Der ESG-Fondsmarkt in Deutschland wächst dynamisch: Das in nachhaltigen Fonds angelegte Vermögen hat inzwischen die Marke von 100 Milliarden Euro überschritten. Rund die Hälfte davon liegt in Publikumsfonds. Auch das Neugeschäft legte kräftig zu.
Im ersten Halbjahr 2020 verzeichneten nachhaltige Fonds Nettozuflüsse von 7,2 Milliarden Euro. Davon steuerten allein nachhaltige Publikumsfonds 7,7 Milliarden Euro bei (siehe Grafik); im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 ist das eine Steigerung um 160 Prozent. Gleichzeitig flossen aus nicht nachhaltigen Fonds 3,4 Milliarden Euro ab. Die i m BVI bereits 2012 formulierten „Leitlinien zum verantwortlichen Investieren“ haben in der Branche eine Entwicklung in Gang gesetzt, die inzwischen beeindruckende Ergebnisse liefert: Über 96 Prozent des Wertpapierfondsbestandes wird heute von BVI-Mitgliedern ver-waltet, die die Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen (UN PRI) anwenden.
Auswahlkriterien variieren stark
Eine Analyse von ausgewählten, reifen ESG-Märkten in der EU auf Basis von Morningstar-Daten zeigt zudem, dass einige Länder offenbar strengere Maßstäbe an ihre nachhaltigen Fonds setzen als andere. Zum Beispiel gibt es nur in Deutschland, Schweden und Norwegen Fonds, die unter gleichzeitiger Anwendung der fünf Ausschlusskriterien wie Kernkraft, Kohle, geächtete Waffen, Tabak und schwerwiegende Verstöße gegen die UN-PRI investieren. Holland, Frankreich und England hingegen weisen keine solchen Nachhaltigkeitsfonds aus.
„Nachhaltigkeitsregulierung muss klare Standards schaffen“
Das ist das Teil-Ergebnis einer BVI-Studie, die demnächst erscheinen wird. „Der Trend zu nachhaltigen Anlagen ist in Deutschland ungebrochen. Damit das weiter so bleibt, setzen wir uns für eine Regulierung ein, die diese Entwicklung stärkt statt schwächt“, sagt Thomas Richter,Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI. „Nachhaltigkeitsregulierung muss klare Standards schaffen und Grünwäscherei unterbinden.“ Ein stures Festhalten am Fahrplan der Offenlegungsverordnung könne es daher aus Sicht des BVI nicht geben.
Richter weiter: „Die Marktakteure in manchen EU-Mitgliedstaaten scheinen zu glauben, dass sie sich mit den Aufsehern auf einen „comply or explain“-Ansatz verständigen und Anlegern Informationen nur häpp-chenweise zur Verfügung stellen können. Das ist nicht unser Rechtsverständnis, es verhindert ein Level Playing Field innerhalb der EU und es verwirrt die Anleger.“ Damit würde letztlich Vertrauen verspielt.
Verschiebung der EU-Verordnung auf 2022
Zum Hintergrund: Fonds müssen bis zum Inkrafttreten der Verordnung am 10. März 2021 Vorlagen für Informationen zur Nachhaltigkeit in ihre Verkaufsprospekte aufnehmen. Die Vorlagen werden von den
ESAs entwickelt und frühestens Ende Januar 2021 vorliegen. Den Fondsgesellschaften bleiben damit gerade einmal fünf Wochen Zeit, die Anlegerinformationen anzupassen. Um europaweit einheitliche Standards zu etablieren, fordert der BVI, den Start der Offenlegungsverordnung auf Anfang 2022 zu verschieben, auch um einen Gleichlauf mit dem Inkrafttreten weiterer Taxonomie-Informationspflichten zu ermöglichen und den Vertrieb der Produkte nicht zu behindern.