Lange hat die Sachwertbranche sich kaum um die neue Regulierung gekümmert, und noch nicht einmal eine einheitliche Kurzbezeichnung hat sich bislang durchge- setzt. Offiziell heißt sie: „Verordnung (EU) 2019/2088 (…) über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“. Meistens wird sie daher „EU-Offenlegungsverordnung“ genannt. In der Versicherungsbranche hingegen ist überwiegend von „EU-Transparenzverordnung (TVO)“ die Rede.
Auch die Vertriebsverbände AfW und Votum veröffentlichten im Februar gemeinsam Informationen und Textempfehlungen zur „Umsetzung der EU-Transparenzverordnung“. Damit ist jedoch keineswegs eine weitere EU-Vorschrift gemeint, sondern eben jene Offenlegungsverordnung, für die es zudem noch weitere Bezeichnungen und Kürzel gibt. Dazu später mehr.
Was drin steht
Was steht drin? Mit der Verordnung „werden harmonisierte Vorschriften für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater über Transparenz bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und der Berücksichtigung nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen in ihren Prozessen und bei der Bereitstellung von Informationen über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten festgelegt“, so der Gegenstand der Vorschrift in ihrem Artikel 1.
Es geht es also nicht in erster Linie darum, bestimmte Umweltstandards festzulegen oder diese einhalten zu müssen. Vielmehr müssen alle Akteure die Kunden darüber informieren, in- wieweit sie überhaupt Nachhaltigkeit berücksichtigen. Erst an zweiter Stelle stehen Maßstäbe für sogenannte „Impact Investments“, die auch einen positiven Effekt – insbesondere in Bezug auf das Klima – haben, sowie dafür, unter welchen Voraussetzungen ein Produkt als nachhaltig beworben werden darf.
AfW und Votum empfehlen auch dem 34f-Vertrieb „mit Nachdruck“, die Verordnung anzuwenden
Dabei geht es um die Umwelt (Environment), soziale Aspekte (Social) und Unternehmensführung (Governance), zusammen kurz ESG. So wird nicht selten auch von „ESG-Kriterien“ oder „ESG-Standards“ gesprochen. Auch damit sind in der Regel, jedenfalls in Zusammenhang mit gesetzlichen Regelungen, die Offenlegungsverordnung beziehungsweise die daran anknüpfenden Vorschriften gemeint. Dazu zählt auch die „Taxonomiever- ordnung“, bei der es sich tatsächlich um eine weitere EU-Verordnung handelt, mit der europaweit einheitliche Maßstäbe für nachhaltige Investments festgelegt werden sollen.
Verpflichtet aus der Offenlegungsverordnung werden „Finanzmarktteilnehmer“ und „Finanzberater“. Zu ersteren zählen unter anderem Versicherungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen). Als „Finanzberater“ werden unter anderem Versicherungsvermittler sowie Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, die Anlageberatung anbieten, aufgeführt.
Fehlende Regelungen
Nicht eindeutig geregelt ist hingegen, ob auch Finanzanlagenvermittler mit Zulassung nach Paragraf 34f GewO von den Pflichten umfasst sind. „Vom Wortlaut der Verordnung her ist das nicht der Fall. Von Sinn und Zweck: ja“, schreiben AfW und Votum in ihrem gemeinsamen Leitfaden. Eventuell handele es sich um einen Redaktionsfehler, der sicher absehbar behoben werde. „Wir empfehlen daher mit Nachdruck auch allen Vermittlern mit Zulassung nach Paragraf 34f GewO die Anwendung“, so die beiden Verbände.
Für die meisten 34f-Finanzdienstleister macht das ohnehin keinen großen Unterschied, weil sie auch über eine Zulassung als Versicherungsvermittler (Paragraf 34d GewO) verfügen. Damit fallen sie zweifelsfrei in den Anwendungsbereich der Verordnung und müssen bestimmte Informationen zum generellen Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten auf ihrer Website veröffentlichen.
„Versicherungsvermittler und Anlageberater haben hier eine Schlüsselposition, um ihren Kunden Orientierung zu bieten“, so Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW, bei der Veröffentlichung der gemeinsamen Informationen mit Votum. Die beiden Verbände geben eine genaue Anleitung einschließlich Textbausteinen, deren Umsetzung kein großer Aufwand (gewesen) sein dürfte. Generell ausgenommen sind Vermittler mit weniger als drei Mitarbeitern, also auch „Einzelkämpfer“.
Alle 14 ausgewählte KVG-Auftritte enthalten die neuen Pflichtangaben, manchmal etwas versteckt
Etwas anspruchsvoller ist die Sache für KVGen. Erforderlich sind Angaben sowohl zum Unternehmen selbst als auch zu den Produkten, wobei wesentliche Details noch offen sind, weil die „Technischen Regulierungsstandards“ der EU noch fehlen. Wie haben die Anbieter von Publikums-AIFs dies dennoch umgesetzt? Cash. hat sich auf den Websites von KVGen umgesehen.
Die wichtigste Nachricht: Alle 14 ausgewählten Web-Auftritte enthalten – Stand 24. März 2021 – entsprechende Angaben. Das war nach dem oftmals späten Beginn der Vorbereitung auf die neue Vorschrift nicht unbedingt sicher. Umfang, Inhalt und Aufbereitung der Informationen hingegen sind höchst unterschiedlich.
Sehr umfangreiche und aufwändig gestaltete Nachhaltigkeits-Angaben finden sich zum Beispiel bei Jamestown, Project Investment und – wenig überraschend – bei dem Solarspezialisten Hep, der mit seinen Fonds in punkto Nachhaltigkeit einen natürlichen Vorteil hat. Alle drei Häuser stellen zudem freiwillig umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte zum Download zur Verfügung, Jamestown allerdings nur auf englisch.
