Ein weiteres, durch die Pandemie geprägtes Jahr liegt hinter uns. Wie hat sich das Geschäft bei der Deutschen Bank, der DSL Bank, Starpool und der BHW Bausparkasse entwickelt?
Annabrunner: Wenn ich auf das Partnergeschäft in der Privatkundenbank Deutschland schaue, bin ich sehr zufrieden. Unser Ziel war in Anbetracht der schwierigen Rahmenbedingungen durchaus ambitioniert. Wir wollten ertragreiches Wachstum und das ist uns geglückt – sowohl im Neugeschäft als auch in den Beständen. Dies gilt nicht nur für die Volumina, sondern auch margenseitig. Jede unserer Marken im Konzern hat unsere Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern liegt sogar an der einen oder anderen Stelle weit darüber. Trotz der Einschränkungen durch die Pandemie hat im vergangenen Jahr wieder ein Stück mehr Normalität Einzug gehalten.
Wie hat sich die Nachfrage nach Produkten verändert?
Annabrunner: Unsere Kundinnen und Kunden haben erkannt, dass in absehbarer Zeit mit einer Erhöhung der Zinsen zu rechnen ist. Darauf stellen sich die Endverbraucher ein. Es zeichnen sich verschiedene Veränderungen im Kundenverhalten ab, die dieser Entwicklung Rechnung tragen. Großes Interesse haben die Kunden aktuell an langen Darlehenslaufzeiten; hier ist die Nachfrage groß. Am häufigsten werden Laufzeiten von 15 Jahren abgeschlossen. Das sorgt für Unabhängigkeit von den Entwicklungen des Zinsmarktes. Wer eine laufende Baufinanzierung mit variablem Zins abgeschlossen hat, überlegt jetzt häufig, auf ein Festzinsdarlehen umzusteigen.
Ein weiterer Trend, der sich abzeichnet, ist der Abschluss eines Bausparvertrages. Viele Finanzierende entscheiden sich dafür, um am Ende der Zinsfestschreibung den Restbetrag ganz oder teilweise umzuschulden. Wir sehen weiterhin, dass die Nachfrage nach Forward-Darlehen wächst. Vor allem Kunden, die in absehbarer Zeit eine Anschlussfinanzierung benötigen, prüfen aktuell ein Forward-Darlehen als Alternative zum traditionellen Anschlusskredit. Bereits 2021 hat sich der Anteil der Forward Darlehen spürbar nach oben entwickelt, diese Tendenz setzt sich fort. Zu dieser Entwicklung trägt sicher auch die angekündigte Verschärfung der regulatorischen Bestimmungen ihren Teil bei.
Noch ist nicht klar, wie lange die Inflation auf dem aktuellen Niveau verharren wird. Fest steht aber wohl, dass sie auf absehbare Zeit höher ausfallen wird als in den letzten Jahren. Welche Auswirkungen hat das auf das Baufinanzierungsgeschäft?
Annabrunner: Solange die Zinsen trotz einer höheren Inflation niedrig bleiben, dürfte sich die Nachfrage nach Immobilien und Baufinanzierungen weiterhin positiv entwickeln. Denn „Betongold“ ist als Schutz vor einer preisbedingten Entwertung von Geldvermögen sehr gefragt – und hat sich jahrzehntelang bewährt. Wenn allerdings die Europäische Zentralbank stark auf die Zinsbremse treten sollte und die Baufinanzierungs-Zinsen in der Folge stark steigen, dürfte darunter auch der Wohnimmobilienmarkt leiden. Zunächst würde es dann vermutlich zu einem bekannten Effekt kommen: Im Vorfeld von Zinserhöhungen steigt vor allem die Nachfrage nach langfristigen Baufinanzierungen häufig noch einmal an, weil sich viele das noch günstige Zinsniveau für eine möglichst lange Zeit sichern wollen. Diesen Trend sehen wir bei unseren Abschlüssen bereits.
Mittlerweile mehren sich auch die Stimmen im Markt, die in diesem Jahr ein Anziehen bei den Baufi-Zinsen prognostizieren. Wie fällt Ihre Bewertung aus?
