Welche Chancen haben Vermittler aktuell im Segment Mittelstandsfinanzierung?
Steigerwald: Der Markt für Vermittler innerhalb der privaten Finanzierungslösungen ist erschlossen und seitens der Kunden längst akzeptiert und sogar gewünscht. Im Gegensatz dazu wird nur ein verschwindend geringer Teil des Volumens der Mittelstandsfinanzierungen über Vermittler abgewickelt. Ein großer Teil der Mittelständler spricht bei Finanzierungsvorhaben ausschließlich mit der Hausbank. Das ist naheliegend, es birgt jedoch auch nur einen eingeschränkten Marktblick. Der Kunde ist abhängig vom Produktportfolio und der Produkt- und Preisstrategie der entsprechenden Hausbank. Die beste Lösung für das Finanzierungsvorhaben könnte dabei verwehrt bleiben. Zudem bauen Hausbanken aufgrund von Kostendruck die individuellen Betreuungskapazitäten für kleinere KMU ab (für Unternehmen unter zehn Millionen Umsatz beispielsweise), die aber etwa 90 Prozent des Marktes ausmachen. Dies wird zukünftig strukturell dazu führen, dass der Großteil der deutschen KMU überhaupt keine adäquate Beratung mehr durch Hausbanken erfahren kann. Aus diesem Grund, sowie der Entwicklung des Marktes für private Finanzierungsvorhaben, bieten sich in der KMU-Finanzierung große Chancen für Vermittler, die sich breiter aufstellen möchten. Der Markt der Mittelstandsfinanzierung birgt attraktives Umsatzpotenzial und regelmäßigen Finanzierungsbedarf der gewerblichen Kunden.
Wie funktioniert die Mittelstandsfinanzierung bei Ihnen konkret? Wie läuft diese ab?
Steigerwald: Der Prozess ist intuitiv und schlank: Über unser Partnerportal erfasst der Vermittler die Rahmendaten zum Finanzierungsvorhaben und zum Kunden. Fincompare stellt zusätzlich kostenfrei wichtige Bonitäts- und Unternehmensinformationen zur Verfügung. Über einen Quick-Check prüfen wir auf dieser Basis die grundsätzliche Darstellbarkeit der Finanzierungsvorhaben, da wir Zugang zu allen relevanten Finanzierungsoptionen haben. Dabei liegt unser Fokus auf dem sogenannten “nicht risikorelevanten Geschäft” der Finanzierer bis 750.000 Euro. Darüber hinaus bedarf es häufig einer individuellen Prüfung, die wir mit dem Vermittler separat analysieren und besprechen. Sofern eine Lösung möglich ist, lädt der Vermittler die notwendigen Unterlagen auf unserer Plattform hoch. Die Unterlagen werden automatisiert analysiert und semi-automatisch um wichtige Informationen ergänzt. Neben dieser digitalen Unterstützung steht dem Vermittler ein persönlicher Finanzierungsberater zur Verfügung. Dieser prüft die eingereichten Unterlagen nochmals und platziert die Anfrage bei potenziellen Finanzierungsinstituten. Sollte ein Vermittler einen Vorgang aus fachlichen oder zeitlichen Gründen nicht selbst begleiten können oder wollen, kann er die Beratung des Kunden auch komplett an den Fincompare-Finanzierungsberater übergeben. Der Vermittler bleibt informiert, erfasst aber nur die Rahmendaten zum Kunden und zum Vorhaben.
Welche Anforderungen sollte ein Finanzvermittler erfüllen, der sich auf Mittelstandsfinanzierung spezialisieren will?
Steigerwald: Neben den rechtlichen Voraussetzungen wie der Erlaubnis gemäß Paragraf 34c der GewO für die Vermittlung von Darlehen und einer eigenen stabilen Bonität gemäß der Creditreform-Auskunft braucht es betriebswirtschaftliches Basiswissen. Der Markt der Unternehmensfinanzierungen ist umfangreich und die Produktwelt noch nicht besonders standardisiert. Viele Vermittler kennen die Produktwelt der Investitions- bzw. Ratenfinanzierungen aus dem Bereich der Privatkunden und das Leasing gegebenenfalls aus eigener Erfahrung. Jedoch gibt es weit mehr: Wir vergleichen das gerne mit dem Markt der privaten Baufinanzierung vor 15 bis 20 Jahren – auch hier hat sich in punkto Vielfalt, Geschwindigkeit und Automatisierung enorm viel getan. Wer im KMU-Segment erfolgreich sein möchte, sollte also Ausdauer, Flexibilität und die Bereitschaft, sich inhaltlich weiterzubilden, mitbringen.
Wie weit ist der Bereich Mittelstandsfinanzierung in Sachen Automatisierung/Digitalisierung?
Steigerwald: Die Branche ist noch am Anfang. Einige wenige (alternative) Finanzierer haben bereits digitale bzw. automatisierte Prozesse und Entscheidungswege. Die meisten Institute aber noch nicht. Hier gibt es viele verschiedene Prozesse, die wir über die Vermittlerplattform nach und nach vereinheitlichen und digitalisieren. Für den Vermittler haben wir das bereits in großen Teilen über unsere Plattform geschafft – zumindest bis zum Antrag beim Finanzierer. Grundsätzlich kann man auch hier sagen: Es ist Pionierarbeit zu leisten – wir sehen es als unseren Auftrag an, die Bankenlandschaft für KMU-Finanzierungen bei der Digitalisierung zu unterstützen, um Vermittlern die besten Finanzierungsprodukte optimal zugänglich zu machen.
Das Thema ESG wächst dynamisch. Wie groß ist seine Rolle im Bereich Mittelstandsfinanzierung im Moment?
Steigerwald: Im Moment ist es ein großes Thema, das aber noch nicht konkret in der standardisierten Mittelstandsfinanzierung angekommen ist.
Wie schätzen Sie mittel- bis langfristig die Chancen für Vermittler in diesem Segment ein?
Steigerwald: Das Potenzial ist riesig und wir stehen erst am Anfang. Im Gegensatz zu privaten Finanzierungsvorhaben haben Unternehmer regelmäßig und häufiger Finanzierungsbedarf. Fremdkapital gehört zur Unternehmens- und Erfolgsplanung selbstverständlich dazu. Nach unserer Einschätzung prägen die vielen positiven Erfahrungen der Kunden über Plattformen im privaten Umfeld auch die Erwartungen im Geschäftsleben. Plattformen haben den Markt durchdrungen und damit das Kaufverhalten und die Art zu bezahlen bzw. zu finanzieren in den letzten Jahren enorm geprägt. Diese Veränderung werden wir auch in der Mittelstandsfinanzierung erleben. Und hier gilt: Wer sich frühzeitig am Markt etabliert, wird zu den Gewinnern gehören – ganz gleich ob Finanzierungsinstitut, Vermittler oder Plattform.
Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.