Frau Donat, Nachhaltigkeit, bei den Vereinten Nationen länger bereits auf der Agenda, entwickelt sich gerade in diesem Jahr speziell in Europa – nicht zuletzt aufgrund es EU Green Deals – zum beherrschenden Thema. Warum lassen sich Nachhaltigkeit und Healthcare so gut miteinander verbinden?
Donat: „Gesundheit und Wohlergehen“ – so lautet Ziel 3 der insgesamt 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, kurz SDGs. Was so logisch und nachvollziehbar klingt, ist für viele Menschen rund um den Planeten allerdings leider keine Selbstverständlichkeit.
Im Gegenteil: Schätzungen der „Access to Medicine Foundation“ zufolge haben rund zwei Milliarden Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Medikamenten. Am stärksten betroffen von dieser Situation sind insbesondere ärmere Bevölkerungsschichten in den Emerging Markets.
Der Zugang zu innovativen und hochwertigen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen insbesondere für einkommensschwache Bevölkerungsteile ist deshalb eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens unserer Zeit. Und es ist gleichzeitig ein Aspekt, der zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei der künftigen Gesundheitsversorgung eine Schlüsselrolle spielen muss.
Nachhaltige Aspekte in Wirtschaft und Finanzdienstleistung zu integrieren, wird derzeit stark diskutiert. Wie lässt sich dieses Ziel für den Gesundheitssektor erreichen?
Donat: Um das Gesundheitssystem auf den Pfad der Nachhaltigkeit zu führen, braucht es auf Unternehmensebene Strategien, die nutzen-, effizienz- und qualitätsorientiert sind. Konkret bedeutet Nachhaltigkeit in der Praxis, dass Innovationen sowohl den medizinischen Nutzen als auch die kosten- und ressourcenschonende Anwendung im Blick haben müssen. Aus Investorensicht haben wir deshalb gleich mehrere Themenfelder definiert, die ein nachhaltiges Gesundheitssystem auszeichnen.
Was ist aus Ihrer Sicht dabei wichtig?
Donat: Wie erwähnt, gehören bezahlbare Medikamente dazu. Der Nachholbedarf für einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung ist sehr hoch. In diesem Zusammenhang kann beispielsweise die Förderung von Generika und Biosimilars, die erhebliche Kosteneinsparungen mit sich bringen, einen wichtigen Beitrag leisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist zudem die Präventionsmedizin nach dem Motto: „Vorbeugen ist besser als heilen“.
Hier steht vor allem die Früherkennung schwerer chronischer Krankheiten im Blickpunkt, ebenso neue Impfstoffe gegen eine Vielzahl von Infektionskrankheiten, aber auch Vorsorgeuntersuchungen, um über Bluttests Krebs oder Infektionskrankheiten zu diagnostizieren.
Auch eine ökologische Beschaffungspolitik für die Medikamentenherstellung, hohe Sicherheitsstandards bei Produkten und Dienstleistungen sowie die Ausrichtung klinischer Studien nach ethischen Grundsätzen sind wichtige Bausteine, um das Gesundheitswesen weltweit nachhaltiger auszurichten.
Sie sprachen eingangs die Innovationen im Gesundheitssystem an. Inwieweit lassen hier nachhaltige Kriterien verankern?
Donat: Auf dieser Ebene ist beispielsweise das Thema Immunonkologie sehr wichtig. Dabei wird das körpereigene Abwehrsystem zur Bekämpfung von Krebs genutzt. Auch individualisierte Therapien, welche zu weniger Nebenwirkungen führen, sind wünschenswert. In der Medizintechnik wird etwa der Fokus auf fortschrittliche Behandlungsmethoden, wie zum Beispiel Operationsroboter für minimalinvasive Eingriffe, gelegt.
Nachhaltige Gesundheitssysteme zeichnen sich auch dadurch aus, dass neue Formen von Dienstleistungen angeboten werden, bei denen der Patient direkt in das System eingebunden wird. Stichwort Home Care: Darunter versteht man die Versorgung von Patienten, die zu Hause medizinisch in vergleichbarer Qualität wie in der Klinik versorgt werden.
Wie zahlt sich die Kombination der Megatrends Healthcare und Nachhaltigkeit für Anleger aus?
Donat: Sehr gut. Der BB Adamant Sustainable Healthcare hat im vergangenen Jahr den MSCI World Healthcare Index deutlich outperformt. Und die positiven Fundamentaldaten sollten für einen weiteren Aufschwung im aktuellen Jahresverlauf sorgen. Zudem glauben wir, dass gerade ESG-Fonds in herausfordernden Zeiten eine gute Widerstandskraft für Investoren bieten.
Wie ist die Investmentstrategie des Fonds?
Donat: Der Fonds lehnt sich an das erfolgreiche Konzept des – Adamant Global Healthcare Index an, das ein investierbares Investitionsuniversum von 600 Gesundheits-Firmen hat. Der Unterschied beim BB Adamant Sustainable Healthcare Fonds liegt darin, dass zusätzlich ein Nachhaltigkeitsfilter im Auswahlprozess eingebaut ist.
Im Rahmen des ESG-Filters gibt es mehrere Kriterien, die die Unternehmen erfüllen müssen, um ins Portfolio zu gelangen und auch dort zu bestehen. Dabei wird das Bellevue Team vom Nachhaltigkeitsspezialisten Sustainalytics unterstützt.
Können Sie uns Beispiele für solche ESG-Kriterien nennen?
Donat: Beispielsweise müssen die Unternehmen zu den Nachhaltigkeitsvorreitern ihrer Branche zählen (Best-in-Class-An- satz), keine schwerwiegenden ESG-relevanten Verstöße vorweisen und die zehn Prinzipien des UN Global Compact einhalten. Bei kontroversen Geschäftsfeldern und -praktiken sind für die Aufnahme zudem Ertragsschwellen definiert.
Begleitet wird der Prozess durch Proxy-Voting und Engagement auf Portfolioebene sowie das Management und die Überwachung von ESG-Risiken.
Welche Trends in der nachhaltigen Gesundheitsversorgung sehen Sie in den kommenden Jahren?
Donat: Zu den aktuellen aber auch zukunftsträchtigen Trends im Gesundheitssektor zählen etwa Digitalisierung, Robotik, künstliche Intelligenz und personalisierte Medizin. Telemedizin, also die ärztliche digitale Konsultation auf Distanz, gewann mit dem COVID-19 Ausbruch an immenser Popularität.
Wir denken, dass auch unter bei einer Normalisierung der Lage ein verstärkter Einsatz in der Gesundheitsversorgung gefördert wird, weil die Anwendung als sehr effizient und kostensparend gilt.
Auch erwarten wir, dass die künstliche Intelligenz vermehrt ein integraler Bestandteil im Alltagsgeschäft von biopharmazeutischen Firmen sein wird, weil es auf verschiedene Art und Weise die Wirkstoffentwicklung vorantreiben kann.
Außerdem wird der Erkenntnisgewinn über die molekularen Ursachen von Krankheiten weiterhin ein wichtiger Antreiber für Innovation bei der Medikamentenentwicklung sein.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.