Nachhaltige Kredite: Warum klare ESG-Vorgaben den Unterschied machen

Christoph Betz
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Christoph Betz

EXKLUSIV Günstigere Zinsen für ESG-konforme Unternehmen – soweit die Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Gastbeitrag von Christoph Betz, KPMG

Nachhaltige Kredite sind Finanzierungen, die an Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG-Kriterien) gebunden sind. Das klingt einfach, stellt den Bankensektor jedoch vor einige Herausforderungen, darunter die Frage, was als nachhaltig bezeichnet werden kann, ohne sich Greenwashing-Gefahren auszusetzen.
Aktuell ordnen Banken unter dem Oberbegriff Sustainable Finance ihr nachhaltiges Geschäft anhand des Nachhaltigkeitsgrads meist in drei Kategorien ein. Erstens: Taxonomie-aligned Finance umfasst Geschäfte, die ökologisch nachhaltig sind im engen Sinne der regulatorischen Vorgaben der EU-Taxonomie. Zweitens: Zu Green & Social Finance zählen Geschäfte, die ökologische oder soziale Ziele verfolgen und zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens (die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celcius zu begrenzen) bzw. den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN beitragen. Drittens: Ist das Geschäft nach den vorgenannten Kriterien nicht eindeutig nachhaltig, das finanzierte Unternehmen jedoch glaubhafte und ambitionierte Transitionspläne verfolgt, fällt es in den Bereich Transition Finance.

Die Krux dabei ist jedoch: Die Abgrenzung des nachhaltigen Geschäfts entlang der drei Kategorien erfolgt von Bank zu Bank unterschiedlich. Denn bei der Klassifizierung von nachhaltigen Krediten bzw. der Geschäftsaktivitäten potenzieller Kreditnehmer haben die Institute aufgrund fehlender, oder, wie im Falle der EU-Taxonomie nur sehr fokussierter Vorgaben, einen großen Definitions- und Interpretationsspielraum. Entsprechend unterschiedlich sind auch die herangezogenen Begrifflichkeiten und Kriterien für die Kategorisierung des Geschäfts in den meist als Sustainable Finance oder Green Lending Framework bezeichneten ESG-Rahmenwerken der Banken. Während sich manche Banken für das „nachhaltigste“ Geschäft sehr eng an den Vorgaben der EU-Taxonomie orientieren, weichen andere bei bestimmten Aktivitäten hiervon ab. Die größten Abweichungen zeigen sich jedoch bei der Kategorisierung von Geschäftsaktivitäten als Transition Finance. Hier gibt es derzeit noch keine regulatorische Anforderung, die als Orientierung dienen kann und auch ein Marktstandard zeichnet sich noch nicht ab. Insbesondere die Frage, welche Anforderungen an die Transitionspläne der Kunden gestellt werden, um ein Geschäft entsprechend kategorisieren zu können, beantworten die Institute unterschiedlich.

Kurzum: Die vorhandenen ESG-Rahmenwerke sind mit Blick auf umfasste Geschäfte und Aktivitäten, Zweck sowie Methodik sehr heterogen. So ergibt sich ein uneinheitliches Bild im Bankensektor – auch zum Nachteil der Kunden. Die potenziellen Kreditnehmer wissen häufig nicht, wann sich bei welcher Bank beispielsweise eine ihrer Geschäftsaktivitäten als nachhaltig und damit unter bestimmten Bedingungen auch für etwaige Zinsvergünstigungen qualifiziert.

Was also tun? Um den Anteil nachhaltiger Geschäfte zu ermitteln, Kunden mehr Sicherheit zu geben und sich gleichzeitig keinen Greenwashing-Risiken auszusetzen, sollten klare und verbindliche ESG-Rahmenwerke entwickelt und implementiert werden. Da von der Regulatorik kurzfristig keine weiteren Vorgaben mit Blick auf die Klassifizierung nachhaltiger Geschäftsaktivitäten zu erwarten sind, ist es an den Banken selbst, Marktstandards zu gestalten und zu nutzen.


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In einem ersten Schritt kann es helfen, die eigenen Leitlinien der nachhaltigen Kreditvergabe transparent zu machen. Welche Branchen oder Aktivitäten schließe ich als Bank aus, weil sie nicht zu meinen ESG-Zielen passen? Welche spezifischen ESG-Kriterien sind im Due-Diligence-Prozess integriert, um Kreditanträge unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu prüfen? Welche konkreten Umwelt- oder Sozialziele sollten Kreditnehmer erreichen, um von Zinsvergünstigungen zu profitieren?

Fragen wie diese sollten Banken durch klare Vorgaben und regelmäßige Berichte, die auch mit Daten unterlegt werden, beantworten können, um Transparenz gegenüber ihrer Kunden zu schaffen und das Vertrauen der Stakeholder zu stärken. Ausgehend davon können sie durch die entstehende Transparenz über Begriffsdefinitionen, Mindeststandards, Ausschlüsse, Sektorleitlinien und Klassifizierungskriterien auf die Entwicklung von Marktstandards hinwirken. Keine leichte Aufgabe, aber die Bemühungen bringen sowohl Kunden als auch den Instituten selbst klare Vorteile:

  1. Vergleichbare Kreditangebote: Unternehmen erkennen einfacher, welche ESG-Kriterien sie erfüllen (sollten), und erhalten dadurch vereinfacht Zugang zu nachhaltigen Produkten. So können sie häufiger von günstigeren Kreditzinsen profitieren. Das verringert ihre finanzielle Belastung und fördert nachhaltige Geschäftspraktiken insgesamt. Immer wichtigere Voraussetzung wird hierfür sein, dass auch Kunden durch eine saubere CSRD- oder CSDDD-Berichterstattung im Hinblick auf ihre eigenen Nachhaltigkeitsleistungen transparent sind und den Instituten damit belastbare Informationen und Daten bereitstellen.
  2. Geringeres Greenwashing-Risiko: Transparenz in der Kreditvergabe im Hinblick auf ESG-Kriterien ermöglicht es, Greenwashing-Risiken zu identifizieren und zu minimieren. So stellen Banken sicher, dass sie Kredite an Unternehmen vergeben, die nicht nur finanziell stabil, sondern auch nachhaltig und ethisch verantwortlich sind. Dies trägt zur Risikominderung auf Bankenseite bei und fördert gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung.
  3. Wettbewerbsvorteile: Die Banken, die ESG-Kriterien konsequent anwenden und dies außerdem transparent machen, können sich durch attraktive Konditionen von Mitbewerbern abheben, die pauschale Preise zugrunde legen. Zudem erhöht ein einheitliches Bild nach außen nicht nur die Kundenbindung, sondern auch die Attraktivität als Bank für potenzielle Neukunden.

Bemühen sich Banken um einheitliche Vorgaben, erhöhen sie nicht nur die Transparenz und Vergleichbarkeit von Kreditangeboten, sondern schaffen neue Anreize für umweltfreundlichere und sozial verantwortliche Geschäftspraktiken bei Unternehmen. Und das ist letztendlich auch das Ziel aller Bemühungen im Kontext von ESG. Der Bankensektor kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. 

Christoph Betz ist Partner im Bereich Financial Services bei KPMG. Er leitet die ESG-Practice für den Bankenbereich in Deutschland sowie in EMA.

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