Die Wurzeln der heutigen Ökoworld gehen auf die 1975 gegründete „versiko” zurück, die als Original und Pionier in der nachhaltigen Kapitalanlage gilt. Der Ökoworld Ökovision Classic ging 1996 an den Markt. Wie hat sich seitdem das Segment der ethisch-ökologischen Kapitalanlage entwickelt?
Pfeil: Unsere Gründer Alfred Platow und Klaus Odenthal hatten 1975 eine Vision und ließen sich davon auch nicht abbringen, obwohl ethisch-ökologische Kapitalanlagen damals noch absolute Nischenprodukte waren. Auch 1996, als wir unseren Flaggschiff-Fonds Ökovision aufgelegt haben, konnten wir zunächst nur Idealisten für ein Investment gewinnen. Das hat sich radikal geändert. Schauen Sie sich heute das Investitionsvolumen unseres Ökovision-Fonds an: Anlegerinnen und Anleger haben dort aktuell knapp 1,9 Milliarden Euro investiert. Auch wenn sich derzeit starker Gegenwind zeigt: Ethisch-ökologische Aktienanlagen sind ganz klar im Mainstream angekommen. Ein entscheidender Treiber dieser Entwicklung ist die Erkenntnis, dass nachhaltige Anlagen nicht nur ethisch vertretbar, sondern auch wirtschaftlich attraktiv sind. Dass gegenläufige Marktentwicklungen zu Zweifeln führen, ist für mich nur natürlich. Wichtig ist, dass sich langfristig zeigt, dass ein sauberes Portfolio einer adäquaten Rendite nicht im Wege steht.
ESG-Investments hatten in diesem und auch im letzten Jahr einen schweren Stand im Vertrieb. Inwieweit waren auch die Fonds von Ökoworld betroffen?
Pfeil: Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise, die Verunsicherung durch Greenwashing und die teilweise unklare Regulierung – all das hat bei Anlegerinnen und Anleger dazu geführt, dass ihr Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte gelitten hat. Von der Zurückhaltung der Kundinnen und Kunden im ESG-Bereich waren auch unsere Fonds betroffen. Jedoch waren unsere Mittelrückflüsse nicht so intensiv wie im Gesamtmarkt ethisch-nachhaltiger Fonds. Wir haben viele Kooperationspartner, bei denen unsere Fonds fester Bestandteil des Produktportfolios sind. Insbesondere diese Partner haben es verstanden, dass eine nachhaltige Geldanlage kein Trendthema ist und dass sich nachhaltig ausgerichtete Unternehmen langfristig in der Regel besser im Markt positionieren können.
Welche Ökoworld-Fonds waren besonders nachgefragt?
Pfeil: Absolut betrachtet hat der Fonds Ökovision Classic im vergangenen Jahr das Rennen gemacht. Durch unsere Portfoliomanager strategisch gut aufgestellt hat der Fonds von dem Wahlausgang in den USA profitieren können und den Anlegerinnen und Anlegern eine Jahresperformance von 13,17 Prozent beschert. Der Fonds ist zu einem erheblichen Teil in den Vereinigten Staaten investiert, und die protektionistische Wirtschaftspolitik, Deregulierung und Steuersenkungen werden sich positiv auf die Unternehmen auswirken. Relativ betrachtet hat unser Fonds Growing Markets 2.0 rund 17 Prozent neue Mittel eingesammelt. Nach den Korrekturen im August konnten wir auch in diesem Fonds wieder Boden gutmachen.
Ende letzten Jahres hieß es bei der DIHK: „Fehlende Fachkräfte gefährden die Energiewende“ Ist das auch Ihre Einschätzung und was bedeutet das für die in diesem Bereich aktiven Ökoworld-Fonds?
Pfeil: Der Fachkräftemangel stellt in unseren Augen tatsächlich eine der größten Herausforderungen für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland dar. Die steigende Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften in den Bereichen Installation, Wartung und Betrieb erneuerbarer Energien bremst den notwendigen Ausbau. Hinzu kommen regulatorische Hürden, die eine schnellere Umsetzung der Energiewende behindern. Gleichzeitig birgt die Energiewende erhebliche wirtschaftliche Chancen. Ein beschleunigter Ausbau erneuerbarer Energien stärkt die deutsche Wirtschaft, indem er die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und die Energiekosten senkt. Als aktiver, global agierender, Asset-Manager finden wir andere Marktsegmente aktuell spannender, beobachten die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland und Europa aber natürlich genau und identifizieren gleichzeitig neue Chancen.
