Negativzinsbelastung deutscher Banken steigt auf Rekordhoch

Foto: Negativzinsen

Mit rund 8,5 Milliarden Euro haben die Banken der Eurozone im Jahr 2020 mehr Negativzinsen an die Europäische Zentralbank (EZB) gezahlt als je zuvor in einem Jahr. Das zeigt eine heute erschienene Studie des Hamburger FinTech-Unternehmens Deposit Solutions auf Basis von Daten der EZB. Den Großteil der Belastung schultern dabei deutsche Institute.

Die Negativzinszahlungen deutscher Banken an die EZB summierten sich im Jahr 2020 auf 2,7 Milliarden Euro. Seit Einführung der Negativzinsen im Jahr 2014 haben deutsche Banken bereits mehr als 10 Milliarden Euro an die EZB überwiesen.

Deutschland europaweit am stärksten vom EZB-Negativzins betroffen

Der Vergleich zwischen den Ländern zeigt, dass die Belastung durch den negativen Einlagenzins ungleich über die verschiedenen Bankensysteme in Europa verteilt ist. So zeichnen allein deutsche und französische Banken für über 60 Prozent aller Negativzinszahlungen in der Eurozone verantwortlich. Auch schlagen sich die geleisteten Strafzinsen in beiden Ländern deutlicher im Zinsergebnis nieder als etwa in den südeuropäischen Volkswirtschaften. Der EZB-Negativzins minderte die Netto-Zinseinahmen der Institute in Deutschland und Frankreich um jeweils rund 3,5 Prozent. In Italien hingegen reduzierte er das Zinsergebnis um 1 Prozent, in Spanien und Portugal um jeweils 0,6 Prozent.

„Deutschland ist europaweit am stärksten vom EZB-Negativzins betroffen“, sagt Dr. Tim Sievers, CEO und Gründer von Deposit Solutions. „Die Negativzinszahlungen deutscher Banken an die EZB entsprachen im Jahr 2020 rund 17 Prozent ihrer Vorsteuergewinne.“

Insgesamt haben die Banken der Eurozone seit Einführung des Negativzinses rund 34 Milliarden Euro Strafzinsen an die EZB gezahlt. Im Jahr 2019 sank die jährliche Belastung vorübergehend, nachdem die EZB über einen Staffelzins Freibeträge für die Banken eingeführt hatte. Getrieben durch den Rekordzuwachs an Kundeneinlagen im Jahr 2020 (+ 500 Milliarden Euro in der Eurozone) hat nun jedoch auch die Belastung durch den negativen Einlagenzins ein neues Allzeithoch erreicht.

Südeuropäische Banken profitieren überproportional von TLTRO III

Verstärkt wird das Ungleichgewicht innerhalb der Eurozone durch das im vergangenen Jahr neu angepasste Kreditprogramm TLTRO III, das es den Banken ermöglicht, unter Erfüllung bestimmter Kreditvergabe-Kriterien bei der EZB Geld zu einem Zins von bis zu -1 Prozent p.a. zu leihen. Wie die Studie von Deposit Solutions zeigt, haben vor allem griechische, italienische, spanische und portugiesische Banken von der TLTRO-III-Finanzierung Gebrauch gemacht. Sie haben negativ verzinste Kredite mit einem Gesamtvolumen von bis zu 12 Prozent ihrer Bilanzsummen aufgenommen.

Für italienische und spanische Banken sind die negativen Zinsaufwendungen aus dem TLTRO-III-Programm der EZB so hoch, dass sie nach Verrechnung mit der Belastung aus dem negativen Einlagenzins mit einem deutlichen Plus dastehen: Ihre Einnahmen durch TLTRO III dürften im Jahr 2020 um 1,6 Milliarden Euro (Italien) bzw. 1 Milliarden Euro (Spanien) über den an die EZB gezahlten Strafzinsen liegen.