Auch bei anderen Anbietern stehen nicht alle Ausführungen zum Thema Nachhaltigkeit in direktem Zusammenhang mit den neuen Offenlegungspflichten, teilweise sind sie auch recht blumig formuliert. Die reinen Pflichtangaben sind überwiegend nur recht kurz und nicht immer leicht zu aufzuspüren. Dabei findet sich auf einigen Websites ein weiteres Kürzel: SRDR. Auch damit ist die EU-Offenlegungsverordnung gemeint. Die Abkürzung leitet sich aus dem englischen Titel der Vorschrift ab: „Regulation on sustainability-related disclosures in the financial services sector“, kurz gesagt „SRD Regulation“. Anderswo im Netz gibt es manchmal eine sehr ähnliche Buchstabenkombination: SFDR. Das steht dann für „Sustainable Finance Disclosure Regulation“, also – Sie ahnen es – ebenfalls für die Offenlegungsverordnung.
Doch zurück zu den KVG-Websites. Dass die Informationen zum Teil nicht auf den ersten Blick zu finden sind, liegt nicht nur an dem Begriffs- und Kürzelsalat. So verbirgt sich der Menüpunkt „Nachhaltigkeit“ bei Project Investment als eines von zwölf Stichworten unter dem Reiter „Hintergrundwissen“.
RWB hat die Informationen in die Rubrik „rechtliche Angaben“ verbannt, und Derigo (BVT-Gruppe) hat unter „Unternehmen“ drei Stichworte hinzugefügt: „Offenlegung Artikel 3 (SRDR)“, „Offenlegung Artikel 4 (SRDR)“ und „Vergütungspolitik Artikel 5 (SRDR)“.
Auf der Homepage von Wealthcap wiederum finden sich die Angaben in der Rubrik „Wealthcap & Anlegerservices“ und dort unter dem Stichwort „Unsere Verantwortung“. Die entsprechende Unterseite enthält dann unter drei von vier Reitern ziemlich bunte Informationen zu Nachhaltigkeits-Aspekten. Der vierte Reiter mit der Bezeichnung „Offenlegung SRDR“ führt zu den nackten Pflichtangaben, also ohne besondere grafische Aufbereitung.
So ist es für die KVGen offenbar relativ einfach, die rechtlichen Mindestanforderungen zu erfüllen – zumindest dann, wenn sie keinen besonderen Wert auf Layout legen und nicht mit Nachhaltigkeitsaspekten werben wollen. Das gilt auch für die Fondsprospekte, wobei zunächst unklar war, ob eine Nachtragspflicht für die laufenden Platzierungen besteht.
Mitte Februar, also kurz vor knapp, hat die Finanzaufsicht BaFin dann eine tabellarische Übersicht dazu veröffentlicht, welche Teile der Verordnung ab wann für wen anzuwenden sind. Kurios: Teilweise ist die Behörde sich selbst nicht ganz sicher. Jedenfalls ist der BaFin-Übersicht zufolge aber „in vorvertraglichen Informationen“ die „Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken auf Produktebene“ schon ab 10. März 2021 erforderlich. Ob dies im Prospekt selbst erfolgen muss oder ein separates Dokument ausreicht, bleibt offen.
Fondsprospekte mit „Nachhaltigkeitsrisiken“ ergänzt, „Nachhaltigkeitsauswirkungen“ erst ab Ende 2022 erforderlich
So haben die meisten der 14 untersuchten KVGen, aber nicht alle, zu ihren aktuellen Fonds Prospektnachträge oder -ergänzungen veröffentlicht, teilweise zusammen mit weiteren Aktualisierungen. Hauptsächlich geht es darin um die „Nachhaltigkeitsrisiken“. Wer nun glaubt, mit „Risiken“ sei wohl gemeint, welche Gefahren von dem Asset für die Umwelt ausgehen, liegt falsch. Vielmehr geht es um Risiken für den Fonds, etwa durch Überschwemmungen oder andere Extremwetter-Ereignisse als Folge des Klimawandels, aber zum Beispiel auch durch zusätzliche behördliche Auflagen in Sachen Nachhaltigkeit. Es handelt sich also im Wesentlichen um Ergänzungen der Risikohinweise.
Inwieweit der Fonds seinerseits eventuell das Klima oder sonst das Gute in der Welt gefährdet, fällt unter die „Nachhaltikeitsauswirkungen“. Angaben zu diesen „Auswirkungen“ sind erst ab Ende 2022 erforderlich. Vorher sind zusätzliche Informa- tionen über die „Risiken“ hinaus nur notwendig, wenn ökologische oder soziale Merkmale beworben werden. Das gilt laut BaFin-Übersicht im Grundsatz schon seit 10. März 2021, im Detail jedoch erst ab Anfang 2022 oder später.
Ebenfalls erst später, voraussichtlich ab Anfang oder Mitte 2022, muss auch der Vertrieb die ESG-Kriterien in den Beratungsprozess einfließen lassen und bei der Geeignetheitsprüfung berücksichtigen. Bis dahin ändert sich also nicht viel. Vermittler sind sicherlich gut beraten, sich schon jetzt die Nachhaltigkeits-Informationen auf den Websites der Anbieter und in den Prospektergänzungen anzusehen, um auf entsprechende Fragen der Kunden vorbereitet zu sein. Ihre volle Wucht jedoch wird die ESG- Regulierung, oder wie auch immer sie dann bezeichnet wird, erst ab dem nächsten Jahr entfalten.
Autor: Stefan Löwer, Cash.
Dieser Artikel stammt aus der Cash.-Ausgabe 5/2021