Kienel: Aus Nachhaltigkeitssicht spielt das Segment für uns weiterhin eine wichtige Rolle, und wir bewerten Unternehmen aus diesen Bereichen weiterhin positiv. Jedoch werden soziale Themen, beispielsweise der Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Attraktivität als Arbeitgeber immer wichtiger und damit auch die Möglichkeit, Fachkräfte anzuziehen. Themen wie Geschlechtervielfalt, Vergütung und Menschenrechte gehören seit jeher zu unseren Prüfaspekten bei jedem Unternehmen. Firmen, die durch systematische Verstöße gegen Menschen- oder Arbeitnehmerrechte auffallen, finden sich nicht in den Anlageuniversen unserer Fonds. Auch wenn sie in dem aus Nachhaltigkeitssicht wichtigen Segment der erneuerbaren Energien tätig sind.
Verena Kienel (Foto: Ökoworld): „Bei der Ökoworld berücksichtigt unser Auswahlprozess bereits seit Auflage des ersten Fonds 1996 sowohl ökologische als auch soziale und ethische Aspekte.“
Das Thema der Klimaschutzes bzw. die ökologischen Themen scheinen in einigen Bevölkerungskreisen etwas in den Hintergrund gerückt zu sein. Hat man sich unrealistische Ziele in Politik und Wirtschaft gesetzt?
Pfeil: Ambitionierte Ziele sind aus meiner Sicht durchaus wünschenswert. Dass es funktionieren kann, zeigen viele Unternehmen, in die wir investieren. Durch die eben bereits angesprochene Prioritätenverschiebung nach dem Angriff auf die Ukraine sorgen sich die Menschen angesichts der geopolitischen Lage mehr um ihre Sicherheit als um den Klimawandel. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Hinzu kommt die Unklarheit durch eine teilweise unübersichtliche Regulierung: Was ist wirklich nachhaltig, was nennt sich nur so? Das ist nun durch die ESMA-Leitlinien verbindlicher geregelt und dürfte helfen, das Vertrauen in nachhaltige Geldanlagen wieder zu stärken. Das ist sehr wichtig, denn wir dürfen die Umwelt-, Natur- und Artenschutz nicht aus den Augen verlieren. Private Kapitalanlagen sind bitter nötig, um den Weg der Transformation unserer Wirtschaft umzusetzen. Gleichzeitig bieten sich auch attraktive Renditequellen für Anleger. Insofern muss Nachhaltigkeit kein Selbstzweck sein.
Kienel: Die Ziele zur Nachhaltigen Entwicklung (SDGs) erschienen zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung nicht unrealistisch, jedoch gab es danach nicht genügend Maßnahmen, nicht genügend Finanzierung, sowohl von privater als auch staatlicher Hand, und sicherlich auch nicht genügend politischen Willen, um notwendige Änderungen anzustoßen. Daher freuen wir uns sehr, wenn wir im Rahmen unserer Recherche und Analyse auf Unternehmen stoßen, die innovative und nachhaltige Produkte anbieten und damit einen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leisten. Auch wenn ökologische Themen für einige Menschen nicht im Vordergrund stehen, sind für viele Menschen die Auswirkungen des Klimawandels sehr deutlich zu bemerkbar. Es ist daher unerlässlich, Maßnahmen zu ergreifen, um mit den aktuellen und zukünftigen klimatischen Bedingungen umzugehen und dementsprechend auch Geld in die Richtung von Unternehmen zu lenken, die hierzu einen Beitrag leisten können. Dafür stehen die Investitionen der Ökoworld-Fonds.
Bei ESG-Investments dominiert oft das E, während das S und das G hinten runterfallen. Wie wichtig sind die beiden letztgenannten Buchstaben für die Anlagephilosophie bei Ökoworld?