„Das TLTRO III Programm der EZB dient primär dem Zweck, die Kreditvergabe der Banken zu fördern. Für die Institute in Südeuropa hat sich das Programm dabei auch als effektive Maßnahme zur Kompensation der Negativzinsbelastung herausgestellt“, sagt Dr. Tim Sievers. „Der Weg, den die Institute eingeschlagen haben, ist jedoch gefährlich: Mit übermäßiger Nutzung der TLTRO-Programme wird die Finanzierung einer Bank von der Zentralbank abhängig und steuert bei Fälligkeit der Kredite auf ein Finanzierungskliff zu.“

Auch Banken aus Deutschland und Frankreich haben TLTRO-III-Kredite intensiv genutzt. Jedoch lag in beiden Ländern die Belastung durch den negativen Einlagenzins im Jahr 2020 weiterhin über den Einnahmen aus TLTRO III – und das sogar im Best-Case-Szenario, in dem sie alle Kreditvergabe-Kriterien der EZB erfüllen und zu einem Zins von -1 Prozent Geld leihen können. So dürften die Banken in Frankreich nach Verrechnung von Strafzinsen und TLTRO-III-Einnahmen im Jahr 2020 weiterhin ein Minus von 410 Millionen Euro verzeichnen. In Deutschland steht sogar ein Minus von über 1 Milliarde Euro.

Vermittlung von Einlagen als kundenfreundlicher Weg zur Reduzierung der Negativzinsbelastung

Für die Banken in Deutschland bleibt der negative Einlagenzins der EZB eine Herausforderung, auf die sie eigene Antworten finden müssen, sagt Dr. Tim Sievers: „In den vergangenen zwei Jahren hat die EZB verschiedene Instrumente eingeführt, die direkt oder indirekt helfen können, die Belastung durch den negativen Einlagenzins für die Banken zu reduzieren“, so der Deposit Solutions Gründer.

„Weder die 2019 eingeführten Freibeträge noch die günstigen TLTRO-III-Kredite aber reichen aus, um die Negativzinsbelastung für deutsche Banken zu kompensieren. Diese Situation erschwert es den Banken zusätzlich, ihren Kunden eine Lösung für ihr Sparbedürfnis anzubieten.“

Ein kundenfreundlicher Weg, um Einlagenüberschüsse zu reduzieren und den eigenen Kunden gleichzeitig noch einen positiven Zins anbieten zu können, liegt in der Vermittlung von Einlagenprodukten von Drittinstituten – so wie es zahlreiche Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Universalbanken mit Hilfe der Einlagenplattform von Deposit Solutions bereits heute erfolgreich praktizieren.

„Banken, die Einlagenprodukte von Drittinstituten in ihr Angebot integrieren, können ihren Kunden statt Null- oder Negativzinsen eine attraktive Alternative anbieten, die Kundenbeziehung stärken und gleichzeitig ihre Negativzinsbelastung bei der EZB reduzieren“, so Dr. Tim Sievers. 

„Als Produktsteller treten dabei häufig erfolgreiche Spezialbanken auf, die in Geschäftsbereichen ohne eigenen direkten Privatkundenzugang aktiv sind, wie etwa Factoring-, Leasing-, Geschäftskunden- oder Hypothekenbanken. Sie können ihre Finanzierung um stabile Kundeneinlagen anreichern, ohne vor Ort ein eigenes Direktgeschäft aufbauen zu müssen, und sind deshalb in der Lage, einen attraktiveren Zins zu bieten als viele Hausbanken.“

Über die Studie:

Für die Studie „Give and Take: Negative Deposit Rate Charges in View of TLTRO III“ wurde die Negativzinsbelastung der Banken der Eurozone sowie der Schweiz zum Stichtag 31. Dezember 2020 auf Basis aggregierter Zentralbankdaten berechnet. Für die Berechnung der TLTRO-III-Zinseinnahmen haben die Analysten das durchschnittliche, vierteljährliche Wachstum der Vergabe von TLTRO-III qualifizierten Krediten aus dem Jahr 2020 auf Ende 2021 extrapoliert, um ihre weitere Entwicklung ableiten und die im Jahr 2020 geltenden Zinssätze rückwirkend ermitteln zu können.

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