Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil bestätigt, dass auch Versicherungsvertreter zur Vermittlung von Nettopolicen berechtigt sind. Laut Rechtsanwalt Norman Wirth vollzieht der BGH damit eine erhebliche Annäherung der Vermittlertypen „Vertreter“ und „Makler“ und leistet der Liberalisierung der Vergütungsmodelle in der Versicherungsvermittlung Vorschub.
Der BGH habe mit Urteil vom 12. Dezember 2013 (Az. III ZR 124/13) eine bemerkenswerte Entscheidung zur Gleichstellung von Versicherungsmakler und –vertreter sowie zur Honorierung und den Leistungspflichten von Vermittlern allgemein getroffen, heißt es in einer Pressemitteilung der auf Vermittler- sowie das Versicherungs- und Kapitalanlagerecht spezialisierten Berliner Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte.
Die Klägerin, eine Versicherungsvertreterin, hatte eine fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherung an die Beklagte vermittelt. Bei der vermittelten Versicherung handelte es sich um eine sogenannte Nettopolice, bei der die zu zahlenden Versicherungsprämien keinen Provisionsanteil für die Vermittlung enthielten.
Stattdessen wurde zwischen den Parteien eine gesonderte Vergütungsvereinbarung abgeschlossen. Darin waren unter anderen Informationen über den Status der Vermittlerin als für die Versicherung tätige Vertreterin enthalten. Ebenfalls wurde die Kundin darüber informiert, dass sie auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages zur Zahlung der vollständigen Vergütung verpflichtet sei. Nachdem die Kundin nach der Zahlung von 13 Monatsraten auf die vereinbarte Vergütung die weiteren Zahlungen einstellt, kam es zur Klage auf Restzahlung.
Gleiche Pflichten trotz unterschiedlicher „Lagerzugehörigkeit“
Bemerkenswert am Urteil sei, dass der BGH eine erhebliche Annäherung der Vermittlertypen „Vertreter“ und „Makler“ vollziehe und zudem der Liberalisierung der Vergütungsmodelle in der Versicherungsvermittlung und –beratung Vorschub gebe, so Wirth. Bereits 2005 hatte der BGH demnach in mehreren Urteilen entschieden, dass Versicherungsmakler eine solche gesonderte Honorarvereinbarung für die Vermittlung einer Nettopolice treffen dürfen.
Dem stünde nicht entgegen, dass der Makler eigentlich als Sachwalter des Kunden „im Lager des Kunden“ steht. Damit ist er „nur“ zu einer umfassenden Betreuung aller Versicherungsinteressen des Kunden und zu einer entsprechenden Beratung in Bezug auf den von ihm vermittelnden oder bereits vermittelten Versicherungsvertrag verpflichtet – nicht in Bezug auf die gesonderte Vergütungsvereinbarung. Im Unterschied dazu steht der Versicherungsvertreter grundsätzlich „im Lager des Versicherers“.
Jedoch sind mittlerweile auch dem Versicherungsvertreter – seit der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 – umfängliche Beratungs-, Hinweis- und Dokumentationspflichten auferlegt, so der BGH in seinem aktuellen Urteil. Diese unterscheiden sich nach Ansicht des BGH nicht von den Maklerpflichten, soweit sie die Frage betreffen, ob das angebotene Produkt den Bedürfnissen und Interessen des Kunden entspricht.
Schutzwürdige Interessen der Kunden sieht der BGH mit einer Vergütungsvereinbarung nicht tangiert. Dies auch unter Berücksichtigung, „dass sich der Kunde im Falle der vorzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages bei einer Nettopolice deutlich schlechter stellen kann, als bei einer (dem Schicksalsteilungsgrundsatz unterliegenden) Bruttopolice.“. Es reiche, dass der Kunde deutlich darauf hingewiesen wird, dass er auch dann zur Zahlung der vollen Vergütung verpflichtet bleibt.
Erhöhter Wert der Maklertätigkeit
Da es im aktuellen Urteil einzig um das Verhältnis zwischen Kunde und Vermittler ging, habe das Gericht es auch bewusst offen gelassen, ob die Regelungen des Handelsgesetzbuches über die Vertreterprovisionen überhaupt Vereinbarungen zulassen, wonach der Vertreter vom Versicherer keinerlei Vergütung erhält, dafür aber selbständige Vergütungsvereinbarungen mit seinen Kunden schließen darf, erläutert Rechtsanwalt Wirth.
Der BGH habe jedoch einen äußerst relevanten Unterschied der der Vermittlertypen klar heraus gestellt: Der Wert der Leistung eines Versicherungsvertreters liege nach Auffassung des BGH unter dem Wert der Leistung eines Versicherungsmaklers. Denn, so der BGH, eine der wesentlichen Pflichten des Maklers, seiner Beratung eine größere Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grund zu legen, könne der Vertreter nicht oder nur unzureichend erfüllen. Das sei auch bei einem eventuellen Streit über die angemessene Vergütung zu berücksichtigen.
„Das Urteil kann in seiner Relevanz nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ob es nun um die Frage des erheblichen Wertes der Maklertätigkeit oder aber um die Frage der weiteren Liberalisierung der Vergütungsmodelle im Versicherungsbereich geht. In beiden Punkten haben wir jetzt höchstrichterlich weitere äußerst spannende Aussagen erhalten, die in der Versicherungsbranche für Bewegung sorgen werden“, kommentiert Rechtsanwalt Wirth das BGH-Urteil.
„Hoffentlich wird auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bei seinen Betrachtungen über einen gesetzgeberischen Eingriff in die Provisionshöhe die Aussagen des BGH zu der Wertigkeit der Maklerleistung zur Kenntnis nehmen“, bemerkt Wirth in Bezug auf die aktuelle Diskussion zur Provisionsbegrenzung.
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