Kienel: Es gibt Fonds, die in ihrer Anlagestrategie unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte setzen, sei es zu sozialen oder ökologischen Themen. Wichtig ist jedoch nicht das Anlagethema, wobei das E bei Nachhaltigkeitsfonds dominieren mag, sondern der Bewertungsprozess bei der Selektion von Unternehmen. Dieser sollte ein ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz sein, welcher alle drei Aspekte umfasst sowie noch einige weitere, bspw. die gesellschaftlichen Auswirkungen. Ein Solarzellenhersteller, welcher die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht achtet, gegen Menschenrechte verstößt oder wegen Korruption angeklagt wird, kann doch trotz des wichtigen ökologischen Nutzens seiner Produkte nicht als nachhaltig gelten. Bei der Ökoworld berücksichtigt unser Auswahlprozess bereits seit Auflage des ersten Fonds 1996 sowohl ökologische als auch soziale und ethische Aspekte. Bei zwei unserer Fonds, Ökoworld Water for Life und Ökoworld Klima, stehen ökologisch relevante Unternehmen im Vordergrund, zum Beispiel Unternehmen aus dem Bereich Klimaschutz, Energieeffizienz oder Wasserversorgung. Jedoch bei den anderen drei Fonds werden Unternehmen aus allen Branchen ausgewählt, sofern sie nicht gegen unsere Ausschlusskriterien verstoßen. Für alle Fonds gilt jedoch dasselbe: Unternehmen mit systematischen oder schweren Verstößen oder Kontroversen im Bereich E, S oder G werden nicht in die Anlageuniversen aufgenommen.
Noch ein Thema, das polarisiert. Anlagen in die Rüstungsindustrie sind seit Ausbruch des Ukrainekrieges auch bei Nachhaltigen Anlagefonds teilweise wieder salonfähig geworden. Welche Gründe sprechen für oder gegen Rüstungsinvestments?
Kienel: Bewaffnete Konflikte und Kriege finden leider nicht nur erst seit dem Ukrainekrieg weltweit statt. Dass eine Finanzierung der notwendigen Waffen für Verteidigungszwecke notwendig ist, ist unbestritten. Rüstungsunternehmen oder Waffenhersteller können jedoch nicht als nachhaltig deklariert werden. Zum einen ist ein Beitrag von Waffen zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen nicht gegeben. Zum anderen können doch die Schäden, die sie verursachen, sowohl menschlich als ökologisch, nicht dem Anspruch der EU-Regulierung von „Do no significant harm“ entsprechen. Diesen Standpunkt und die damit verbundene konsequente Umsetzung vertritt die Ökoworld bereits seit Auflage des ersten Fonds im Jahr 1996. Die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Geldanlagen hängt auch von der Stabilität und Konsequenz der Kriterien ab, denen sie unterliegen. Die Deklarierung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltig im Rahmen der Taxonomie hat bereits zu Unverständnis und Verwirrung bei einigen Anlegerinnen und Anlegern geführt. Selbiges kann jetzt wieder passieren, wenn Waffenherstellung auch in Nachhaltigkeitsfonds „salonfähig“ wird. Die Ökoworld bleibt bei ihrem Standpunkt, dass in unseren Fonds nicht in Hersteller von Waffen und Rüstungsgütern investiert wird.
Letzte Frage. Das Jahr 2025 ist gerade erst gestartet. Was dürfen Vertrieb und Anleger von Ökoworld in diesem Jahr erwarten?
Pfeil: Wir feiern in diesem Jahr unseren 50. Geburtstag und stehen vor einem spannenden Kapitel in der Geschichte der Ökoworld. Unser Ziel ist es, das Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln, Innovationen voranzutreiben und unsere führende Position im Bereich nachhaltiger Kapitalanlagen weiter auszubauen. In einer Welt, die sich rasant verändert, müssen wir Nachhaltigkeit neu denken und innovative Wege finden. Aus diesem Grund werden wir unsere Unternehmensstrategie aktualisieren – diesen Prozess habe ich in meiner ersten Arbeitswoche Anfang Januar bereits angestoßen und die gesamte Belegschaft mit eingebunden. Am Ende möchten wir mit der Kombination aus fundiertem Nachhaltigkeitsresearch und einem klaren Fokus auf positive Wirkung neue Produkte anbieten, die Umwelt und Gesellschaft nachhaltig unterstützen und zugleich den finanziellen Erfolg unserer Kundinnen und Kunden gewährleisten. Darüber hinaus ist uns eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren Partnern im Vertrieb sehr wichtig, und wir wollen daran arbeiten, diese Beziehungen weiter auszubauen und – wo notwendig – weiter zu verbessern. Mit unseren vier Vertriebsdirektoren sowie dem Innendienstteam stehen wir allen Vertriebspartnern für alle Themen und Fragen zur Verfügung. Wir werden den Beraterinnen und Beratern weiterhin aktuelle Themen aus den Fonds an die Hand geben. Neben Workshops vor Ort werden wir auch unser Angebot an Webinaren weiter ausbauen.
Interview: Frank O. Milewski, Cash.
Das gesamte Interview lesen Sie in Cash. 2/2025.