Nachhaltigkeit im Vertrieb: „Erhebliches Potenzial für die Kundenansprache“

Foto: IVFP
Andreas Kick, IVFP und Ralf Meyer, Vertriebstrainer

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Und sollte zum Beratungsalltag des Vertriebs gehören. Gleichwohl gibt es nach wie vor eine Skepsis. Cash. sprach mit Andreas Kick, Nachhaltigkeitsexperte des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) und Vertriebstrainer Ralf Meyer über regulatorische Anforderungen, Hürden und neue Schulungsansätze beim Thema Nachhaltigkeit.

Herr Kick, die letzten Jahre waren stark von regulatorischen Themen rund um das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche geprägt. Wo steht die Branche inzwischen?

Kick: Die wichtigsten Verordnungen sind nun umgesetzt und in weiten Teilen anzuwenden. Die Transparenzverordnung brachte weitreichende Berichtspflichten für Unternehmen und insbesondere auch für Finanzprodukte. In der Taxonomieverordnung ist geregelt, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig anzusehen sind. Die Änderungen an den Delegierten Verordnungen zur IDD und zu MiFID II sorgen dafür, dass die Möglichkeiten des nachhaltigen Investierens auch an den Endkunden herangetragen werden. Das Ziel besteht unter anderem darin, die Finanzmittelflüsse so umzuleiten, dass vermehrt nachhaltige Projekte umgesetzt werden.

Man hat allerdings das Gefühl, dass das Thema im Vertrieb noch nicht so richtig angekommen ist. Woran liegt das?

Meyer: Regularien werden vom Vertrieb häufig erstmal als zusätzlicher bürokratischer Aufwand wahrgenommen. Denken Sie nur an die Widerstände bei der Einführung der IDD. Nach einiger Zeit erkennen die Beraterinnen und Berater, dass viele Regelungen auch Vorteile mit sich bringen. Eine ähnliche Einstellung erlebe ich beim Thema Nachhaltigkeit. Hier werden die Regelungen als zu weitgehend und unübersichtlich erlebt. Dies mag im Einzelfall berechtigt sein. Unabhängig davon liegt hier auch ein erhebliches Potenzial für die Kundenansprache. Die Netto-Mittelzuflüsse – laut Morningstar immerhin knapp 37 Milliarden US-Dollar allein im vierten Quartal 2022 – sprechen eine deutliche Sprache. Auch hier das Motto „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“ Deshalb ist die Branche gut beraten, sich konstruktiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Nichtsdestotrotz wird das Thema immer wichtiger. Wie schafft man eine höhere Akzeptanz für nachhaltige Geldanlage in der Beratung?

Meyer: Es geht darum, die vertrieblichen Mehrwerte aufzuzeigen. Denn wer mit Kunden oder potenziellen Kunden auf Augenhöhe über das Thema Nachhaltigkeit sprechen kann, erschließt sich neue Möglichkeiten in der Kundenansprache und schafft eine tiefe Vertrauensbasis. Im Rahmen eines Seminarauftrags haben Andreas Kick und ich ein Konzept erarbeitet. Es geht darum, beim Thema Nachhaltigkeit sowohl die fachliche als auch die vertriebliche Kompetenz zu steigern.

Was ist der Schwerpunkt des Konzepts?

Kick: Zunächst geht es darum zu erklären, warum sich Kunden jedes Alters, aber auch Beraterinnen und Berater mit diesem Thema beschäftigen sollten. Dabei geht es einerseits um die Geldanlage und darum, mit diesem Investment die Entwicklung hin zu einer lebenswerten Umwelt und Gesellschaft zu unterstützen, also die emotionalen Gründe. Zudem geht es auch um rationale Gründe. Denn die Renditechancen bei nachhaltigen Investments sind attraktiv. Darüber hinaus vermitteln wir Grundlagenwissen zum Thema Nachhaltigkeit, beschäftigen uns mit den Wertpapiermärkten und erklären, wie nachhaltige Geldanlagen wirken. Außerdem zeigen wir verschiedene Ansätze nachhaltigen Investierens auf, setzen uns mit den regulatorischen Rahmenbedingungen auseinander und sensibilisieren für das Thema Greenwashing. Diese Aspekte werden immer mit Impulsen, wie Kundenakquise, Argumentationshilfen und Einwandbehandlung verknüpft, sodass gleich ein hoher Praxistransfer möglich ist.

Ich würde sehr gerne auf den Einwand zurückkommen, dass nachhaltige Geldanlage Rendite kostet. Ist das wirklich noch ein Thema?

Kick: Dieses Gerücht hält sich in der Tat sehr hartnäckig. Sieht man sich die historischen Verläufe von breiten Aktienindizes im Vergleich mit ihren nachhaltigen Pendants an, ist diese Aussage in ihrer Absolutheit einfach falsch. Aber das ist für den heutigen Anleger auch gar nicht entscheidend. Ihn interessieren vielmehr die Renditechancen. Diese kann zwar niemand seriös vorhersagen. Lassen Sie mich aber meine Sicht der Dinge mit einem plastischen Beispiel kurz verdeutlichen. Es gab vor einiger Zeit eine TV-Werbung für einen Schokoriegel, der in zwei Firmen produziert wurde. Stellen wir uns einmal kurz vor, eine der beiden Firmen würde eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen und die andere eben nicht. Welche von beiden wäre wohl zukunftsfähiger? Langfristige Anleger haben kein Interesse daran, in Unternehmen investiert zu sein, die im Begriff sind den gerade stattfindenden Strukturwandel zu verpassen.

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