Nahrungsmittelbranche: Gesunde und artenreiche Umwelt ist oft kein Thema

Regenwald
Foto: PantherMedia/vitormarigo
Der Regenwald Brasiliens zählt immer noch zu den artenreichsten Gebieten der Welt.

Die Lebensmittelbranche, Lieferdienste und Restaurants haben erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Verlust der biologischen Vielfalt, aber kaum ein Unternehmen aus diesen Bereichen befasst sich intensiv mit Lösungsansätzen.

Die enge Verzahnung der Lebensmittelindustrie mit der Natur ist offensichtlich, aber trotzdem ist der globale Lebensmittelsektor weit davon entfernt, die Biodiversität zu erhalten – ganz im Gegenteil. Nur wenige Unternehmen der Lebensmittelbranche haben bisher begonnen, die biologische Vielfalt als strategisches Thema zu erkennen und ihr Handeln daran auszurichten. Die Gründe dafür sind im ersten Schritt nachvollziehbar, aber unterstreichen auch – gerade in den Industrieländern – sehr deutlich die Verantwortung der Verbraucher*innen. Die Lebensmittelindustrie ist geprägt durch niedrige Margen, effiziente Lieferketten, schwankende Rohstoffpreise und preissensible Konsumenten. Und diese ziehen bislang kaum Rückschlüsse vom Lebensmitteleinkauf auf den Erhalt der Artenvielfalt. Zudem sind Lebensmittel ein Grundbedürfnis, so dass weitere Preissteigerungen auch soziale Auswirkungen haben könnten. Allein im vergangenen Jahr sind die Kosten um etwa 30% laut FAO Nahrungsmittelpreisindex gestiegen. Die Energiekrise und die aktuelle geopolitische Lage haben diese Entwicklung noch verschärft.

Aber gerade der Lebensmittelsektor ist in hohem Maße auf eine gesunde und artenreiche Umwelt angewiesen, um zu funktionieren. Oder noch einfacher gesagt: Letztendlich muss das Geschäftsmodell auf dem Schutz der biologischen Vielfalt basieren, damit die Natur weiterhin das liefern kann, was wir essen. Ackerbau und Viehzucht, Forstwirtschaft und Fischerei hängen von einem komplexen Netz lebender Organismen ab. Auch wenn Arten verschwinden, die nicht auf unserem Teller landen, wie zum Beispiel Bestäuber und Mikroorganismen, gefährdet das die Ernährungssicherheit.

Bewusstsein für Biodiversitätsverlust zu wenig vorhanden

Amundi hat in einer aktuellen Studie untersucht, wie Unternehmen der Lebensmittelbranche diesem Dilemma begegnen: Trotz der der Abhängigkeit der Sektoren von der Natur und der deutlich gestiegenen Wahrnehmung der Gefahr des Biodiversitätsverlusts, stehen die Unternehmen der Lebensmittelbranche noch ganz am Anfang ihres Bewusstseins und der nötigen Maßnahmen. Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sind oft indirekt, in erster Linie durch die Beschaffung von Rohstoffen, so dass das Gesamtbild schwer zu steuern und zu messen ist. Um diese Hürde zu nehmen und eine wirkliche Veränderung zu erreichen, muss Biodiversität ein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein und nicht nur ein Unterpunkt der Corporate Social Responsibility.

Lebensmittelversorgungsketten müssen neu gedacht werden

Viele Aktivitäten, die in den vergangenen Jahren ergriffen wurden, bilden die richtige Basis: Gezielte Maßnahmen finden sich in Form von rohstoffspezifischen Strategien (z. B. Kaffee, Rinder, Palmöl) oder spezifischen Einflussfaktoren (wie Abholzung, Klimawandel und Verpackung). Der nächste Schritt wäre die umfassende Überprüfung der Lebensmittelversorgungsketten von der Landwirtschaft bis zum Endverbraucher. Und ja, die Kartierung der Lieferketten und der Umgang mit den Auswirkungen auf die biologische Vielfalt ist ein riesiges Unterfangen, aber Untätigkeit bei bestimmten Rohstoffen oder anderen Faktoren, die zum Verlust der biologischen Vielfalt führen können, stellt ein großes Risiko dar. Gleichzeitig sollten die Unternehmen der Lebensmittelbranche die Geschäftsmöglichkeiten, die mit der Bekämpfung des Biodiversitätsverlustes verbunden sind, klarer bewerten. Die Kenntnis über die Lieferketten ist zwar mit Kosten verbunden, bietet aber auch Umsatzchancen, die beim Übergang genutzt werden können. Die Verbraucher fangen an, sich mit den Umweltauswirkungen von Lebensmitteln (z. B. bei Bioprodukten und pflanzlichen Alternativen) zu beschäftigen, und eine zielgerichtete Biodiversitätsstrategie kann helfen, schneller auf das steigende Konsumenteninteresse zu reagieren.

Catering und Restaurants: Kosten versus Verantwortung?

Für Restaurants und Cateringbetrieben kommt zu dem ohnehin schon komplexen Thema noch eine weitere Ebene hinzu. Da Beschaffungsentscheidungen oft nicht zentral getroffen werden, ist es schwierig, systematisch unternehmensweite Ziele umzusetzen. Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es zahlreiche Belege für vielversprechende Initiativen, die sich mit den Auswirkungen des Sektors auf die Natur befassen. Aber der wichtigste Schritt ist auch hier eine transparente Beschaffung aller Produkte und Inhaltsstoffe. Es ist zwar noch ein weiter Weg. Aber die Zusammenarbeit mit etablierten Lieferanten, die dieselben Ziele und Ambitionen verfolgen, wird letztlich zu Verbesserungen für die Natur und sehr wahrscheinlich auch zu einem Mehrwert für Unternehmen in Bezug auf die Qualität der Produkte und das Management von Beschaffungsrisiken führen. Alle Risiken müssen neu definiert, bewertet und von den Unternehmen besser berücksichtigt werden. 

Die Herausforderungen der Lebensmittelbranche lassen sich nur gemeinsam lösen: Auf der Managementebene muss der Erhalt der Artenvielfalt strategische Priorität haben und Investoren müssen einen aktiven Part übernehmen, um Unternehmen auf diesem Weg zu unterstützen. Die Lebensmittelbranche muss eng zusammenarbeiten, um ein Instrument oder ein KPI, also eine Leistungskennzahl, zu entwickeln, mit dem der Biodiversitätswert eines Produkts oder eines Unternehmens bewertet werden kann. Und letztendlich müssen sich alle Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst machen, dass es den Schutz der Artenvielfalt nicht im Sonderangebot geben wird.

Autorinnen sind Caroline Le Meaux, Global Head of ESG Research, Engagement and Voting, Molly Minton und Lorna Lucet, beide Senior ESG Analysts alle bei Amundi.

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