Annabrunner: Die durchschnittlichen Hypothekenzinsen für Dar- lehen mit fünf- bis zehnjähriger Zinsbindung lagen zuletzt unverändert bei niedrigen 1,10 Prozent. Wir erwarten jedoch, dass sich das Baugeld angesichts einer strafferen Geldpolitik und steigender Kapitalmarktzinsen im laufenden Jahr verteuern wird. Die Hypothekenzinsen könnten bis Ende 2022 auf 1,45 Prozent steigen. Verglichen mit einem Zinsniveau von rund fünf Prozent im Jahr 2008 bleibt Wohneigentum aber damit zumindest zinsseitig immer noch erschwinglich. Höhere Zinsen in Kombination mit weiter steigenden Immobilienpreisen würden aber den Kauf von Haus oder Wohnung für viele Normalverdiener und Familien weiter erschweren.
Welche Faktoren werden die Lage am Immobilienmarkt 2022 am stärksten beeinflussen?
Annabrunner: Grundsätzlich wird sich an der hohen Nachfrage nach Immobilien zur Eigennutzung und als Kapitalanlage auch 2022 nichts ändern. Das gilt leider auch für die Preisentwicklung: Bauland ist – und bleibt – vielerorts knapp frage nicht. Dieser Aufwärtstrend wird durch die Verteuerung von Rohstoffen und schärfere Anforderungen an die Energieeffizienz weiter verstärkt. Die niedrigen Bauzinsen werden aber auch weiter vielen Haushalten den Erwerb eines Eigenheims ermöglichen. Zudem haben – wie oben erwähnt – viele Bauwillige und Anleger erkannt, dass sich Immobilien hervorragend als langfriste Kapitalanlage mit hohem Inflationsschutz eignen. Darum werden die Preise für Häuser und Wohnungen auch 2022 weiter steigen und das Angebot deckt die Nachfrage nicht.
Im Dezember 2021 meldeten die amtlichen Gutachterausschüsse, dass von 2010 bis 2020 gebrauchte Eigentumswohnungen um 85 Prozent, Ein- und Zweifamilienhäuser um 75 Prozent und Baugrundstücke um etwa 65 Prozent teurer geworden seien. Inwieweit gibt diese Entwicklung nunmehr doch Anlass zur Sorge für das Entstehen einer Preisblase in bestimmten Metropolen und Regionen?
Annabrunner: Natürlich sehen wir einige regionale Überhitzungs- tendenzen. Das gilt vor allem für die Metropolen und Großstädte und teilweise auch deren Umland. Aber abgesehen davon gibt es nach wie vor keine Hinweise auf eine allgemeine Preisblase am deutschen Wohnimmobilienmarkt. Laut dem Erschwinglichkeitsindex der OECD sind deutsche Wohnimmobilien in Relation zum Einkommen immer noch deutlich günstiger zu bekommen als beispielsweise in den 1980er Jahren. Dennoch ist das Angebot an Wohnungen und Häusern – gemessen am geschätzten Bedarf – viel zu niedrig. Dazu kommen die seit Jahren zu geringen Fertigstellungszahlen bei Neu- bauten. Sofern die Zinsen nicht stark steigen, ist daher kaum mit einem Ende des Preisanstiegs bei deutschen Wohnimmobilien zu rechnen.
Zu Beginn der Pandemie gab es den Trend einer verstärkten Nachfra- ge nach Wohnraum in der Peripherie der Städte bzw. auf dem Land. Hat sich die damalige Momentaufnahme zu einer nachhaltigen Ent- wicklung verfestigt?
Annabrunner: Für eine abschließende Bewertung ist es aus meiner Sicht noch zu früh. Aber es steht fest, dass die Pandemie das Ver- hältnis der Menschen zu ihrem Wohnraum nachhaltig verändert hat. Der Wunsch nach mehr Natur, nach Garten und ausreichend Platz in den eigenen vier Wänden war keine situationsbedingte Eintagsfliege, sondern ist ein dauerhafter Wunsch. Wer vor Corona eine Dreizim- merwohnung hatte, sucht jetzt eine Vierzimmerwohnung, weil er zusätzlich ein Büro oder auch zwei einrichten will, wenn beide Partner im Homeoffice arbeiten. Wenn sich das durchsetzt, werden wir perspektivisch zunehmend hybride Arbeitsplätze bekommen, die dann durchaus auch in den ländlichen Regionen zu finden sind – sofern dort die Infrastruktur stimmt.
