick-Check prüfen wir auf dieser Basis die grundsätzliche Darstellbarkeit der Finanzierungsvorhaben, da wir Zugang zu allen relevanten Finanzierungsoptionen haben. Dabei liegt unser Fokus auf dem sogenannten ’nicht risikorelevanten Geschäft‘ der Finanzierer bis 750.000 Euro. Darüber hinaus bedarf es häufig einer individuellen Prüfung, die wir mit dem Vermittler separat analysieren und besprechen. Sofern eine Lösung möglich ist, lädt der Vermittler die notwendigen Unterlagen auf unserer Plattform hoch. Die Unterlagen werden automatisiert analysiert und semi-automatisch um wichtige Informationen ergänzt.“

Neben dieser digitalen Unterstützung steht dem Vermittler ein persönlicher Finanzierungsberater zur Verfügung. „Dieser prüft die eingereichten Unterlagen nochmals und platziert die Anfrage bei potenziellen Finanzierungsinstituten. Sollte ein Vermittler einen Vorgang aus fachlichen oder zeitlichen Gründen nicht selbst begleiten können oder wollen, kann er die Beratung des Kunden auch komplett an den Finanzierungsberater übergeben. Der Vermittler bleibt informiert, erfasst aber nur die Rahmendaten zum Kunden und zum Vorhaben“, so Steigerwald.

Der Markt der Mittelstandsfinanzierung biete attraktives Umsatzpotenzial und regelmäßigen Finanzierungsbedarf der gewerblichen Kunden, betont er. „Ein großer Teil der Mittelständler spricht bei Finanzierungsvorhaben ausschließlich mit der Hausbank. Das ist naheliegend, es birgt jedoch auch nur einen eingeschränkten Marktblick. Der Kunde ist abhängig vom Produktportfolio und der Produkt- und Preisstrategie der Hausbank. Die beste Lösung für das Finanzierungsvorhaben könnte dabei verwehrt bleiben. Zudem bauen Hausbanken aufgrund von Kostendruck die individuellen Betreuungskapazitäten für kleinere KMU ab, die aber etwa 90 Prozent des Marktes ausmachen.“ Dies werde strukturell dazu führen, dass der Großteil der deutschen KMU überhaupt keine adäquate Beratung mehr durch Hausbanken erfahren könne. „Aus diesem Grund, sowie der Entwicklung des Marktes für private Finanzierungsvorhaben, bieten sich in der KMU-Finanzierung große Chancen für Vermittler, die sich breiter aufstellen möchten“, sagt Steigerwald.

Ein weiterer Player am Markt ist die Deutsche Industriebank AG (IKB), die als traditionsreicher Finanzierer des deutschen Mittelstands gemeinsam mit Hypoport das Joint Venture fundingport gegründet hat. Als Finanzierungsplattform soll fundingport mittelständische Unternehmen und Finanzierer schnell, effizient und kostengünstig zueinander bringen. „Die Plattform entsteht gerade, wir bauen das Flugzeug im Fliegen, wobei das Plattformgeschäft in der Baufinanzierung als eine Art Blaupause dient“, erläutert Andreas Feustel, Leiter des IKB-Finanzierungsmarktplatzes, im Cash.-Interview. „Auch in der Baufinanzierung haben viele am Anfang das Plattformgeschäft unterschiedlich ernst genommen. Als dann die ersten Anbieter darauf aufmerksam wurden und Chancen witterten, hat sich eine große Dynamik entwickelt. Genau das versprechen wir uns vom Firmenkundengeschäft auch, selbst wenn viele Entscheider in diesem Segment zunächst skeptisch sind. Hier empfehlen wir einen Austausch mit den Verantwortlichen im Privatkundengeschäft. Unser Partner Hypoport hat Banken in der Vergangenheit rund 100 Milliarden Euro Kreditvolumen frei Haus geliefert. Schlussendlich erwarte ich, dass wir immer mehr Passagiere onboarden, die die Chancen der Plattform erkennen, um im Bild zu bleiben.“

Feustel ist sich sicher, dass auch die Mittelstandsfinanzierung „plattformisierbar“ ist. „Eine Mittelstands- und Firmenfinanzierung ist kein ‚Once-in-a-Lifetime-Event‘ wie viele Baufinanzierungen. Sie kommt vielmehr regelmäßig vor. Ich bin davon überzeugt, dass Mittelständler durchaus den Mehrwert darin sehen, einen Ansprechpartner zu haben und das gesamte Angebot des Marktes dort vorzufinden, statt von Bank zu Bank tingeln zu müssen und nur mühsam das beste Angebot zu finden. Dieses Potenzial ist in meinen Augen bei den Banken in Deutschland gänzlich unerschlossen.“

