Die Daten sprechen für weiter hohe oder sogar zunehmende Inflationsraten. Noch immer steigen Energiepreise, Importpreise und Erzeugerpreise rasant. „Bis diese Preiserhöhungen sich vollständig in den Verbraucherpreisen widerspiegeln, dürften auch noch einige Monate vergehen“, sagt Mlinaric. „Entsprechend wird uns die aktuelle Phase hoher Inflation noch eine ganze Zeit begleiten.“ Der von vielen Marktbeobachtern vermutete Basiseffekt, der zu einem baldigen deutlichen Rückgang der Inflationsraten führen sollte, ist nicht zu sehen.
Dazu kommt, dass langsam, aber sicher nun auch die Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt: Erste Tarifabschlüsse über 4,7 Prozent im Handel sowie sichtbare Anpassungen der arbeitnehmerseitigen Forderungen in den laufenden Tarifrunden deuten darauf hin, dass die Tarifrunden mit höheren Lohnforderungen einhergehen werden als in den vergleichsweise moderaten Vorjahren. Diese wird die hohen Inflationsraten bis weit in das kommende Jahr tragen – womöglich noch länger.
Das Problem: Zur Stärke der Inflation gesellt sich eine Schwäche der Konjunktur. Die Automobilbranche in Deutschland meldete für September einen Rückgang der Neuzulassungen über das Jahr von knapp 26 Prozent. Auch der Rückgang der Arbeitslosenquoten, über die vergangenen Monate verlässlicher Indikator der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone, kam zuletzt zum Erliegen. Und mehr noch: Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe gingen im August binnen Monatsfrist um 7,7 Prozent zurück. „Abgesehen von der wirtschaftlichen Vollbremsung im März und April 2020 ist das der größte Rückgang innerhalb eines Monats in den vergangenen 30 Jahren“, sagt Mlinaric. Zugleich waren auch die Umsätze im verarbeitenden Gewerbe im August mit minus 5,9 Prozent stark rückläufig.
Auch die wirtschaftliche Verlangsamung infolge der Energieknappheit in China entfaltet bereits ihre bremsende Wirkung. So sind die Frachtraten zwischen China und der US-Westküste innerhalb weniger Tage um fast die Hälfte zurückgegangen, ein sichtbares Zeichen der rückläufigen Produktion von Waren.
„Diese Kombination aus anhaltend hoher Inflation und steigendem Gegenwind für das Wirtschaftswachstum lässt das Risiko einer Stagflation in Deutschland, aber auch im Euroraum, konkrete Formen annehmen“, sagt Mlinaric. Stagflation, als Kombination aus hohen Inflationsraten und stagnierendem Wirtschaftswachstum, wäre derzeit besonders problematisch. „Die Politik hat immer weniger Mittel, das Wachstum wieder in Gang zu bringen“, so Mlinaric. „Wo die Haushalte angespannt sind, die Geldpolitik kaum noch Wirkung entfaltet und Strukturreformen zu lange dauern würden, ist davon auszugehen, dass in diesem Falle die Spirale der Staatsverschuldung noch einmal an Fahrt aufnehmen dürfte.“ Für Anleger sind das unruhige Zeiten.