Welche Preisentwicklung nehmen Sie im Umland derzeit wahr?
Annabrunner: Tatsächlich sind die Preise von Wohnimmobilien auf dem Land beziehungsweise im Umfeld von Städten in jüngster Zeit teilweise stärker gestiegen als in den Metropolen selbst. Das könnte darauf hindeuten, dass sich die Nachfrage nach Wohnraum im Verlauf der Pandemie zugunsten peripherer Lagen verschoben hat.
Kommen wir zum Megatrend Nachhaltigkeit bzw. „grüne Baufinanzierung“. Die EU-Taxonomie ist auch im Immobiliensektor in den Bereichen Neubauten, Sanierungen sowie Erwerb und Eigentum von Gebäuden in Kraft. Viele Marktteilnehmer kritisieren jedoch das Fehlen von Standards und die mangelnde Klarheit bei der Umsetzung von ESG. Teilen Sie diese Einschätzung?
Annabrunner: Die EU-Taxonomie bietet dem gesamten Finanzsektor eine Orientierung. Wir brauchen einen einheitlichen Ansatz bei der Einstufung wirtschaftlicher Aktivitäten. Durch die Definition dessen, was eigentlich nachhaltig oder „ grün“ ist, wird endlich eine wichtige Bewertungsgrundlage für ESG-Produkte geschaffen. Bei der praktischen Umsetzung der Bewertungen stehen wir noch ganz am Anfang. Die Unternehmen ringen derzeit um Interpretation und Deutung dieser Grundlage in der Praxis. Um die erforderlichen Bewertungen vornehmen zu können, müssen entsprechende digitale Programme entwickelt und die notwendigen Prozesse aufgesetzt werden. Das ist eine große Herausforderung.
Und nicht zu vergessen: Wenn wir uns dauerhaft in Richtung einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft bewegen wollen, müssen wir auch Übergangsaktivitäten unterstützen. Daher spielt der Transformationsaspekt für Bereiche, in denen ein nachhaltiger Wandel ein längerfristiges Unterfangen ist, eine wichtige Rolle. Auch dieser Gesichtspunkt muss in die Bewertungen einbezogen werden.
Welchen Beitrag kann die Baufinanzierung generell beim Thema ESG und Nachhaltigkeit leisten?
Annabrunner: Als Konzern bemühen wir uns, die Auswirkungen unserer nachhaltigen Finanzierungs- und Anlageaktivitäten zu messen und die Ergebnisse auszuwerten. Das betrifft beispielsweise auch den Carbon Footprint unserer Kundinnen und Kunden. Durch den Beitritt zur Net-Zero Banking Alliance Germany haben wir uns verpflichtet, bis 2022 den CO2-Fußabdruck unseres Kreditportfolios offenzulegen und Reduktionsziele zu entwickeln. Allerdings muss die Messung dieser Auswirkungen noch verbessert werden. Aber dies ist kein Problem der Deutschen Bank, sondern eines der gesamten Finanzbranche und der Wirtschaft.
Lassen Sie uns das jetzt einmal konkret auf ein Produkt herunterbrechen. In der Baufinanzierung ist ein Darlehen per se erst einmal nicht nachhaltig. Einige prozessuale Faktoren können wir im Zuge unserer Nachhaltigkeitsbemühungen sicherlich optimieren, wie z.B. den Papierverbrauch. Hier versuchen wir, mit elektronischen Antragswegen so effektiv und ressourcenschonend wie möglich zu sein. Was die Baufinanzierung aber mittelbar nachhaltig macht, ist der Verwendungszweck des Geldes.
Wenn also mit dem Darlehen ein Neubau mit guter Energieeffizienz entsteht, dann führt diese Baufinanzierung zu einer verbesserten Energiebilanz und das Darlehen ist „grün“. Über die Darlehen, die wir vermitteln, können wir also Nachhaltigkeit fördern. Darum unterstützen wir „grünes“ Bauen, zum Beispiel mit dem BHW KlimaDarlehen, das ausschließlich für energieeffiziente Baumaßnahmen eingesetzt werden darf.
Wie bespielen Sie bei den Marken, für die Sie verantwortlich sind, also Deutsche Bank, DSL Bank und BHW, das Thema produktseitig?
