Ein Anzeichen für die wachsende Erwartung, dass Biden sich zurückziehen würde, war die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs von Trump seit dem 15. Juli von einem Rekordhoch von 66 Prozent auf 58 Prozent am vergangenen Freitag zugunsten von Kamala Harris gesunken war. Die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs von Trump könnte nach der Neuordnung der demokratischen Kandidatur weiter sinken, dürfte aber angesichts der starken Dynamik der Trump-Vance-Kampagne auf einem hohen Niveau bleiben.
Aus Sicht der Märkte führt dieses eher seltene politische Ereignis – das letzte Mal 1968, als Präsident Johnson zurückgetreten ist – zu einer gewissen Volatilität, insbesondere da die Konjunktur Anzeichen einer Verlangsamung zeigt und die vierteljährlichen Gewinnberichte ebenfalls einige Schwächen, insbesondere im Konsumsektor, erkennen lassen.
Andererseits könnte dies den Fluss des „Trump Trade“ verringern, der mit Maßnahmen verbunden ist, die als reflationär angesehen werden, wie die Erhöhung der allgemeinen Zölle um 10 Prozent, die 60-prozentige Steuer auf chinesische Produkte, die Senkung des Körperschaftsteuersatzes, Maßnahmen zur Eindämmung der Migrationsströme und regulatorische Änderungen. Dennoch zeigt sich, dass die mit Trump verbundenen Umschichtungsströme noch nicht massiv waren und die weiterhin hohe Wahrscheinlichkeit für das republikanische Lager könnte die Attraktivität des „Trump Trade“ aufrechterhalten.
Kurzfristig wäre es nicht überraschend, wenn europäische risikobehaftete Anlagen nach mehreren Wochen deutlicher Underperformance gegenüber den USA nach dem Rückzug Bidens wieder etwas aufholen würden. In der Tat zeigen mehrere ökonometrische Studien, dass ein Wiederaufflammen der starken Handelskonflikte im Zusammenhang mit Trump erhebliche Auswirkungen auf das europäische Wachstum haben würde (etwa 1 Prozent). Wir gehen davon aus, dass sich die laufende Sektorrotation fortsetzen wird und dass die jüngste Underperformance des Technologiesektors eher von der bevorstehenden Berichtssaison als von der innenpolitischen Lage abhängen wird.
Was den Dollar betrifft, so hat sich der republikanische Kandidat für eine Abwertung des Greenback im dringenden Interesse der amerikanischen Fertigungsindustrie ausgesprochen. Wir sehen den Dollarrückgang im Juli eher als Reaktion auf die Lockerung der US-Zinspolitik und die bevorstehende erste Zinssenkung der FED im September. In Erwartung neuer Daten dürfte sich der Dollar daher stabilisieren. Längerfristig wird die Ausweitung der US-Defizite die Frage nach der Nachhaltigkeit ihrer Finanzierung und der Bewertung des Dollars aufwerfen.