Keine Pflicht zur permanenten Weiterbildung

Die rechtlichen Anforderungen, die Finanzvermittler erfüllen müssen, wenn sie sich auf Mittelstandsfinanzierung spezialisieren wollen, sind gering. Die Vermittlung von Finanzierungen fällt unter den freien Bereich des Paragrafen 34c Gewerbeordnung. Ein Bereich, für den es weder eine Mindestqualifizierungspflicht noch die Pflicht zur permanenten Weiterbildung gibt – eine Gewerbeanmeldung genügt. „Allerdings ist das Geschäft inhaltlich anspruchsvoll und ohne ein Mindest-Know-how nicht leistbar. Damit Vermittler genau wissen, was sie wie tun können, ist also eine Ausbildung erforderlich. Im Idealfall in einer Form, die nach außen auch kommuniziert werden kann“, sagt Kuckertz. Going Public hat deshalb gemeinsam mit der IHK Frankfurt am Main die Qualifizierung „Fachmann/-frau für Unternehmensfinanzierung (IHK)“ entwickelt. „Teilnehmer lernen dort nicht nur, wie Finanzierungen funktionieren. Weiterer Kern der Qualifizierung ist, wie ein Unternehmer zu denken. Zum Teil unterstützen Finanzierungsplattformen diese Ausbildung. Darüber hinaus entwickeln wir gerade mit dem Bundesverband deutscher Leasingunternehmen (BDL) eine vergleichbare Qualifizierung für das Leasinggeschäft.“

Die Ausbildung kann sich lohnen, denn auch mittel- bis langfristig sieht Kuckertz hervorragende Chancen für Vermittler in diesem Segment. „Einen Kredit aufzunehmen ist für einen Unternehmer eine extrem wichtige und oft existenzielle Entscheidung. Damit ist ein persönlicher Ansprechpartner wichtig. Die Digitalisierung ersetzt hier nicht den Berater, sondern ermöglicht dem Berater erst ein entsprechendes Angebot. Die Bindung zwischen dem Unternehmen und dem Berater, der die Finanzierung professionell vermittelt, ist sehr eng“, sagt er. Auch Cross-Selling sei relativ leicht möglich, zum Beispiel im Sachversicherungsbereich. „Zudem ist der Geschäftsbereich selbst sehr lukrativ. Während viele Geschäftsbereiche für Finanzdienstleister in den nächsten Jahren verschwinden werden, gehört dieses Geschäftsfeld klar zu einem der wichtigsten Ertragsbringer der Zukunft.“

Fachliche Expertise ist dafür allerdings zwingende Voraussetzung, das betont auch Steigerwald. „Neben den rechtlichen Voraussetzungen wie der Erlaubnis gemäß Paragraf 34c GewO für die Vermittlung von Darlehen und einer eigenen stabilen Bonität gemäß der Creditreform-Auskunft braucht es betriebswirtschaftliches Basiswissen. Der Markt der Unternehmensfinanzierungen ist umfangreich und die Produktwelt noch nicht besonders standardisiert. Viele Vermittler kennen die Produktwelt der Investitions- bzw. Ratenfinanzierungen aus dem Bereich der Privatkunden und das Leasing gegebenenfalls aus eigener Erfahrung.“ Jedoch gebe es weit mehr: „Wir vergleichen das gerne mit dem Markt der privaten Baufinanzierung vor 15 bis 20 Jahren – auch dort hat sich in punkto Vielfalt, Geschwindigkeit und Automatisierung enorm viel getan. Wer im KMU-Segment erfolgreich sein möchte, sollte also Ausdauer, Flexibilität und die Bereitschaft mitbringen, sich inhaltlich weiterzubilden.”

Das Potenzial jedenfalls sei riesig, so Steigerwald: „Im Gegensatz zu privaten Finanzierungsvorhaben haben Unternehmer regelmäßig und häufiger Finanzierungsbedarf. Fremdkapital gehört zur Unternehmens- und Erfolgsplanung selbstverständlich dazu.“ Nach seiner Einschätzung prägen die vielen positiven Erfahrungen der Kunden mit Plattformen im privaten Umfeld auch die Erwartungen im Geschäftsleben. „Plattformen haben den Markt durchdrungen und damit das Kaufverhalten und die Art zu bezahlen bzw. zu finanzieren in den letzten Jahren enorm geprägt. Diese Veränderung werden wir auch in der Mittelstandsfinanzierung erleben. Und hier gilt: Wer sich frühzeitig am Markt etabliert, wird zu den Gewinnern gehören – ganz gleich ob Finanzierungsinstitut, Vermittler oder Plattform.”

Kim Brodtmann, Cash.

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