Annabrunner: Die Notwendigkeit zur Veränderung unseres Umgangs mit den endlichen Ressourcen betrifft uns alle. Hier müssen wir als Konzern Teil der Lösung sein. Mit dem KlimaDarlehen, dem „Förder-Service“ und der Nachhaltigkeitsinitiative „Heizungstausch leicht gemacht“ hat die BHW Bausparkasse Produkte im Angebot, die es dem Endkunden ermöglichen, klimabewusst zu modernisieren oder zu bauen. Bis zum Antragsstopp der KfW für alle KfW-Programmvarianten in der BEG haben wir, die DSL Bank, die Aktion „Energieeffiziente Baufinanzierung“ angeboten. Darüber subventionieren wir energieeffizientes Bauen mit einem Zinsnachlass. Jetzt kommt es darauf an, wann die Bundesregierung mit einem neuen Förderkonzept für energieeffizientes Bauen und Sanieren an den Start geht. Bis dahin geben wir unseren Vertrieben gut umsetzbare Lösungen für den Kunden an die Hand.
Wir sprachen seinerzeit über die Existenz eines Dschungels an Fördermöglichkeiten. Wie kann ich als Baufinanzierungskunde sicher sein, alle und vor allem die richtigen Fördermöglichkeiten für energetisches Bauen und Sanieren im Blick zu haben?
Annabrunner: Die Menge verschiedener Angebote und Förderverfahren kann zu einer echten Hürde bei der Suche nach dem passenden Programm werden. Hier ist der Berater mit seiner Erfahrung, Kompetenz und dem exklusiven Zugang zu Informationen gefragt. Mit den neuen „grünen“ Produkten und Features verfügen unsere Partner und Partnerinnen über Instrumente, um auch eine umweltbewusste Kundenklientel erfolgreich zu beraten. Sie profitieren dabei beispielsweise neben dem BHW Förder-Service auch von der Febis Förderdatenbank in Starpool.
Hier werden alle Fördermöglichkeiten berücksichtigt und damit eine individuelle Beratung je nach Investitionswunsch und Region ermöglicht. Die Sorge, üppige Förderung könnte die Finanzierungsvolumina schmälern, halte ich für unbegründet. Oft wird das geplante Projekt sogar erst durch die öffentlichen Mittel möglich. Honoriert wird das durch Vertrauen und eine gute, tragfähige Kundenbeziehung. Hier ist Flexibilität und Engagement der Partnerinnen und Partner gefragt – und auch die Bereitschaft, das Potenzial für ein neues Geschäftsmodell zu erkennen.
Wie gehen Ihre Finanzierungsberater und -vermittler gegenwärtig überhaupt mit dem Thema ESG im Austausch mit den Kunden um? Ist die grüne Baufinanzierung ein Push- oder Pull-Geschäft?
Annabrunner: Das Thema wird nicht von unserer Agenda verschwinden. Ausschlaggebend ist hier die Kundennachfrage. Wer sich beruflich mit der Vermittlung von Baufinanzierungsprodukten beschäftigt, weiß, dass die Beratungspraxis zunehmend von Nachhaltigkeitsaspekten geprägt sein wird. Bereits jetzt ist es ja
so, dass gerade in der jungen Generation die Tendenz vorhanden ist, bei Kauf oder Sanierung nicht nur Kosten zu sparen und Energieauflagen zu erfüllen, sondern auch die Umwelt zu schonen. Am Thema Nachhaltigkeit führt in der Baufinanzierung kein Weg mehr vorbei, sowohl beim Neubau als auch bei Modernisierungsvorhaben.
Trotz aller Förderung wird das Ziel der CO2-Reduktion das Bauen weiter verteuern. Wie viel Klimaschutz verträgt das Wohnen, bevor auch die Baufinanzierung nachhaltig darunter leidet?
Annabrunner: Ich bin davon überzeugt, dass der Weg zu mehr Klimaschutz beim Bauen eine positive Einbahnstraße ist. Nachhaltig wird zum neuen „Normal“ werden und mit einem positiven Image aufgeladen. Die ressourcenschonende Immobilie ist dann ein Prestige-Objekt, das nicht nur einer kleinen, ökologisch orientierten Klientel vorbehalten ist. Allerdings ist dieser Wertewandel noch nicht so etabliert, das „grüne“ Produkte wirklich massentauglich – und damit auch günstiger – werden.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.