In den letzten zehn Jahren haben Anleger davon profitiert, das niedrige (oder sogar negative) Zinsumfeld in Japan zu nutzen, um ein „Carry-Trade“ zu betreiben, d.h. sich japanische Yen oder Staatsanleihen zu leihen, um dieses Kapital in einem anderen Land mit höherer Rendite zu reinvestieren. Branchenschätzungen zufolge könnten bis zu 20 Billionen Dollar direkt oder indirekt in solche Carry Trades geflossen sein, was etwa 15 Prozent der weltweiten Aktienmarktkapitalisierung entspricht.
Am 31. Juli wurde diesen Aktivitäten ein jähes Ende gesetzt, als die Bank of Japan (BoJ) ihren Leitzins auf etwa 0,25 Prozentpunkte anhob, möglicherweise um die Abwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar zu bremsen. Zudem wolle die BoJ ihre monatlichen Anleihekäufe von Januar bis März 2026 von derzeit rund 6 auf 3 Billionen Yen reduzieren.
Während die US-Notenbank Fed die Zinssätze im Juli unverändert ließ, scheinen die Marktteilnehmer damit begonnen zu haben, die Carry Trades aufzulösen, vielleicht aus der Not heraus (d. h. aufgrund von Nachschussforderungen).
Die Märkte reagierten daraufhin heftig, und es scheint, dass wohl auch breite Aktienindices, die stark auf die „Magnificent 6“ (also die „Magnificent 7“ ohne Tesla) konzentriert sind, durch die Hebelung in die Höhe getrieben worden waren und mit der Auflösung der Carry Trades in eine Liquidierungsspirale gerieten.
Hinzu kommt die wirtschaftliche Lage in den USA: So sank der ISM Purchasing Managers Index (Einkaufsmanager-Index) für das verarbeitende Gewerbe im Monatsvergleich um 3,5 Prozent, während die US-Arbeitslosenquote im Juli gegenüber dem Vormonat um 0,2 auf 4,3 Prozent anstieg.
Eine auf leisen Sohlen fortschreitende Rezession drückt sich ebenfalls in der Schwäche am Markt für Gewerbeimmobilien aus, die nun auch auf Mehrfamilienhäuser übergreift. Hinzu kommt ein Abflauen der Autoverkäufe, ein Rückgang der Investitionsausgaben und des Verbrauchervertrauens. Wer über die Kerninflationszahlen hinausschaut, wird feststellen, dass die Preise im Groß- und Einzelhandel drastisch gesunken sind und sich unsere Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen Desinflation zu bewahrheiten scheinen.
Die Fed reagiert auf all diese Probleme nicht etwa verspätet, sie reagiert noch nicht einmal auf die Signale – etwa durch die Absenkung der Zinsen. Die Marktturbulenzen zeigen, wie schlecht es um die Wirtschaft bestellt ist und wie sich jedes Zögern nachteilig auswirken kann. Der Wirtschaftswissenschaftler Jeremy Siegel forderte einstweilen gar einen „Emergency Rate Cut“ von 0,75 Prozent, und zwar noch vor der bereits für September angekündigten Senkung um 75 Basispunkte.
Die aktuelle Marktvolatilität zeigt sich auch durch den Anstieg des Aktienvolatilitätsindex VIX am 5. August und weckt Erinnerungen an den Schwarzen Montag 1987 sowie die Große Finanzkrise 2008. 1987 versuchten viele, zur gleichen Zeit Kasse zu machen, ähnlich wie diejenigen, die sich heute auf den Carry-Trade mit Japan verlassen. Der Yen-Carry-Trade, der über viele Jahre hinweg konstante Renditen lieferte, war wahrscheinlich gehebelt und schadet heute makroorientierten Strategien überproportional. Wie 1987 könnten die Auswirkungen begrenzt sein, anders als in der Großen Finanzkrise, als die breit gefächerten Aktienmärkte ihren Tiefpunkt erst im März 2009 erreichten. Trotz anschließender Rezession boten sich damals schon Monate später unglaubliche Kaufgelegenheiten und dies führte zu einer langanhaltenden Hausse, insbesondere bei Technologie- und innovationsorientierten Unternehmen.
Breiterer Marktfokus mit Potenzial für disruptive Innovation
Wir sind der Ansicht, dass Aktien für disruptive Innovationen in diesem Umfeld aufgrund ihres relativ hohen Beta-Anteils zwar anfällig für Volatilität sind, aber von der Verlagerung von Inflation zu Desinflation, technologischem Rückenwind, einer aufgeschlosseneren US-Notenbank und der allgemein zunehmenden Marktverbreiterung profitieren können.
Auch wenn die Fed vielleicht aktuell falsch gehandelt hat, ist sie nun gezwungen, die wirtschaftliche Schwäche neu zu bewerten. Der Marktschock sollte ihr erlauben, ihre Geldpolitik zu lockern, dabei aggressiver vorzugehen und sensibler auf systemische Risiken zu reagieren. Unserer Ansicht nach ist eine Zinssenkung noch vor September zu erwarten. Denn die Stimmung innerhalb der Fed scheint sich zu wandeln, da einzelne Akteure erklären, dass sie neue Daten, die nicht ignoriert werden können, berücksichtigen werden.
Wir sind der Meinung, dass der breitere Markt, einschließlich der Werte außerhalb der Benchmark und der Aktien außerhalb der Megacaps, ein überzeugendes Aufwärtspotenzial haben, wenn sich die Inflation und die Zinssätze weiter abschwächen, worauf die jüngsten Entwicklungen hindeuten. Kunden sollten das Risiko in ihren Portfolios abseits konzentrierter Standard-Investments diversifizieren, was der Performance nach einem Marktschock tendenziell zugutekommt. Die Märkte können sich sowohl in einem „Aufholszenario“ als auch – aktueller – in einem „Abwärtsszenario“, das wir in der vorvergangenen Woche beobachtet haben, verbreitern.
Autorin Cathie Wood ist CIO von Ark Invest.